Ilse Niederer ist stolze Grossmutter eines fünfjährigen Mädchens. Doch gesehen hat sie ihre Enkelin in den vergangenen fünf Jahren erst zwei Mal. «Meine Ex-Schwiegertochter will nicht, dass wir unsere Enkelin sehen. Und ich und mein Mann haben kaum eine Chance dagegen vorzugehen», erklärt Niederer ihre Situation. Die 75-Jährige macht das traurig und wütend.
Ilse und ihr Mann Marcel Niederer haben bereits viel versucht, um ihr Enkelkind zu Gesicht zu bekommen. «Wir haben eine Mediation zusammen mit der Mutter vorgeschlagen, aber auch das wollte sie nicht», erinnert sich Niederer. Das Ehepaar ging gar bis vor Bezirksgericht, dort blitzte es mit seiner Klage jedoch ab.
Die Niederers lassen sich davon aber nicht entmutigen. Sie kämpfen weiter – nun auch auf politischem Weg. Ende April reichte das Ehepaar eine Petition im Parlament ein. Sie trägt den Titel «Besuchsrecht für Grosseltern» und fordert genau das: Grosseltern sollen in Zukunft gesetzlichen Anspruch haben, ihre Enkel sehen zu dürfen.
«Sehr viele Eltern leben getrennt voneinander in neuen Familien, da sind die Grosseltern häufig die einzigen stabilen Bezugspersonen», begründet Niederer die Petition und ergänzt: «In der Schweiz haben Grosseltern kaum eine Chance ein Besuchsrecht zu erhalten. Ausser in extremen Ausnahmefällen. In anderen Ländern ist das ganz anders.»
In der Tat sieht das Schweizer Recht keinen generellen Besuchsanspruch für Grosseltern vor. Geregelt sind die familiären Beziehungen im Zivilgesetzbuch. Laut Art. 274a ZGB haben Verwandte nur unter ausserordentlichen Umständen «ein Recht auf persönlichen Verkehr». Und das nur, wenn es dem Wohle des Kindes dient.
Anders in Deutschland: Hier wird den Grosseltern im bürgerlichen Gesetzbuch ein Recht auf Kontakt eingeräumt. Auch in Frankreich gewährt der Code Civil allen Verwandten in aufsteigender Linie Anspruch auf persönlichen Kontakt mit den Kindern.
Ilse Niederer geht noch einen Schritt weiter: «Das Besuchsrecht ist ein Menschenrecht. Die Schweiz hat die internationale Konvention der Menschenrechte unterzeichnet. Und dort drin steht, dass ein Kind das Recht auf Familie hat», so die 75-Jährige.
Mit ihrer Petition sind die Niederers nicht die Ersten, die das Thema auf politisches Parkett bringen. Bereits vor acht Jahren forderte der ehemalige Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger die gesetzliche Verankerung eines Besuchsrechts für Grosseltern. Er bezeichnet Art. 274a ZGB als «unangemessen und sachfremd» und beschreibt die Betreuung der Grosseltern als «wertvoll und wünschenswert» für die Entwicklung der Enkelkinder.
Anlass für die Petition gab Freysinger der damalige Fall der Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet. Deren Partner erschoss die damals 34-Jährige und danach sich selbst. Zurück blieb Sohn Kevin, der darauf in eine Pflegefamilie kam und seine Grosseltern nur sporadisch und unter Aufsicht besuchen durfte.
Doch Freysingers Forderung scheiterte. Der Bundesrat lehnte die Motion mit der Begründung ab, dass eine gesetzliche Verankerung «nicht opportun» sei. «Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass in erster Linie die Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Rechte und Pflichten den Kontakt ihres Kindes zu den Grosseltern zu bestimmen haben», heisst es in der Begründung.
Freysinger begrüsst es, dass nun Private seinen Kampf weiterführen. Auch für Ilse Niederer ist die Zeit reif: «Das Gesetz wurde zu einer Zeit verfasst, wo es noch nicht so viele Scheidungskinder gab. Die Gesellschaft hat sich verändert. Das Recht sollte es auch tun.»