Schweiz
Interview

Schweizer enttäuscht von Klimakonferenz: «Nötig wäre viel mehr!»

Umweltbotschafter Franz Perrez leitet die Schweizer Delegation an der Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich.
Umweltbotschafter Franz Perrez leitet die Schweizer Delegation an der Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich.bild: ch media
Interview

Schweizer Delegationsleiter enttäuscht von Klimakonferenz: «Nötig wäre viel mehr!»

Ein Fonds für Klimaschäden, aber nicht mehr Schutz: Mit dem Ergebnis der Klimakonferenz in Ägypten ist die Schweiz «nicht zufrieden». Umweltbotschafter Franz Perrez erklärt, was der Minimalkonsens der Schweiz trotzdem bringt. Und wer die Welt nun besser schützen kann.
20.11.2022, 11:38
Samuel Thomi / ch media
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Zwei Tage nach dem eigentlichen Ende der Klimakonferenz fand die Weltgemeinschaft in Sharm el Scheich in der Nacht auf Sonntag doch noch eine Einigung. Sind Sie zufrieden mit der Abschlusserklärung?
Franz Perrez: Nein, wir sind nicht zufrieden. Wir hätten uns eindeutig ambitioniertere Ziele für den Klimaschutz gewünscht.

Ist die Abschlusserklärung unter dem Strich nun also ein Stillstand oder gar Rückschritt?
Ein Rückschritt ist es zum Glück nicht, es gibt kleine Fortschritte. Aus Schweizer Sicht zu erwähnen, ist beispielsweise ein Arbeitsprogramm für den Klimaschutz. Aber auch dieses hätten wir uns griffiger gewünscht. Dennoch hat es das Potenzial, die Länder zu motivieren, ihre Emissionen zu reduzieren.

Als grösster Erfolg wird nun der erstmalige Klimatopf gefeiert.
Ein anderer Fortschritt ist die Hilfe für ärmere Länder im Umgang mit Klimaschäden. In der Konferenz ist klar geworden, dass der Ruf nach dieser Form von Hilfe sehr breit abgestützt ist. Für uns war hierbei das wichtigste Kriterium, sicherzustellen, dass der Fonds die verletzlichsten Länder unterstützt und nicht einfach alle. Und dass der Fonds nicht nur von den traditionellen Industrieländern finanziert wird. Dieses Ziel ist erreicht worden.

Zugleich ist dieser Klimatopf verbunden mit einer Niederlage für die Industrieländer – hatten sie ihre Zustimmung doch an mehr Tempo beim Klimaschutz gebunden …
… es wird mehr Tempo geben. Nötig wäre aber viel mehr! Dass sich die Teilnehmenden der Klimakonferenz nicht auf ambitioniertere Ziele beim Klimaschutz einigen konnten, ist sehr enttäuschend. Das gilt nicht nur für die Schweiz, sondern auch für ganz viele Entwicklungsländer.​

Das 1.5-Grad-Ziel von Paris für die Erderwärmung bleibt also arg in Gefahr.
Es ist in Gefahr, ja. Der Klimaschutz wird jedoch nicht an der Weltklimakonferenz verbessert, sondern auf nationaler Ebene in den einzelnen Ländern. Insofern ist es nun an den Staaten, ambitionierte Ziele zu beschliessen und diese dann auch umzusetzen.

Hier macht die Schweiz aber ja gerade keine gute Falle, sie flog in einem eben veröffentlichten Klima-Index sogar aus den Top 20.
Die Schweiz ist punkto Klimaschutz kein Einzelfall, auch wenn Bewertungen von Ratings immer schwierig sind. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass alle Länder in der Klimapolitik ungenügend sind. Und wie jedes Land muss auch die Schweiz ihre Emissionen reduzieren. (aargauerzeitung.ch)

Zur Person
Franz Perrez ist Botschafter für die Umwelt im Bundesamt für Umwelt (Bafu) und Leiter der Schweizer Delegation an der Weltklimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich.
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