Weiss im Bundesrat die Linke eigentlich, was die Rechte tut? Diese Frage ist nicht politisch, sondern metaphorisch gemeint. Denn noch am Mittwochmorgen sah es nicht so aus, als ob Energieministerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin am späteren Nachmittag vor die Medien treten und ein Gas-Sparziel ankündigen würden.
Am Vormittag fand eine Klausur zum Thema Energie statt. In einer Mitteilung am frühen Nachmittag hiess es, die Regierung werde «an einer der nächsten Sitzungen» auf das Thema zurückkommen. Was zumindest andeutete, dass noch keine Kommunikation geplant war. Doch dann erschien eine Medienmitteilung zu den Plänen für eine Gasmangellage.
Kurz darauf verschwand sie von der Website des Bundes. Dafür trudelte ein Mail ein, in dem besagte Medienkonferenz angekündigt wurde. Man kann diese Zickzack-Kommunikation auf eine gewisse Überforderung in Bundesbern in Zeiten mehrerer Krisen zurückführen. Doch der Verdacht drängt sich auf, dass der Bundesrat sich nochmals Zeit nehmen wollte.
Tatsächlich ist schon in einer Woche der nächste Auftritt geplant. Dann wird der Bundesrat mögliche Massnahmen im Fall einer Mangellage vorstellen, ebenso die seit einiger Zeit angekündigte Sparkampagne, bei der es auch um Strom geht. Warum also nicht mit dem Sparziel noch zuwarten, mag man sich im Bundesratszimmer gefragt haben.
Das Problem ist nur, dass sich die Schweiz unter Zugzwang befindet. Sie ist beim Gas «vollständig von Importen abhängig», räumte Sommaruga ein. Diese erfolgen aus unseren Nachbarländern, und die Europäische Union hat sich schon vor einem Monat auf ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent geeinigt. Die Schweiz konnte sich dem nicht entziehen.
Solidarität ist keine Einbahnstrasse, schon gar nicht bei einem essenziellen Thema wie der Energieversorgung. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Schweiz unter Druck stehe, setzte Guy Parmelin zu einer ausufernden, aber nichtssagenden Antwort an. Überhaupt waren der SVP-Magistrat und seine SP-Kollegin bemüht, diesen Aspekt herunterzuspielen.
Dabei musste Sommaruga zugeben, dass es keine Garantie gibt, dass die Schweiz ihre im benachbarten Ausland «gesicherten» Gasreserven im Ernstfall abrufen kann. Umso zwingender ist es, dass die Schweiz das Sparziel der Europäer übernimmt. Gas mag bei uns eine geringere Bedeutung haben als in anderen Ländern, aber es ist nicht unbedeutend.
Nun ist der erste Schritt getan, und die Bundesverwaltung will beim freiwilligen Gaseinsparen «mit gutem Beispiel» vorangehen. Denn niemand weiss, wie ernst die Lage im Winter sein wird. Vielleicht blufft Wladimir Putin mit dem angedrohten Lieferstopp, denn nicht nur der Westen ist beim Gas von Russland abhängig, sondern auch Russland vom Westen.
Aber die Zeiten, in denen wir uns unbesorgt auf die permanente Verfügbarkeit von Energie verlassen konnten, sind vorbei. «Wir müssen aufhören, Energie zu verschwenden», betonte Simonetta Sommaruga. Dafür brauche es «Selbstdisziplin und Genügsamkeit», ergänzte Guy Parmelin. Jetzt muss diese unbequeme Erkenntnis bei den Leuten ankommen.