Er ist ungehalten, richtig sauer. Der Grund für Philipp Schwanders Ärger ist ein politischer Vorstoss mit dem Ziel, das aktuelle, liberale Importregime für Weine zu ersetzen durch ein protektionistisches System, bei dem die Importkontingente an die heimische Produktion geknüpft werden. Oder anders gesagt: Letztlich sollen nur noch Schweizer Weinbauern Weine aus dem Ausland einführen dürfen. Als kleines Zeichen eines Entgegenkommens soll zudem bei der Versteigerung der Kontingente ein vorerst nicht näher bezifferter «Teil» für jene Händler wie Schwander reserviert werden, die selber keinen Wein produzieren.
Doch das ist mit viel Unsicherheiten verbunden: Weinhändler können kein Geschäft aufbauen, wenn sie Jahr für Jahr zittern müssen und nie wissen, ob sie wirklich genug Kontingente erhalten. Es geht also um viel für die über 4800 Weinhändler in der Schweiz. «Wenn das so kommt, dann kann ich meinen Laden schliessen», sagt Schwander, Gründer und Chef eines Unternehmens mit Standorten in Zürich und St.Gallen und rund 50 Mitarbeitende zählt.
Die parlamentarische Initiative, welche derzeit die gesamte Weinhändlerbranche in helle Aufregung versetzt und nun in der Wirtschaftskommission des Nationalratsrats beraten wird, hat der Walliser Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit eingereicht, selbst Sohn eines Winzers. «Die Schweizer Weinbranche befindet sich in einer Krise», hält er fest, «und das seit über zehn Jahren.» Besserung sei keine in Sicht, weshalb der Bundesrat jetzt eingreifen müsse.
Sein Vorschlag habe den Vorteil, dass er keine Gesetzesänderung brauche und über den Verordnungsweg umsetzbar sei, betont Roduit. Er wolle das Gleichgewicht zwischen heimischen und importierten Wein neu einstellen. Was er damit sagen will: Der Marktanteil des Schweizer Weins sollte so hoch sein, wie es seine Produktion erlaubt. «Wir könnten 42 Prozent des Jahreskonsums abdecken, haben aber nur einen Marktanteil von 37 Prozent.»
Roduit ist mit seinem Vorstoss bei weitem nicht allein: Es liegen derzeit gleich mehrere Vorstösse auf dem Tisch der Wirtschaftskommission. Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy zum Beispiel fordert per Motion die befristete Senkung der 170-Millionen-Liter-Kontingentsgrenze für Wein, die freisinnige Nationalrätin Simone de Montmollin will bei der Einreise in die Schweiz die Freimenge von fünf Liter Wein pro Person drosseln und der Mitte-Nationalrat Marco Romano will mehr Flexibilität für Weinbauern beim Rebbau. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat nun für Dienstag alle wichtigen Akteure zu einer Anhörung geladen.
Der parlamentarische Aktivismus hat auch viel mit der Pandemie zu tun: Die coronabedingte Schliessung der Restaurants und Bars, den wichtigsten Absatzkanälen für die hiesigen Weinproduzenten, hat die Situation weiter zugespitzt - und dem Marktabschotter Aufwind verliehen.
Geht es nach ihnen, soll der Bundesrat die Liberalisierung rückgängig machen, das Rad zurückdrehen. Die potenziellen Folgen: Die Auswahl für die Konsumentinnen und Konsumenten dürfte abnehmen, die Preise würden steigen - und die Qualität könnte leiden. Das jedenfalls befürchten all jene Weinfreunde, die sich an die 1980er-Jahre zurückbesinnen, als Schweizer Wein eher ein Grund war, aufs Alkoholtrinken zu verzichten. Das hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert, mittlerweile räumen Schweizer Weine gar Preise ab, Restaurants punkten mit heimischer Weinkarte. Die Konkurrenz hat das Geschäft belebt.
Die Schweiz hat ihren Weinmarkt vor 2001 geöffnet, auf Druck der Welthandelsorganisation (WTO). Theoretisch gibt es zwar ein Kontingent, das den Weinimport pro Jahr auf 170 Millionen Liter beschränkt. Eine Marke, die seit dem Systemwechsel vor 20 Jahren noch nie erreicht wurde, auch jetzt wieder nicht. 2021 gemäss den noch nicht konsolidierten Zahlen des Zolls 158.3 Millionen Liter eingeführt, was einer Kontingentsauslastung von rund 93 Prozent entspricht.
Der mit Abstand grösste Anteil der Importe stammt aus Italien, hierzulande ebenfalls sehr beliebt sind Weine aus Frankreich und Spanien. Grösste Weinimporteure sind die Grossvereiler Coop und Denner, die führen über 40 Prozent der Ware ein.
Der Weinhändler-Verband hat durchaus Verständnis für die nicht ganz einfache Situation der Schweizer Weinbauern, die hier nicht zu gleich tiefen Preisen produzieren können wie ihre Konkurrenten aus den umliegenden Ländern. Deshalb unterstützt die Vereinigung Schweizer Weinhandel gar explizit die Schaffung eines Fonds zur Unterstützung der Schweizer Weine, über welchen etwa die Promotion der heimischen Produktion finanziert werden könnte.
Auch Weinhändler Schwander zeigt sich offen für eine sinnvolle Unterstützung der Schweizer Weinbauern. Nichts wissen will er von vom Vorschlag von Benjamin Roduit. «Damit wird der Handel ruiniert. Und das kann doch keine echte Lösung sein.» (bzbasel.ch)