«Es war quasi ‹Glück›, das wir die letzten 30 Jahre unser kulturelles Angebot mit dem Verkauf von Alkohol finanzieren konnten.» Das sagt Alexander Bücheli, Geschäftsführer der Bar & Club Kommission Zürich. Die gestiegenen Kosten und das veränderte Konsum- und Ausgehverhalten gerade von jüngeren Menschen machen den Schweizer Bar- und Clubbetreibenden zunehmend Sorgen.
watson wollte dem Konsum- und Ausgehverhalten der jüngeren, aber auch der älteren Generationen auf den Grund gehen. Gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut Demoscope haben wir zwischen dem 4. und 10. Juni eine Umfrage durchgeführt. Teilgenommen haben 7863 Personen. Die Umfrage ist repräsentativ für die Deutsch- und Westschweiz.
Die Ergebnisse sind deutlich: weniger Alkohol, weniger Bar- und Club-Besuche. Gerade jüngere Menschen im Alter von 16 bis 30 trinken weniger, als es die Generationen vor ihnen taten. Sie achten stärker auf ihre Gesundheit, da passt regelmässiges Rauschtrinken schlecht ins Programm. Im vergangenen Jahr haben über 50 Prozent dieser Alterskategorie höchstens ein- bis dreimal pro Monat Alkohol getrunken.
Die zunehmende Zurückhaltung beim Alkohol stellt auch Martina Ganz fest, Co-Geschäftsführerin der Tuchlaube Café Bar in Aarau. Früher habe sie einen Club betrieben, «da haben sich die Jungen ordentlich abgeschossen». In der Tuchlaube sei der Umgang mit Alkohol gemässigter. «Es ist viel mehr ein Genusstrinken und die Gäste bleiben auch weniger lang.»
Wie erklärt sich Ganz, selbst zweifache Mutter, diese Entwicklung? «Die jungen Menschen von heute sind in meinen Augen selbstständiger und reifer. Sie müssen weniger rebellieren als früher, sich nicht mehr so stark beweisen. Sie sind auch cool, ohne saufen gehen zu müssen.»
Alexander Bücheli von der Bar & Club Kommission Zürich betont: «Unsere Mitgliederbetriebe unterstützen einen bewussten Umgang mit Alkohol und bieten ein attraktives Angebot an alkoholfreien Getränken an.»
Die finanziellen Konsequenzen des veränderten Trinkverhaltens der Jungen seien jedoch nicht wegzureden. Bei tiefen Margen, wie sie in der Gastronomie üblich sind, spiele die konsumierte Menge eine gewichtige Rolle. «Wird Alkohol getrunken, kommt es eher vor, dass die Leute einen über den Durst trinken.» Bei alkoholfreien Getränken, welche diesen euphorisierenden Effekt nicht hätten, geschehe dies nicht. Bücheli betont:
Darunter leide der Umsatz. Dieser sei pro Club-Gast von 2018 bis 2024 um 40 Prozent eingebrochen.
Auch Tuchlaube-Co-Geschäftsführerin Ganz bestätigt: «Die Mocktails finden bei uns keinen reissenden Absatz.» Einer der Gründe: der Preis. Im Einkauf sei etwa ein alkoholfreier Gin fast gleich teuer wie der echte. Sie sagt:
Noch halten sich die finanziellen Auswirkungen in der Tuchlaube in Grenzen. Seit 2015 sei der Umsatz jedes Jahr gestiegen, sagt Ganz. Bis zu diesem Jahr. «Aktuell liegen wir leicht unter dem Vorjahr, allgemein, aber vor allem auch beim Verkauf von Alkohol.»
Angespannt sieht die Lage beim Konzerthaus Schüür in Luzern aus, wo Partys und Konzerte stattfinden. Geschäftsleiter Marco Liembd sagt: «Es ist nicht so, dass unsere Gäste ausschliesslich weniger Alkohol trinken, sie konsumieren im Allgemeinen weniger. Aktuell fehlt uns bis ein Viertel des gewohnten Barumsatzes.»
Als Gründe sieht er das gesteigerte Gesundheitsbewusstsein, ein sich veränderndes Ausgehverhalten seit Corona und die aktuelle Weltlage. «Wir leben in unsicheren Zeiten, das drückt auf die Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten.»
Könnte man den fehlenden Umsatz nicht einfach mit höheren Preisen ausgleichen? Liembd winkt ab:
Die höheren Kosten für Waren und Energie, welche nebst dem fehlenden Umsatz eine Anhebung der Preise rechtfertigen würden, gibt die Schüür aktuell nicht an ihre Gäste weiter.
Auch Bücheli von der Bar & Club Kommission Zürich sagt zu höheren Eintritts- und Getränkepreisen: «Unmöglich. Die Leute finden jetzt schon, dass Bars und Clubs in Zürich zu teuer sind.»
Tatsächlich zeigt die watson-Umfrage, dass über die Hälfte der 16- bis 30-Jährigen Bar- und Clubbesuche als zu teuer empfindet. Zwei Drittel der 16- bis 30-Jährigen gehen daher höchstens einmal pro Monat in eine Bar oder einen Club. Sie feiern lieber zuhause. Über alle Alterskategorien hinweg sind es sogar 83 Prozent, die maximal einmal monatlich in einer Bar oder einem Club anzutreffen sind.
Doch sind die Preise wirklich gestiegen? Bücheli verneint: «Der Eintritt kostete bereits vor 30 Jahren zwischen 20 und 40 Franken, ein Drink bis zur Teilrevision des Alkoholgesetzes 1996 auch knapp 20 Franken.» Bücheli verortet das Problem woanders:
Eine Möglichkeit, diesem Trend entgegenzuwirken, sehen die Gastronominnen und Gastronomen in staatlichen Subventionen. Bücheli schwebt eine gezielte Unterstützung vor. Von spezifischen Programmen, etwa Partys, wo gezielt Nachwuchs-DJs gebucht werden, oder im Bereich der Infrastruktur. Und er möchte, dass gerade jüngere Menschen durch Förderung einen günstigeren Zugang zu kulturellen Veranstaltungen erhalten.
Für Liembd wiederum sind Subventionen eine, wenn auch die letzte Option. Sein Vorschlag:
Der Geschäftsleiter der Schüür betont die riesige Wertschöpfung, welche die Kulturszene generiere. Sie sei vergleichbar mit dem Tourismussektor. «Kulturinstitutionen sorgen für zahlreiche Arbeitsplätze, DJs und Bands essen in Restaurants, schlafen in Hotels etc. Da muss sich die Politik gut überlegen, ob sie das aufgeben will.»
Bücheli fügt an: «Die Herausforderungen waren noch nie so gross.» Was die Zukunft von Bars und Clubs betrifft, zeigt sich der Geschäftsführer der Zürcher Bar & Club Kommission besorgt. Er sagt:
Die Meinung unten ein einzelner Satz:
«Die letzten 30 Jahre lief es gut, doch diese Zeiten sind vorbei.» Das sagt Alexander Bücheli