Aus übergrosser Liebe zu ihrem Hund hat eine Frau die Alarmzeichen für dessen Gefährlichkeit ausgeblendet. Ihr Mann zog sich zunehmend aus der Verantwortung für das Tier zurück. Im Oktober 2019 kam es in Horgen ZH zu einer schweren Attacke des Tiers auf eine Rentnerin.
Vor dem Bezirksgericht Horgen hatte sich das heute geschiedene Paar am Dienstag wegen des Vorwurfs der schweren eventualvorsätzlichen Körperverletzung zu verantworten. Der Frau wirft die Staatsanwältin zudem Unterlassung der Nothilfe vor, dem Mann Tierquälerei. Er soll mit einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, sie von 24 Monaten bestraft werden, beides bedingt. Die Kroatin sei zudem für sieben Jahre des Landes zu verweisen.
Laut ihrem Verteidiger hatte die 35-Jährige den Vorfall, bei dem die Rentnerin verletzt worden war, nicht in Kauf genommen - es handle sich nicht um Eventualvorsatz, sondern um Fahrlässigkeit. Juristisch gesehen seien zudem die Verletzungen des Opfers nicht als schwer einzustufen, es liege einfache Körperverletzung vor. Dazu komme Unterlassung der Nothilfe.
Angemessen sei eine bedingte Geldstrafe von maximal 90 Tagessätzen. Für die in der Schweiz aufgewachsene Frau sei ausserdem von einer Landesverweisung abzusehen.
Der Verteidiger des Mannes beantragte Rückweisung der Anklageschrift. Erst müsse eine bestimmte Hundetrainerin als Zeugin befragt werden.
Auch er plädierte auf fahrlässige einfache Körperverletzung. Vom Vorwurf der Tierquälerei sei der 33-Jährige freizusprechen. Es gebe keinerlei Beweise, dass er den Hund geprügelt und schlecht behandelt habe. Eine bedingte Freiheitsstrafe von drei Monaten sei angemessen. Das Urteil soll am kommenden Dienstag eröffnet werden.
In der Befragung stellte sich die beschuldigte Frau über weite Strecken als Opfer dar. Mit tränenerstickter Stimme beantwortete sie Fragen des Gerichts. Immer wieder machte sie Erinnerungslücken geltend. Bei anderen Gelegenheiten verharmloste sie die Aggressivität des Hundes, den das Paar 2017 als Welpen bei einem bulgarischen Zürcher gekauft hatte.
Das Tier fiel schon früh durch unberechenbare Aggressivität auf. Immer wieder attackierte es Aussenstehende und auch die Halter selbst. Das Paar suchte Hilfe bei zahlreichen Hundetrainern und -experten im In- und Ausland.
Immer wieder erhielten die Hundehalter den Rat, den Rottweiler einschläfern zu lassen oder ihn zumindest wegzugeben. Polizei und Veterinäramt wiesen das Paar an, den grossen, massigen Hund nur noch mit Maulkorb auszuführen. Das wurde allerdings nicht immer befolgt.
Vor allem die Frau wollte ihren geliebten Hund weder einschläfern lassen, noch weggeben. Wie die Staatsanwältin sagte, «missachtete sie in ihrer Liebe und Fürsorge für den Hund alle Anzeichen für die Gefahr». Sie habe gehofft, das nichts passieren werde.
Die Verantwortung für das Tier lag mehr und mehr bei der Frau. Der Mann, auf dessen Wunsch der Rottweiler ursprünglich gekauft worden war, verlor dagegen zunehmend das Interesse. Er will von allem nichts gewusst haben und schob die Schuld seiner ex-Frau zu. Laut seinem Verteidiger war er schon Ende 2018 bereit, den Hund abzugeben.
Zu dem tragischen Vorfall kam es im Oktober 2019. Die Frau machte mit dem Hund einen Spaziergang in Horgen. Das Tier war angeleint, trug aber keinen Maulkorb. Als ihnen eine heute 77-jährige Frau entgegenkam, trat die Hundehalterin zur Seite und hielt den Rottweiler kurz.
Sie vermochte ihn aber nicht zurückzuhalten, als er sich, kaum war die Rentnerin vorbei, von hinten auf diese stürzte. Er stiess sie zu Boden, so dass sie bewusstlos wurde, und fügte ihr zahlreiche Bisswunden in Gesicht, Nacken, Kopf, Rücken und Armen zu. Noch heute leidet die Frau körperlich und seelisch an den Folgen der Attacke.
Anstatt sich um die Schwerverletzte zu kümmern oder die Rettungskräfte zu rufen, packte die Frau den Hund und lief nach Hause. Sie habe im Schock gehandelt, machte sie vor Gericht geltend. (sda)
Nur schon einen solche aggressiven Hund zu halten, im wissen, dass man ihn nicht mal zurückhalten kann und dann trotzdem ohne Maulkorb spazieren gehen. WTF? Manche Menschen sollten nicht am sozialen Leben teilnehmen dürfen. Ein Kind wäre wahrscheinlich totgebissen worden.