Der Rauch lüftet sich: Gemeinden könnten schon bald Pilotversuche mit Cannabis durchführen. Entsprechende gesetzliche Grundlagen haben die erste Hürde genommen. Der Bundesrat nahm nach der Vernehmlassung nur kleinere Änderungen vor. Nun ist das Parlament am Zug.
Trotz Verbot konsumieren rund 200'000 Menschen in der schweiz regelmässig Cannabis. Politischer Konsens herrscht darüber, dass die Situation unbefriedigend ist: Der Schwarzmarkt mit Cannabis-Produkten floriert, die Qualität der Produkte ist teilweise schlecht. Gleichzeitig sind die Repressionskosten hoch, und es ist schwierig, die Konsumentinnen und Konsumenten mit Präventionsmassnahmen zu erreichen.
Nein. Der Bundesrat macht in der Botschaft zum x-ten Mal deutlich, dass es sich bei ihrem Vorschlag keinesfalls um den ersten Schritt Richtung Legalisierung von Cannabis handle. Ohne das allgemeine Verbot infrage zu stellen, müssten aber «alternative Regulierungsmodelle» getestet werden können. Es stehe die Frage im Zentrum, welche Regelung die öffentliche Gesundheit am wenigsten belaste.
Mehrere Städte und Kantone wollten deshalb die Auswirkungen des legalen Verkaufs von Cannabis auf den Konsum und die Konsumenten wissenschaftlich untersuchen lassen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lehnte die Gesuche ab mit der Begründung, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Mit der jetzt vom Bundesrat präsentierten Vorlage soll diese geschaffen werden.
Der Bundesrat will in den nächsten zehn Jahren die Wissenschaft auf die Probleme ansetzen. So sollen alternativ Modelle geprüft werden. Es sollen beispielsweise die Vor- und Nachteile eines regulierten Verkaufs in Apotheken ermittelt werden. Der Artikel zu den Pilotversuchen sieht vor, dass die Gemeinden solche Studien durchführen können. Jeder Pilotversuch bräuchte eine Bewilligung des Bundes. Die Regeln dafür sind aber streng.
Um den Jugendschutz zu gewährleisten, sind Minderjährige davon ausgeschlossen. Volljährige Personen, die an einer Studie teilnehmen möchten, müssen nachweislich bereits Cannabis konsumieren. Ausserdem müssen die Teilnehmenden ihren Wohnsitz in einer Gemeinde haben, in der eine Studie durchgeführt wird. Darüber hinaus sind Menschen ausgeschlossen, die an einer ärztlich diagnostizierten Krankheit leiden oder verschreibungspflichtige Psychopharmaka einnehmen.
Nein, die Teilnehmenden können nur eine beschränkte Menge Cannabis pro Monat erwerben. Es ist ihnen zudem untersagt, diesen Cannabis an Dritte weiterzugeben, und sie dürfen ihn nicht an öffentlich zugänglichen Orten konsumieren. Die Dauer der Studien darf höchstens fünf Jahre betragen. Die Teilnehmerzahl ist auf höchstens 5000 Personen limitiert.
Die Gültigkeit des im Betäubungsmittelgesetz aufgenommenen Artikels zu den Pilotversuchen ist auf zehn Jahre beschränkt. Danach will der Bundesrat die Ergebnisse der verschiedenen Studien zusammentragen. Mindestens bis dahin gilt das allgemeine Cannabisverbot weiterhin in der ganzen Schweiz. Seit 1951 ist Cannabis in der Schweiz als verbotenes Betäubungsmittel eingestuft und darf grundsätzlich weder angebaut, hergestellt noch verkauft werden. 1975 wurde auch der Konsum unter Strafe gestellt. Ein allfälliger Entscheid zur Änderung des Regulierungsmodells müsste auf jeden Fall vom Parlament getroffen werden, wie die Regierung weiter schreibt.
Das Parlament ist betreffend Cannabis-Pilotversuche seit längerem gespalten. Die SVP und die CVP lehnten die bundesrätlichen Pläne in der Vernehmlassung ab. Wegen der wenigen Änderungen dürften sie an ihrem Standpunkt festhalten.Der Nationalrat verfolgte in den vergangenen Jahren keine konsequente Linie. Mal sprach er sich knapp für einen entsprechenden Experimentierartikel aus, mal knapp dagegen. Die Debatten dürften also erneut spannend werden.
Kaum: Die Regierung nahm gegenüber der Vernehmlassungsvorlage nur wenige Änderungen vor. So wurde präzisiert, dass nur «wissenschaftliche» Pilotversuche bewilligt werden können – eine formale Anpassung. Zudem soll das für die Studien abgegebene Cannabis von der Tabaksteuer befreit werden. Damit wird unter anderem dem Wunsch des Städteverbands entsprochen, der sich andernfalls an den Kosten für das Cannabis gestört hätte.
(mlu/sda)