Wer tanzt, wird gebüsst: SVP-Nationalrat will unbewilligte Outdoor-Partys verbieten
Wummernde Bässe und tanzende Menschen unter dem Sternenhimmel: Outdoor-Raves erfreuen sich in der ganzen Schweiz grosser Beliebtheit. Fast jedes Wochenende findet irgendwo draussen eine unbewilligte Techno-Party statt.
Diesen Sommer sorgten zwei solche Veranstaltungen in der Romandie für Schlagzeilen: Anfang August zog ein unbewilligter Rave bei Les Verrières NE rund 800 Personen an. Die Polizei erstattete mehrere Anzeigen.
Bei einem Rave in Malleray BE wurden Mitte Juni zwei Polizisten verletzt beim erfolglosen Versuch, die Soundanlage zu konfiszieren. Wegen der heftigen und teilweise gewalttätigen Gegenwehr eines Teils der Partygäste brach die Polizei den Einsatz «aus Gründen der Verhältnismässigkeit» ab.
Junge Leute sollen sich die Teilnahme zweimal überlegen
Der Freiburger SVP-Nationalrat Nicolas Kolly will diesem Treiben ein Ende setzen. Er hat letzte Woche eine Motion zum Thema eingereicht. Das Organisieren unbewilligter Outdoor-Partys soll mit einem neuen Straftatbestand verboten werden, der von Amtes wegen verfolgt werden muss.
Ausserdem sollen die Veranstalter den betroffenen Gemeinden und Kantonen eine «erhebliche Pauschalabgeltung» für allfällige Schäden an Flora und Fauna bezahlen müssen. Der SVP-Nationalrat nimmt auch die Teilnehmenden ins Visier: Wer bei einem unbewilligten Rave mittanzt, soll eine Ordnungsbusse erhalten.
«Es ist inakzeptabel, dass die Veranstalter illegaler Raves die Natur, die Grundbesitzer und die Behörden in Geiselhaft nehmen», sagt Nicolas Kolly. Die Organisatoren seien verantwortlich für grosse Schäden an der Natur und an Landwirtschaftsland, für zurückbleibenden Abfall und massive Lärmbelastung für Wildtiere und Anwohner: «Trotzdem gehen sie allermeistens straffrei aus.» Von den Ordnungsbussen erhofft sich Kolly, dass sich junge Leute zweimal überlegen werden, bevor sie sich an einer unbewilligten Party vergnügen.
Durch zahlreiche Gespräche mit Vertretern von Justiz, Polizei und Behörden sei ihm klar geworden, dass es mit den heutigen Gesetzen praktisch unmöglich sei, die Veranstalter zur Verantwortung zu ziehen. Es sei enorm kompliziert, die je nach Gemeinde und betroffenem Gebiet unterschiedlichen Regeln abzuklären und Verstösse zu ahnden. Für Kolly ist deshalb klar: «Es braucht eine nationale Regelung im Strafgesetz, wie das in Italien der Fall ist.»
«Zusammen zu feiern ist kein Verbrechen»
Der SVP-Nationalrat bezieht sich auf den sogenannten «Reato Rave». Diesen neuen Straftatbestand kündigte die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Woche nach Amtsantritt im Oktober 2022 an. Er sieht Gefängnisstrafen von bis zu sechs Jahren für die Organisatoren unbewilligter Outdoor-Partys mit mehr als 50 Teilnehmenden vor.
«Wir sind schockiert über diese repressive Forderung», heisst es bei «Ondes Libres» zum Vorstoss von SVP-Nationalrat Kolly. Der ehrenamtliche Verein aus der Romandie setzt sich für Outdoor-Raves ein, mit den Hauptzielen Risikominimierung, Betreuung und Vermittlung gegenüber den Behörden. Kollys Motion ziele darauf ab, eine Alternativkultur wie die Outdoor-Raves in die Illegalität zu verdrängen, sagt Vereinsmitglied Kastor, der sich nur unter seinem Szenenamen zu erkennen gibt.
Im immer stärker kommerzialisierten Nachtleben seien Outdoor-Raves gerade für junge Menschen eine wichtige Alternative. Sie seien umso notwendiger, da sich die psychische Gesundheit vieler verschlechtere und soziale Bindungen zerfallen.
Die Veranstalter von Outdoor-Raves seien sehr bemüht, die negativen Aspekte wie Landschaftsschäden, Lärmemissionen oder Abfall zu minimieren. Sie versuchten immer, vorgängig mit den Grundbesitzern Kontakt aufzunehmen. Oftmals finde man im Gespräch zu einer einvernehmlichen Lösung, auch über Entschädigungen für nicht vermeidbare Schäden. Kastor sagt: «Es braucht mehr Dialog statt mehr Repression.»
Melonis Anti-Rave-Paragraf ist ein Papiertiger
In Italien fällt die Bilanz der repressiven Linie drei Jahre nach Inkrafttreten von Melonis Anti-Rave-Paragrafen durchzogen aus. Wie die Zeitung «Domani» kürzlich berichtete, gab es bislang lediglich acht Anklagen und keine einzige Verurteilung aufgrund des neuen Straftatbestands.
Angesichts der hohen juristischen Hürden setzen die Strafverfolgungsbehörden lieber auf bestehende Vergehen wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung. Bereits bei der Einführung kritisierten Juristen die Verschärfung als schludrig formuliert. Ausserdem sei sie unverhältnismässig und verfassungswidrig, da sie beispielsweise gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit verstosse.
