Formlos und ohne Aktennotiz traf sich Bundesanwalt Michael Lauber wiederholt mit Fifa-Boss Gianni Infantino. Ein Vorgehen, welches erfahrene Strafverfolger wie Dick Marty für unprofessionell halten.
Aber informelle und nicht protokollierte Zusammenkünfte sind bei Lauber keine Seltenheit. Im Gegenteil: Sie sind eines der wichtigsten Instrumente im Werkzeugkasten des Bundesanwalts.
Da war etwa das Treffen mit dem gefürchteten Lobbyisten und ehemaligen Schweizer Botschafter in Deutschland, Thomas Borer. Im Jahr 2013, also in seinem zweiten Amtsjahr, traf sich Lauber mit Borer «zum Apéro». Es sei ein «Austausch über damals aktuelle Fragen zum System des Geldwäschereidispositivs der Schweiz» gewesen, so die Bundesanwaltschaft im Januar 2015 auf Anfrage der chmedia-Zeitungen. Und weiter: «Der Bundesanwalt trifft sich immer wieder mit Personen des öffentlichen Lebens zum allgemeinen Meinungsaustausch über aktuelle Fragen.»
Und dann folgte in der Antwort der Behörde der Satz: «Ob dieses Treffen am 31. Juli 2013 stattgefunden hat oder an einem anderen Datum, kann nicht rekonstruiert werden.»
Nicht rekonstruierbar. Das heisst also, dass Lauber schon damals keine Notizen zu informellen Treffen mit einflussreichen Personen wie Borer anfertigte. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft muss über diese Praxis im Bild gewesen sei: Sie untersuchte Laubers Vorgehen damals.
Monate nach dem Treffen mit Lauber ergatterte Borer ein Mandat des autoritären Regimes von Kasachstan. Es war die NZZ, die dies Jahre später gestützt auf gehackte E-Mails berichtete. In einem dieser Mails schrieb Borer nach Kasachstan, er habe «Zugang zu einem wichtigen Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft» erhalten. Dieser Mann «könnte uns wichtige Insider-Informationen zugänglich machen».
Borer arbeitete in der Folge für die Regierung Kasachstans. Diese jagte den abtrünnigen Oligarchen Viktor Khrapunov, der sich mit vielen Millionen nach Genf abgesetzt hatte. Seit 2012 wurde Khrapunov von Interpol gesucht, ab 2013 ermittelte die Genfer Justiz wegen Geldwäscherei.
Laubers Methoden haben mitunter Folgen für Strafverfahren. So schickte das Bundesstrafgericht soeben Laubers Verfahrensleiter in einer Geldwäschereiaffäre um Usbekistan in den Ausstand. Auslöser war eine Reise, die der Verfahrensleiter zusammen mit Lauber in die usbekische Hauptstadt Taschkent getätigt hatte. Weil in den Verfahrensakten keine Präzisierungen zum Inhalt dieser Reise waren, reichten die Anwälte der usbekischen Beschuldigten mit Erfolg Beschwerde wegen Befangenheit ein. Jetzt muss Lauber einen neuen Verfahrensleiter einsetzen.
Dass der seit 2012 amtierende Bundesanwalt Lauber sich diese Extravaganzen bisher ungestraft leisten konnte, stellt der personell schwach dotierten Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft kein sehr gutes Zeugnis aus. Immerhin gab diese Lauber kürzlich endlich die «Empfehlung» ab, «übergeordnete Treffen im Sinne der Nachvollziehbarkeit künftig zu dokumentieren».
Zur Schwäche der Aufsicht kommt Laubers eigene Stellung. Er hat eine Machtfülle, die für schweizerische Verhältnisse unüblich ist. Er allein entscheidet über Wahl oder Abwahl seiner Staatsanwälte. Er erteilt ihnen gemäss Gesetz Weisungen, kann allein über Verfahren entscheiden: «Zulässig sind auch Weisungen im Einzelfall über die Einleitung, die Durchführung oder den Abschluss eines Verfahrens sowie über die Vertretung der Anklage und die Ergreifung von Rechtsmitteln.»
Ein ehemaliger Strafverfolger sagt: «Der Bundesanwalt hat mehr Macht als der Bundesrat.» Wenn er mit dieser Macht, die auch Verantwortung sei, nicht umgehen könne, komme es zu den Problemen, die sich jetzt zeigten.