Schweiz
Kommentar

Bundesrat: Im Zickzack-Kurs zur Erdgas-Solidarität mit Europa

Bundesrat Guy Parmelin, rechts, und Bundesraetin Simonetta Sommaruga diskutieren auf dem Weg zu einer Medienkonferenz ueber die Beschluesse des Bundesrates zur Gasmangellage, am Mittwoch, 24. August 2 ...
Wollten sie, oder wollten sie nicht? Simonetta Sommaruga und Guy Parmelin auf dem Weg zur Medienkonferenz.Bild: keystone
Kommentar

Im Zickzack-Kurs zur Erdgas-Solidarität mit Europa

Der Bundesrat schliesst sich dem freiwilligen EU-Sparziel von 15 Prozent beim Erdgas an. Dieser Entscheid war mehr als überfällig, aber die Umstände der Kommunikation waren eigenartig.
25.08.2022, 04:5726.08.2022, 08:26
Mehr «Schweiz»

Weiss im Bundesrat die Linke eigentlich, was die Rechte tut? Diese Frage ist nicht politisch, sondern metaphorisch gemeint. Denn noch am Mittwochmorgen sah es nicht so aus, als ob Energieministerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin am späteren Nachmittag vor die Medien treten und ein Gas-Sparziel ankündigen würden.

Am Vormittag fand eine Klausur zum Thema Energie statt. In einer Mitteilung am frühen Nachmittag hiess es, die Regierung werde «an einer der nächsten Sitzungen» auf das Thema zurückkommen. Was zumindest andeutete, dass noch keine Kommunikation geplant war. Doch dann erschien eine Medienmitteilung zu den Plänen für eine Gasmangellage.

Kurz darauf verschwand sie von der Website des Bundes. Dafür trudelte ein Mail ein, in dem besagte Medienkonferenz angekündigt wurde. Man kann diese Zickzack-Kommunikation auf eine gewisse Überforderung in Bundesbern in Zeiten mehrerer Krisen zurückführen. Doch der Verdacht drängt sich auf, dass der Bundesrat sich nochmals Zeit nehmen wollte.

Schweiz unter Zugzwang

Tatsächlich ist schon in einer Woche der nächste Auftritt geplant. Dann wird der Bundesrat mögliche Massnahmen im Fall einer Mangellage vorstellen, ebenso die seit einiger Zeit angekündigte Sparkampagne, bei der es auch um Strom geht. Warum also nicht mit dem Sparziel noch zuwarten, mag man sich im Bundesratszimmer gefragt haben.

Das Problem ist nur, dass sich die Schweiz unter Zugzwang befindet. Sie ist beim Gas «vollständig von Importen abhängig», räumte Sommaruga ein. Diese erfolgen aus unseren Nachbarländern, und die Europäische Union hat sich schon vor einem Monat auf ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent geeinigt. Die Schweiz konnte sich dem nicht entziehen.

Solidarität ist keine Einbahnstrasse

Solidarität ist keine Einbahnstrasse, schon gar nicht bei einem essenziellen Thema wie der Energieversorgung. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Schweiz unter Druck stehe, setzte Guy Parmelin zu einer ausufernden, aber nichtssagenden Antwort an. Überhaupt waren der SVP-Magistrat und seine SP-Kollegin bemüht, diesen Aspekt herunterzuspielen.

Dabei musste Sommaruga zugeben, dass es keine Garantie gibt, dass die Schweiz ihre im benachbarten Ausland «gesicherten» Gasreserven im Ernstfall abrufen kann. Umso zwingender ist es, dass die Schweiz das Sparziel der Europäer übernimmt. Gas mag bei uns eine geringere Bedeutung haben als in anderen Ländern, aber es ist nicht unbedeutend.

Schluss mit Verschwendung!

Nun ist der erste Schritt getan, und die Bundesverwaltung will beim freiwilligen Gaseinsparen «mit gutem Beispiel» vorangehen. Denn niemand weiss, wie ernst die Lage im Winter sein wird. Vielleicht blufft Wladimir Putin mit dem angedrohten Lieferstopp, denn nicht nur der Westen ist beim Gas von Russland abhängig, sondern auch Russland vom Westen.

Aber die Zeiten, in denen wir uns unbesorgt auf die permanente Verfügbarkeit von Energie verlassen konnten, sind vorbei. «Wir müssen aufhören, Energie zu verschwenden», betonte Simonetta Sommaruga. Dafür brauche es «Selbstdisziplin und Genügsamkeit», ergänzte Guy Parmelin. Jetzt muss diese unbequeme Erkenntnis bei den Leuten ankommen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Adolf Ogi wollte bereits 1989 Strom sparen – das SRF machte sich über ihn lustig
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
51 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Majoras Maske
25.08.2022 06:54registriert Dezember 2016
Ich verstehe nicht, warum der Bundesrat nicht von Anfang an mitgemacht hat. Ohne oder mit der EU werden wir sehr wahrscheinlich sparsamer sein müssen. Und es ist höchst bedauernswert, dass wir bei den Erneuerbaren kaum Fortschritte gemacht haben, obwohl das doch schon seit einigen Jahren das Ziel wäre.
677
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
25.08.2022 06:32registriert Oktober 2020
Wer Solidarität erwartet sollte eben auch solidarisch sein. Wie richtig gesagt ist das keine Einbahnstrasse, egal bei was.
548
Melden
Zum Kommentar
avatar
Grobianismus
25.08.2022 06:34registriert Februar 2022
Heimische Produktion mithilfe erneuerbarer Energie wäre am einfachsten. Naja, immerhin sieht der BR, dass gepart werden müsse.
357
Melden
Zum Kommentar
51
    80-Jähriger wegen Mordes zu 19 Jahren Haft verurteilt

    Das Zürcher Obergericht hat am Dienstag einen 80-jährigen Urgrossvater aus Serbien wegen Mordes schuldig gesprochen. Der Rentner erhielt eine Freiheitsstrafe von 19 Jahren. Dazu kommen 15 Jahre Landesverweis.

    Zur Story