Auf den Schweizer Gletschern liegt derzeit so viel Schnee wie schon lange nicht mehr. Auf manchen Eisfeldern wurden sogar rekordhohe Schneehöhen nachgewiesen. Auf der Plattform X hat Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, die frohe Kunde verbreitet: «Eine der besten Wintersaisons aller Zeiten für die Schweizer Gletscher! 31 Prozent mehr Schnee als üblich», twitterte Huss am Donnerstag. Und fügte an: «Das sind gute Nachrichten für den kommenden Sommer.»
Im Rahmen des Schweizer Gletschermessnetzes (Glamos) haben Forschende im April und Mai 2024 die Schneebedeckung zum Ende des Winters auf 14 Gletschern gemessen. Erfasst wurde die Schneehöhe und auch, wie dicht der Schnee ist.
«Die Ergebnisse zeigen eine stark überdurchschnittliche Schneebedeckung der Schweizer Gletscher in allen Teilen des Landes mit mittleren Schneehöhen zwischen 3 bis 6 Metern», heisst es in einer Zusammenfassung der vorläufigen Forschungsergebnisse. Für alle Schweizer Gletscher ergebe sich ein Überschuss von 31 Prozent mehr Winterschnee im Vergleich der Jahre zwischen 2010 und 2020.
Auf einzelnen Gletschern wurden sogar Höchstwerte nachgewiesen. Auf Nachfrage nennt Huss den Claridenfirn im Kanton Glarus, wo seit 110 Jahren gemessen wird, solange wie sonst nirgends weltweit. «Hier verzeichneten wir den höchsten je gemessenen Wert», sagt der Forscher, wobei nicht einfach einzuschätzen sei, wie exakt die sehr alten Messungen sind. Auch im Tessin, auf dem Ghiacciaio del Basòdino, wurde so viel Schnee gemessen wie noch nie seit 1991.
Auf den ersten Blick überraschen die Ergebnisse: Der Winter war überdurchschnittlich warm, im Mittelland war er abgesehen von wenigen Tagen Ende letzten Jahres und im April kaum spürbar. «In der Höhe, auf 3000 Meter über Meer waren die Temperaturen trotzdem tief genug, dass die Niederschläge in Form von Schnee anfielen», erklärt Huss auf Anfrage, «und weil es ein sehr niederschlagsreicher Winter war, haben wir jetzt diese hohen Werte.»
Doch warum sind das gute Nachrichten für den kommenden Sommer? «Die dicke Schneedecke ist wie ein Schutzschild für den Gletscher - es wird länger dauern, bis sie weggeschmolzen ist, so lange ist das Gletschereis geschützt.» Dieser Schutzschild fehlte in den letzten Jahren: Nach sehr niederschlagsarmen Wintern verloren die Schweizer Gletscher in den heissen Sommern 2022 und 2023 insgesamt 10 Prozent ihres Volumens - so viel wie nie zuvor.
Besteht denn nun die Chance, dass sie wieder wachsen? Dies hänge vom Wetter im Sommer ab, sagt Huss. Da die langfristigen Modelle erneut auf einen überdurchschnittlich warmen Sommer hindeuteten, wäre schon ein etwas geringerer Eisverlust als sonst dank der dicken Schneeschicht «eine erfreuliche Nachricht», sagt der Forscher. Ein massgeblicher Gewinn sei auch dieses Jahr kaum zu erwarten.
Entscheidend für die Zukunft der Schweizer Gletscher seien in erster Linie die Temperaturen im Sommer - und da sehe es wegen des Klimawandels weiterhin schlecht aus. Niederschlagsreiche Winter, wie der vergangene, könnten den Schmelzprozess bloss kurzfristig etwas bremsen und seien nicht vermehrt zu erwarten.