«Hallo, ich komme aus Sri Lanka. Ich habe gehört, dass Albinen neue Leute aus anderen Ländern willkommen heisst. Können Sie mir helfen, nach Albinen zu migrieren und mich mit meiner Familie in Ihrem schönen Dorf im Wallis niederzulassen?»
Diese Nachricht hat Nicole Köppel vor wenigen Wochen über WhatsApp erhalten. Sie ist Gemeindepräsidentin von Albinen. Das Bergdorf hat 2018 eine Wohnbauförderung eingeführt und unterstützt seither alle, die in Albinen bauen wollen. Mit Beträgen von 25'000 Franken pro Person und 10'000 Franken pro Kind will das Dorf die Abwanderung aufhalten.
Medien aus aller Welt berichteten darüber, liessen dabei aber Informationen aus. Die «New York Post» titelte: «Ein idyllisches Schweizer Dorf zahlt dir 25’000 Dollar, wenn du dort hinziehst.» Das Boulevardblatt aus den USA schrieb, dass man zehn Jahre in Albinen bleiben, 200'000 Franken investieren und unter 45 sein müsse, aber nicht, dass man einen Schweizer Pass oder eine Niederlassungsbewilligung braucht.
Für Köppel ist das Medienmanagement damit misslungen. Sie sagt: «Wir bekommen immer noch an die hundert Anfragen pro Tag. Die meisten kommen aus dem Ausland und erfüllen die Bedingungen nicht. Beantworten müssen wir sie trotzdem. Das ist viel Arbeit.»
Albinen hat 250 Einwohnerinnen und Einwohner und liegt auf 1300 Meter über Meer. Die Wohnbauförderung hat Unruhe in die dörfliche Ruhe gebracht. Das missfällt manchen. Aber abgesehen davon, war die Wohnbauförderung ein Erfolg?
Köppel sitzt am Küchentisch, vor ihr ein Block, auf dem sie mit Bleistift notiert hat: 17 Gesuche bewilligt, 31 Erwachsene und 16 Kinder unterstützt, 710'000 Franken ausgegeben. Das ist die Bilanz nach fünf Jahren.
Eigentlich erfreulich, aber Köppel ist kritisch: «Ich weiss nicht, ob alle Auswärtigen nochmals nach Albinen ziehen würden. Aber vielleicht täusche ich mich auch.»
Sie selbst ist mit 27 aus dem Aargau ins Wallis gezogen. Sie sagt: «Von Unterentfelden war ich in einer halben Stunde in Bern, Luzern, Zürich. Von Albinen fahre ich so lange, nur um mir eine Steckdose zu kaufen. Das sind zwei Welten.»
Die zwei Welten, auf die sie sich bezieht – sie scheint zwischen ihnen zu stehen.
Manchmal nimmt sie die Aussenperspektive der Aargauerin ein, die fast ethnologisch erklärt, warum manche im Dorf sich wegen der Wohnbauförderung benachteiligt fühlen.
Sie bringt ein Beispiel: Früher, als Bahnen und Lifte im touristischen Skigebiet Torrent geplant wurden, habe Albinen nicht genügend Geld gehabt, um deren Bau zu finanzieren, obwohl die Stationen auf ihrem Boden stehen sollten. Leukerbad habe die Kosten übernommen. Seither, spätestens, sei der Ferienort Leukerbad bekannter als Albinen. Das sorge für Unmut.
Den Boden zu beackern, aber nichts von der Ernte zu haben, das scheine sich mit der Wohnbauförderung für manche im Dorf wiederholt zu haben. Der Tenor: Die Auswärtigen würden direkt profitieren, während die Einheimischen ein Leben lang Steuern bezahlten und nun nichts davon hätten.
Manchmal übernimmt Köppel aber auch die Rhetorik jener, die sie soeben analysiert hat: «Albinen hat keine Schule, keine Bank, keine Post, eine letzte Beiz, einen einzigen Laden, einen stündlichen Bus. Das muss man antizipieren, bevor man herkommt und akzeptieren, wenn man hier ist.»
Sie selbst hatte einen Bezug zum Bergleben, wusste, worauf sie sich einliess. Ihr Vater war aus Albinen. Als Kind verbrachte sie die Sommer im Haus der Grosseltern. Es heisst «Bergruh», hat das Baujahr 1723 und steht schief. Heute wohnt sie darin.
Ihr Vorgänger befürwortete die Wohnbauförderung, weibelte dafür. Er öffnete im Dorf die Fenster, freute sich über den frischen Wind, egal, woher er wehte. Mit seinem Rücktritt im August 2022 wurde auch die Werbung weniger und die Skepsis mehr. Die Fenster waren wieder zu.
Noch vor Jahresende wurde die Wohnbauförderung in einer Urversammlung angepasst. Jetzt muss man fünf Jahre im Dorf wohnen, bevor man von der Gemeinde Geld bekommt.
Anders als ihr Vorgänger war Köppel stets skeptisch: «Ich war immer dafür, Einheimische hier zu halten, aber dagegen, dass Auswärtige nur wegen des Geldes herziehen.» Zuletzt seien immer kuriosere Konzepte eingereicht worden – pensionierte Personen, die für ihr Bauprojekt nach jungen Einheimischen suchten, damit sie die Förderung bekämen.
Yvo Mathieu stimmte in der Urversammlung für die Anpassung. Er ist in Albinen aufgewachsen, betreibt die letzte Beiz im Dorf. Im Sunnublick sitzt er am Stammtisch, mit verschränkten Armen und einem Café crème.
Rechts hinter ihm ist eine Autoecke: rote Modellautos in einer Vitrine, Bücher mit den Titeln «Die schönsten Ferraris» oder «Classic Ferraris», Blechschilder mit Ferrari- oder Audi-Logos.
Mathieu fährt ein 86er-Audi Quattro – «Für einen Ferrari hat es nicht gereicht.» Er sagt: «Wenn man ein Auto will, aber das Pulver nicht hat, dann kriegt man kein Auto, fertig. Man muss schaffen und sparen, bis man das Geld hat. So sollte das mit allem anderen auch sein.»
Alles, was ihn umgibt, hat Mathieu selbst erarbeitet und erwirtschaftet: Die Gästezimmer im obersten Stock des Holzhauses, in dem er mit seinen Eltern wohnt, ihre Wohnung auf der mittleren Etage und unten das Restaurant, das seine Familie seit 1966 führt, er 1990 von seinen Eltern übernahm und acht Jahre später durch einen Wintergarten ergänzte. Er sagt: «Jedes Jahr hatten wir eine Baustelle. Vieles haben wir selbst saniert, alles haben wir selbst finanziert.»
Von der Wohnbauförderung hat Mathieu nicht profitiert, die Altersgrenze von 45 Jahren hat er um knapp zehn Jahre überschritten. Aber selbst wenn! Leute mit Geld ins Dorf zu locken, findet er eine schlechte Idee. «Das Herz muss auch dabei sein, nicht nur das Haus.»
Wenn es nach ihm ginge, könnte man die Wohnbauförderung direkt aufgeben – sie berücksichtige nur Berechtigte und benachteilige alle anderen, die im Dorf ihr Leben lang Steuern bezahlt hätten. Er habe ja vorgeschlagen, die Steuern zu senken, «damit alle etwas davon hätten», aber damit sei er beim Gemeinderat nicht gut angekommen.
Und überhaupt! Die meisten Familien, die hergezogen seien, sehe man selten. Das sei schade. Er sagt: «Wenn man von auswärts kommt, muss man doch auch etwas tun, damit man aufgenommen wird.»
Diese Denkweise erinnert an Migrationsdebatten: Es gibt die Mehrheitsgesellschaft und an diese haben sich «die anderen» anzupassen. Wie man eine solche Anpassung in Albinen erreicht? «Indem man Anlässe besucht und Vereinen beitritt, sich integriert, eben.»
Mathieu war zwei Jahre im Gemeinderat und Mitglied vieler Vereine: Jugendverein, Verkehrsverein, Schiessverein, Skiclub. Die Hälfte davon gibt es nicht mehr. Auch sein Vater war vereinstätig. Er sagt: «Wenn alle so wären wie wir, hätten wir keine Probleme. Unsere Familie hat sich stets ins Dorfleben eingebracht.»
In der Schweiz gelten Vereine als integrierendes zivilgesellschaftliches Element. 2019 waren laut dem Bundesamt für Statistik 44 Prozent der Wohnbevölkerung der Schweiz in Vereinen, Gesellschaften, Clubs involviert. Wer in einem Verein ist, gilt hierzulande als zugehörig, zum Dorf, zur Gemeinschaft, zur Nation.
Diesem Prinzip ist sich auch Silvan Schmutz bewusst. Er sagt: «Als Zugezogener wird man hier lange liebevoll ‹Halbiner› genannt, bevor man wirklich ‹Albiner› wird.» Um das zu erreichen, müsse man sich «schon» mit Einheimischen abgeben, Anlässe besuchen und Vereinen beitreten. «Wenn du dich nicht blicken lässt, wissen sie nicht, wer du bist.»
Schmutz ist im Pfynwald aufgewachsen – jenem Wald, der das Ober- vom Unterwallis trennt und an die Bergstrasse nach Albinen angrenzt. Einige Einheimische kennt er aus der Schulzeit oder aus dem Skiklub. Seit er mit der Einheimischen Céline Mathieu zusammen ist, gehört er auch dem Jugendverein an. Sie ist Präsidentin des Vereins.
In dieser Funktion organisiert Mathieu Fasnachtsbälle, Fussballturniere, Fackelabfahrten und freut sich über alle, die dabei sind. Trotzdem: Vereinstätigkeit ist für sie kein Muss. Sie sagt: «Zwingen kann man die Zugezogenen nicht. Es ist trotzdem schön, dass sie hier sind.»
Mathieu wollte nie weg aus Albinen. Hier kennt sie alle und ist der Natur nahe. Aufgewachsen ist sie in einem Einfamilienhaus neben dem Fussballplatz, etwas abseits des Dorfes. Ponys grasen im Garten.
In diesem Haus hat das Paar 2021 einen zweiten Stock eingebaut und sich dort ihre erste gemeinsame Wohnung geschaffen. Dank der Wohnbauförderung haben sie dafür 50'000 Franken bekommen. Mathieu erhielt von ihren Eltern ausserdem einen Erbvorbezug. Dank dieses Kapitals haben die beiden bei der Bank eine Hypothek erhalten.
Dass man jetzt fünf Jahre im Dorf leben muss, bevor man von der Gemeinde Geld bekommt, gehe am Grundgedanken vorbei, findet das Paar. Schmutz sagt: «So kann man es eigentlich gleich lassen. Ohne Geld hätten wir nicht gebaut, zumindest nicht so schnell. Und Auswärtige wären wahrscheinlich gar nicht erst ‹obschi› gekommen.»
In Albinen gibt es kaum Mietwohnungen. Der Jugendverein, der die Initiative damals initiierte, wollte mit der Wohnbauförderung Junge zum Bauen und Bleiben motivieren. Das fehlende Startkapital sollten sie durch Steuern während zehn Jahren sozusagen zurückzahlen.
Mathieu sagt: «Die neue Regelung fühlt sich fremdbestimmt und falsch an – wie ein Test, den man bestehen muss. Aber so hat die Mehrheit halt entschieden. Sie sieht vor lauter Missgunst den Mehrwert nicht mehr. Der Altersdurchschnitt im Dorf ist nämlich von 55 auf 52 gesunken und es gibt so viele Kinder wie lange nicht mehr.»
Mathieu hat eine Meinung, die sie aber an der Urversammlung vergangenen Herbst nicht ausgedrückt hat. Sie war nicht dabei, hatte zu spät davon erfahren – wie viele Befürworterinnen und Befürworter der Wohnbauförderung.
Tatsächlich sollen die Unterlagen zur Urversammlung weniger umfangreich und die Traktanden weniger transparent gewesen sein als sonst. Eine Intrige? Wer weiss.
Klar ist: Albinen ist mit der Anpassung auf die Bremse getreten. Wie weit das neue Tempo das Dorf trägt, wird sich weisen – ebenso, ob die Wohnbauförderung dann auf dem Weg liegen bleibt oder nicht.
Albinen - jässäs - liebe Leute - ganz erherlich. Verschroben und verlogen. Und von wegen Leukerbad sei erst nach dem Bau der Bahnen bekannt geworden. hahaha - Leukerbad, der grösste Thermalbade Ort Europas war schon immer bekannt, früher noch viel mehr. Werdet ein bischen Welt offener, dann kommen die Leute wieder zu uns.