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Luzern

Sörenberg in Krise: Wieso im Skigebiet die Skilifte geschlossen bleiben

Theo Schnider ist Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Sörenberg. Hier 2019 am Skilift Ochsenweid.
Theo Schnider ist Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Sörenberg. Hier 2019 am Skilift Ochsenweid.Bild: Boris Bürgisser

Deshalb werden hier Skilifte abgestellt und dynamische Preise abgeschafft

Mehrere schwache Winter haben das Skigebiet Sörenberg in Luzern an den Rand des Ruins gebracht. Nun wird das Angebot angepasst. Anders gehe es nicht. Noch könne der Turnaround geschafft werden.
13.11.2024, 05:0513.11.2024, 08:19
Michael Graber / ch media
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«Es braucht jetzt den Mut», sagt Theo Schnider. Er ist Verwaltungsratspräsident der Sörenbergbahnen. Es ist Sommer. Schnider sitzt im Dorf. Er erzählt sehr plastisch. Zeigt auf den Berg. Diese Bahn da. Diese Piste dort. Es steckt viel Enthusiasmus in Schniders Worten. Und Entschlossenheit. Und, eben: Mut. «Wir müssen die Entscheidungen jetzt treffen», sagt er.

In diesem Winter werden im Skigebiet nicht alle Skilifte öffnen. Drei Bügellifte bleiben geschlossen. Zwei beim Rischli, einer bei der Ochsenweid. «Natürlich», sagt Schnider, «Veränderungen tun weh, aber nicht so weh, wie dort zu bleiben, wo man nicht hingehört.» Beat Feuz hat eines seiner ersten FIS-Skirennen dort gewonnen. Einen Slalom. Und dank des Einstiegs direkt beim Dorf sind diese Lifte bei Anfängern und Familien beliebt. Oder besser: waren. Sie öffnen nicht mehr.

Schnider fügt an, dass der Lift Brunnenboden Rischli im vergangenen Winter keinen einzigen Tag geöffnet hatte. Es hatte schlicht zu wenig Schnee: «Rein aus Sentimentalitätsgründen etwas aufrechtzuerhalten, ergibt keinen Sinn.» Sörenberg ist ein eher tiefgelegenes Skigebiet. Zwar hat es mit dem Brienzer Rothorn den höchsten Punkt auf 2350 Metern über Meer, aber das Gros der Pisten befindet sich unter 1500. Das ist eine kritische Grenze. Dank einer Lage am Nordhang ist das Gebiet aber erstaunlich (kunst)schneesicher. An einem sehr guten Tag kommen immer noch über 6000 Personen ins Skigebiet.

Nicht nach dem Prinzip Hoffnung führen

Trotzdem: Unangenehme Entscheidungen seien unumgänglich, sagt er. Die Klimaerwärmung verunmögliche den Weiterbetrieb der nun geschlossenen Lifte. «Natürlich ist es möglich, dass es mal wieder einen Winter gibt, in dem es da genügend Schnee hat, aber das werden die absoluten Ausnahmen», erklärt Schnider. Auch wenn es jetzt unverhofft im Dezember meterweise Schnee bis in die tiefen Lagen geben würde, bleiben die Lifte geschlossen. «Das ist so entschieden.» Ein solches Unternehmen dürfe man nicht nach dem Prinzip Hoffnung führen.

Er kennt die Widerstände. Und er kennt auch die grundsätzliche Skepsis einiger Menschen gegenüber dem Klimawandel. «Mit der Physik können wir aber nicht verhandeln», stellt Schnider klar. Für ihn geht es um Aufbruch, nicht um Abbruch. «New Horizons» hat der Verwaltungsrat das Projekt getauft. Verstärkter Fokus auf den Sommertourismus. Bündelung der Kräfte. Verzicht auf Skitickets mit dynamischen Preisen. «Wir müssen mit dem arbeiten, das möglich und verantwortbar ist. Nicht mit dem, was wir gerne hätten und das noch um jeden Preis»

An diesem Freitagmorgen schlängelt sich viel Verkehr durchs Dorf. Ziel sind eigentlich immer die Bergbahnen. Entweder die kleinen Gondeli auf die Rossweid oder dann die grosse, moderne Gondel auf das Rothorn. Soeben frisch erneuert. Für über 20 Millionen Franken. Bei der Einweihung war auch Schwingerkönig Joel Wicki dabei, der aus der Region stammt. Die Bahnen sind der Lebensnerv des Dorfes, der Region. Leiden die Bahnen, leidet der Tourismus. Viele der Arbeitsplätze sind eng verknüpft mit dem Betrieb auf dem Berg.

Nicht die Aussicht versperren

Im vergangenen Geschäftsjahr, das im Mai endete, schlägt ein Verlust von 2,4 Millionen Franken durch. Schnider, der lange Kurdirektor in Sörenberg und Direktor der Biosphäre Entlebuch war, warnte schon an der Generalversammlung der Bergbahnen vor zwei Jahren, dass mit weiteren schlechten Wintern die Zukunft der Bergbahnen akut gefährdet sei. Ihm ist eine Mischung aus Realismus und Optimismus wichtig. Er beschönigt nicht, ist aber fest überzeugt, dass «der Turnaround zu schaffen ist». Noch sei es nicht zu spät. Aber es brauche Perspektiven. «Der dauernde Blick nach hinten versperrt einem nur die Aussicht nach vorn.»

Fahrt aufs Rothorn. Die Gondel gleitet ruhig 1100 Höhenmeter in knapp 6 Minuten. Sie ist gut gefüllt. Schnider kennt einige der Gäste. Der Stolz ist ihm anzusehen. Längerfristig soll in Sörenberg der Anteil des Sommertourismus auf 40 Prozent steigen. Derzeit liegt er bei 20 Prozent. Auf dem Rothorn gibt es eine Luzerner und eine Berner Seite. Mit der Dampfzahnradbahn von Brienz werden Heerscharen ausländische Touristen auf den Berg gebracht, via Sörenberg kommen mehr Familien und Wanderer hoch. Das Restaurant der Sörenbergbahnen ist gut ausgelastet. «Das ist ein guter Tag», sagt Schnider.

Die Bahnen haben oben eine kleine Erlebniswelt mitsamt Film eingerichtet. Es dreht sich alles um Nachhaltigkeit. Mit Dominosteinen soll das verdeutlicht werden. Wankt einer, fallen bald weitere. So die Message. Es ist ein eindrückliches und eindringliches Statement für mehr Nachhaltigkeit, für einen bewussteren Umgang mit der Natur. Draussen posiert gerade eine Gruppe Asiaten vor dem letzten übriggebliebenen Schneehaufen.

Die Augen nicht vor der Realität verschliessen

«Wir haben es selbst in der Hand, wie diese Welt aussehen soll», sagt Schnider. Er spricht von weiteren Plänen, hat viele Ideen. Stillstand, das macht er schnell klar, ist keine Option. «Die Berge sind allein schon wunderschön. Aber die Gäste erwarten heute immer mehr.» Im Sommer wie im Winter. Sie seien vom Transportunternehmen zum Erlebnisanbieter geworden.

Die Gondel fährt zurück ins Tal. Blick auf das tiefergelegene Skigebiet. Er habe schon Hoffnung, dass das noch einige Jahre schneesicher sei. Aber wie das in 20 oder gar 50 Jahren aussehe, könne er nicht abschätzen. «Unterhalb 1500 Meter über Meer dürfen wir vernünftigerweise nicht mehr in neue Anlagen des Wintersports investieren», schreibt er im Geschäftsbericht. Das betrifft einen Grossteil aller Skilifte im Gebiet. «Wir dürfen die Augen nicht vor der Realität verschliessen, auch wenn sie uns nicht passt.»

Er glaube, nein, er sei sich sicher, korrigiert er sich sofort, dass «nun die Weichen für die Zukunft gestellt sind». Es würden noch weitere Entscheidungen folgen müssen, aber der Anfang sei gemacht. Jede konstruktive Veränderung beginne mit Akzeptanz. Das heisse auch nicht, dass alle Betroffenen gleicher Meinung sein müssen. «Akzeptanz heisst, die Situation anzunehmen und daraus neue Energie zu mobilisieren», so Schnider. An diese Denkweise müssten sich bestimmt noch viele Einheimische gewöhnen, «aber auch hier bin ich zuversichtlich. Das Verständnis wächst.» Es brauche ein Miteinander.

Schnider hat einen entschlossenen Händedruck. Und Mut. Und Zuversicht.

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28 Kommentare
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Gulasch
13.11.2024 07:46registriert März 2014
Keine dynamischen Preise, ein Hoch auf den Sörenberg, danke !
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Chris B.
13.11.2024 08:27registriert April 2020
"Er kennt auch die grundsätzliche Skepsis einiger Menschen gegenüber dem Klimawandel. «Mit der Physik können wir aber nicht verhandeln»"

Im Gegensatz zu so einigen watson-Usern, welche glauben, man könne den Klimawandel und dessen Konsequenzen einfach wegblitzen.
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Janster
13.11.2024 07:46registriert März 2021
Ich mag Sörenberg als Skigebiet und war früher ab und zu da. Aber beim letzten Mal war es so dermassen überfüllt, dass mir der Spass vergangenen ist. Wie es wird wenn noch 3 Lifte abgestellt werden? Aber die Entscheidung ist richtig. Ich vermute aber dass es das Skigebiet vermutlich in 20 Jahren gar nicht mehr geben wird .
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