Paris macht Ernst mit der Verkehrswende. Ab März wird die äusserste Spur des «Boulevard Périphérique», der stark frequentierten Stadtautobahn, zu bestimmten Zeiten für bestimmte Fahrzeuge reserviert.
Das nennt man Carpooling. Von Montag bis Freitag zwischen 7:00 und 10:20 Uhr sowie von 16:00 bis 20:00 Uhr dürfen auf den speziell gekennzeichneten Fahrstreifen nur noch Fahrgemeinschaften mit mindestens zwei Personen, Taxis, Busse sowie Menschen mit einem Behindertenausweis fahren. Ziel der Massnahme ist es, Staus zu reduzieren und die Lärm- und Umweltbelastung zu verringern.
Nach dem Nein zum Autobahnausbau im vergangenen Herbst sind alternative Lösungen und ein intelligentes Verkehrsmanagement gefragter denn je. Wenn keine neue Infrastruktur gebaut wird, muss die bestehende eben umso effizienter genutzt werden.
Die rechtlichen Grundlagen dazu wären vorhanden: Seit 2023 gibt es in der eidgenössischen Signalisationsverordnung das Signal «Mitfahrgemeinschaft». Das Symbol zeigt ein Auto mit mehreren Insassen und eine Zahl, die angibt, wie viele Personen sich mindestens im Fahrzeug befinden müssen.
Damit können Mitfahrgemeinschaften auf Busspuren oder in bestimmten Fahr- und Parkverbotszonen bevorzugt werden. Wer sich nicht daran hält, wird gebüsst.
Diese Frage stellt sich auch die Politik. So wollte die ehemalige Grüne-Nationalrätin Natalie Imboden im September 2023 vom Bundesrat wissen, ob das neue Verkehrssignal bereits im Einsatz sei und ob auch Autobahnen damit ausgerüstet würden.
Die Antwort des Bundesrats vom 25. September war zurückhaltend: Man wolle Mitfahrgemeinschaften fördern, um die Verkehrsüberlastung zu verringern. Auf Autobahnen seien jedoch keine Mitfahrspuren geplant. Das Signal werde bislang lediglich an einem Grenzübergang und auf einigen Parkplätzen verwendet. Ob Kantone oder Gemeinden weitere Massnahmen ergreifen, sei dem Bundesrat nicht bekannt.
Ist das Thema damit erledigt? Nicht für die Grüne-Nationalrätin Franziska Ryser. Nach dem abgelehnten Autobahnausbau wagte sie im vergangenen Dezember einen neuen parlamentarischen Vorstoss.
In ihrem Postulat «Mobilitätsstrategie zur Förderung von Carpooling auf Nationalstrassen» fordert Ryser den Bundesrat auf, Anreize für Carpooling zu untersuchen und Lösungsvorschläge aufzuzeigen, wie dessen Potenzial zur Staureduktion und Klimaschonung besser genutzt werden kann. Ihrer Meinung nach liesse sich das Stauproblem durch Carpooling günstig, effizient und vor allem zeitnah entschärfen.
Thomas Sauter-Servaes leitet an der ZHAW den Studiengang Mobility Science. Er bildet angehende Verkehrsplaner und Ingenieurinnen aus und beschäftigt sich intensiv mit der nachhaltigen Entwicklung des Verkehrs.
«Die Idee, die Fahrzeuge besser auszunutzen, erscheint auf den ersten Blick sehr überzeugend», erklärt Sauter-Servaes. Doch in der Praxis sieht er grosse Hürden. «Wie bekommen wir die Leute dazu, das Konzept Fahrgemeinschaft wirklich zu leben?»
Die zunehmend flexibleren Arbeitszeiten machen es laut dem Mobilitätsforscher schwer, Carpooling in den Alltag zu integrieren. «Die Menschen schätzen ihre Individualität und Flexibilität viel zu sehr», sagt er. Viele kombinieren ihren Arbeitsweg mit anderen Aufgaben – sei es, die Kinder zur Schule zu bringen oder nach Feierabend Freunde zu besuchen. Die Vorstellung, diese Flexibilität aufzugeben, stösst auf Widerstand. «Der Anreiz müsste wirklich hoch sein. Soweit ich weiss, hat es bisher nirgendwo wirklich funktioniert.»
Deshalb warnt Sauter-Servaes davor, Carpooling als eine Wunderwaffe für nachhaltige Mobilität zu betrachten. «Es wird nicht DIE EINE LÖSUNG geben, die alle Probleme löst», betont er. Vielmehr sei es notwendig, eine Vielzahl von Massnahmen zu ergreifen.
Eine mögliche Alternative sieht er in kleineren Fahrzeugen. In Japan werden die sogenannten «Kei-Cars» genutzt. Diese kleinen, effizienten Autos könnten helfen, den Individualverkehr zu optimieren und gleichzeitig Platz sowie Ressourcen zu sparen.
Ein anderer Ansatz sind automatisierte Fahrzeuge. «Der Trend geht klar in diese Richtung», so Sauter-Servaes. Er erwartet in Zukunft eine starke Verschmelzung von öffentlichem Verkehr und Individualverkehr. Modelle wie bestellbare Taxis oder On-Demand-Verkehrsangebote, die eine flexible und kostengünstige Mobilität bieten, könnten den privaten Autobesitz überflüssig machen. «Besonders in Städten wird es für Menschen noch unattraktiver werden, ein eigenes Auto zu besitzen».
Das Bundesamt für Strassen (Astra) beschäftigt sich ebenfalls mit Carpooling. Die Abteilung Information und Kommunikation kommt auf Anfrage zu einem ähnlichen Schluss wie der Mobilitätsforscher: «Letztlich muss nebst der Förderung des Bundes natürlich auch eine gewisse Bereitschaft zur Nutzung des Carpoolings in der Gesellschaft vorhanden sein». Eine Untersuchung von August 2023 habe aufgezeigt, dass Carpooling als gute Idee erkannt wird. Die Bereitschaft zur Teilnahme an Fahrgemeinschaften sei aber «sehr tief».
Ob es bereits Carpooling-Strecken auf kantonalen oder kommunalen Strassen gibt, weiss das Astra nicht. Und auch auf Nationalstrassen wäre die Umsetzung schwierig: Auf zweispurigen Autobahnen könnte eine Carpool-Spur den Verkehrsfluss zu stark beeinträchtigen, ein Überholen von Lastwagen und anderen langsameren Fahrzeuge wäre nicht mehr möglich. Auf dreispurigen Abschnitten wäre zwar genug Platz da, aber häufige Ein- und Ausfahrten sowie Verzweigungen könnten die Effektivität des Carpoolings erheblich verringern oder sogar negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss haben, erklärt das Astra.
Franzsika Ryser kennt die Argumente des Mobilitätsforschers und des Astra. Dennoch ist sie vom Potenzial von Fahrgemeinschaften überzeugt. Sie kritisiert, dass die Idee oft mit vorgeschobenen Argumenten allzu leicht vom Tisch gewischt werde: «Die Option kategorisch auszuschliessen, ist zu einfach», sagt sie. Aus Sicht der Nationalrätin gäbe es durchaus Pendlerinnen und Pendler, die diese Form der Mobilität annehmen würden.
Allerdings können Fahrgemeinschaften das Problem nicht allein lösen, gibt sie zu. «Carpooling ist ein Puzzlestein von vielen.» Neben Mitfahrgelegenheiten brauche es auch Massnahmen wie Temporeduktionen sowie einen attraktiven öffentlichen Verkehr und den Ausbau der Infrastruktur für den Langsamverkehr.
Auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können durch Anreize einen Beitrag leisten, das Konzept attraktiver zu machen: «Gemeinsames Pendeln kann für das Personal sogar eine Bereicherung sein. In Deutschland und Frankreich gibt es gute Beispiele, die erfolgreich mit solchen Mobilitätsanreizen arbeiten.»
Ryser fordert, dass man es zumindest versucht: «Die Voraussetzungen für einen Versuchsbetrieb sind da.» Aus ihrer Sicht mangelt es am politischen Willen: «Es gibt genügend Autobahnabschnitte mit drei Spuren. Hier könnte man ohne Weiteres einen Test durchführen – wenn man will. So könnte man wertvolle Erfahrungen sammeln, was funktioniert und was nicht,» erklärt Ryser.
Das Astra arbeitet aktuell tatsächlich an einem Gesamtkonzept für eine Pilotregion, «um effizienzsteigernde Massnahmen netz- und verkehrsträgerübergreifend zu evaluieren». Eine geeignete Region wird noch gesucht.
Sicher nicht in der Schweiz mit Kleinstdistanzen dem 2. besten ÖV des Planeten und 4 Autobahnspuren
In Amerika macht das absolut Sinn. Dort hat die Autobahn irgendwo 6-8 Spuren. Da kann man eine davon für Carpools reservieren. Hier in der Schweiz wirds nicht funktionnieren, weil wir ja grossmehrheitlich 2 Spuren haben.
Wieder sowas weltfremdes, das ärgert mich so, weils schonwieder Leute in die Hände der Rechten treibt.