Schweiz
Justiz

Zürcher Obergericht: Lebenslänglich für Berner Doppelmörder

Fall Boppelsen: Lebenslänglich für Berner Doppelmörder – aber keine Verwahrung

22.06.2021, 09:1722.06.2021, 16:12
Mehr «Schweiz»
"Ein exemplarischer Fall von exzessiver Gewalt nach Fussballspielen": Das Zürcher Obergericht schickt einen 23-jährigen Lehrling 7 Jahre ins Gefängnis. (Archivbild)
Urteil gefällt: Zürcher Obergericht.Bild: KEYSTONE

Das Zürcher Obergericht hat den 31-jährigen Doppelmörder aus Utzigen BE am Dienstag zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Verwahrt wird er aber nicht. Auch seine Noch-Ehefrau und ein befreundeter Garagist müssen ins Gefängnis.

Das Obergericht verurteilte den Transportunternehmer unter anderem wegen mehrfachen Mordes und Raubes. Der freundlich und zurückhaltend wirkende Berner hatte zwei Männer getötet, indem er ihnen Mund und Nase mit Klebeband zugeklebt hatte und sie qualvoll ersticken liess.

Das erste Opfer, das er aus der Schule kannte, hatte ihm Geld aus Drogentransporten geschuldet. Vom zweiten Opfer wollte er einen Lastwagen stehlen. Den ehemaligen Kollegen begrub der 31-Jährige mit einem Bagger neben seinem Haus in Utzigen, den ermordeten Verkäufer des Lastwagens stiess er in Boppelsen ZH einen Abhang hinab.

«Erschreckende Gefühllosigkeit»

In beiden Fällen gab der Doppelmörder an, dass ihn «die Serben-Mafia» zu den Taten gezwungen habe. Das Obergericht glaubte ihm jedoch kein Wort. Das sei eine Räuberstory. «Da wähnt man sich eher in einem kitschigen Krimi als in der Realität», so der Richter.

Für das Obergericht war klar, dass der Berner die beiden Opfer aus eigenem Antrieb getötet hatte. Mit erschreckender Gefühllosigkeit habe er das Leben eines ehemaligen Kollegen und eines ihm fast unbekannten, jungen Mannes ausgelöscht.

Das Zukleben der Atemwege habe den Opfern einen qualvollen Tod bereitet. «Sie rangen wehrlos nach Luft.» Diese Taten hätten auch die Richter nicht kalt gelassen, sagte der Oberrichter. Sie hätten schockierende Details erfahren. Für die beiden Morde und die weiteren Verbrechen muss der Täter nun lebenslänglich hinter Gitter.

Das bedeutet, dass eine bedingte Entlassung frühestens nach 15 Jahren möglich ist, allerdings nur dann, wenn eine günstige Prognose gestellt werden kann. Eine ordentliche Verwahrung, also wegsperren ohne Therapie, verhängte das Gericht jedoch nicht.

Staatsanwältin wollte ihn verwahren

Der Täter hat zwar eine narzisstisch dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung und manipuliert sein Umfeld – psychisch krank ist er gemäss Gutachten aber nicht. Eine psychische Krankheit oder eine extrem grosse Rückfallgefahr wären aber Voraussetzung für eine Verwahrung. Was die Rückfallgefahr betrifft, kam das Obergericht aber zum Schluss, dass diese nicht übermässig gross ist.

Auslöser für die Morde sei eine psychische Belastung gewesen, durch Geldsorgen, gesundheitliche Probleme und die fremdgehende Ehefrau. Der Täter müsse nun aber «andere Bewältigungsstrategien entwickeln».

Damit bestätigte das Obergericht das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Bülach. Die Staatsanwältin war beim Thema Verwahrung anderer Meinung. Sie hatte neben der lebenslänglichen Freiheitsstrafe auch eine Verwahrung gefordert. Für sie ist der Berner ein Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit, weil ihm Töten offensichtlich gar nichts ausmache.

Noch-Ehefrau erhält härtere Strafe

Das Obergericht schickte auch die 30-jährige Noch-Ehefrau und den 38-jährigen Freund aus Solothurn ins Gefängnis. Die Ehefrau, die sich aktuell vom Haupttäter scheiden lässt, wurde zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Dies ist ein Jahr und zwei Monate mehr als noch am Bezirksgericht Bülach.

Der befreundete Garagist erhielt hingegen eine leicht mildere Strafe: Statt 13 Jahre wie in Bülach gab es noch 11 Jahre und 11 Monate. Das Obergericht verurteilte beide unter anderem wegen Gehilfenschaft zu Mord und Gehilfenschaft zu qualifiziertem Raub.

Sie hätten sich weigern können

Das Gericht glaubte den beiden zwar, dass sie nichts von den Tötungsabsichten des Haupttäters wussten und ihm eigentlich «nur» bei der Entführung und dem Lastwagendiebstahl helfen wollten.

Irgendwann wurde aber beiden klar, dass die Opfer nicht überleben würden. «Spätestens dann hätten sie intervenieren oder sich weigern können», sagte der Oberrichter. Stattdessen hätten aber beide weitergeholfen und den Mord an den Opfern in Kauf genommen.

Die drei Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sie können noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. (aeg/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Norwegen pumpt Millionen Tonnen CO₂ in den Meeresboden – die Schweiz will profitieren
Millionen Tonnen Klimagas sollen künftig unter dem Meeresboden verschwinden. Was bei diesem Projekt anders ist und was Kritiker davon halten.
Diese Woche war Premiere in Westnorwegen: Im Industriehafen Oygarden, nahe der Stadt Bergen, nahm die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Speicherung von klimaschädlichem CO₂ ihren Betrieb auf. Hier wird per Schiff angeliefertes, verflüssigtes CO₂ durch eine 100 Kilometer lange Pipeline 2600 Meter tief in den Meeresboden gepumpt – und gelangt damit sozusagen wieder dorthin, wo es einmal hergekommen ist: Es wird in leere Bohrgänge gepresst, aus denen man einst Erdöl und –gas gefördert hat. Damit kann CO₂ aus weit entfernten Regionen in der Nordsee gelagert werden – zum Beispiel auch solches aus der Schweiz.
Zur Story