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Roger Schawinski outet sich als Gegner des Medienpakets

«So geht es nicht!»: Roger Schawinski outet sich als Gegner des Medienpakets

Roger Schawinski ist zurück am TV – und betritt jetzt auch die politische Bühne: Im Interview nimmt er Stellung gegen das Medienpaket, über das am 13. Februar abgestimmt wird. Er greift nicht nur «Grossverlage» wie Tamedia an, sondern auch das Schweizer Fernsehen.
01.02.2022, 05:48
Patrik Müller / ch media
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Wie werden Sie am 13. Februar stimmen?
Roger Schawinski:
Ich habe es mir lange überlegt und bin zum Schluss gekommen: Ich lehne das Mediengesetz ab.

Sie schlagen sich also auf die Seite der «Freunde der Verfassung» und der Trychler, die mit «Nein zu Staatsmedien»-Shirts durch die Strassen laufen?
Die Leute, die das Referendum ergriffen haben, passen mir überhaupt nicht. Ich habe grösste Mühe mit Ex-«Weltwoche»-Vize Philipp Gut oder mit Anti-Kesb-Aktivist Bruno Hug, die beide von Gerichten wegen ihrer Berichterstattung verurteilt wurden. Aber in der Analyse liegen sie richtig: Dieses Medienpaket ist nicht ausgewogen.

Roger Schawinski, Journalist und Medienunternehmer, anlaesslich einem Sessionsanlass ueber "Medienpolitik, wieviel Staat brauchen unabhaengige Medien?", am Dienstag, 6. Maerz 2018 in Bern. ( ...
Roger Schawinski äussert sich zum Medienpaket.Bild: KEYSTONE

Das Paket ist ein klassischer Kompromiss: Zwischen den grossen und kleinen Verlagen, zwischen Print und Online?
Die Förderung von Online-Medien wäre für mich okay, auch wenn die Kriterien für die Verteilung der Gelder für mich im Detail nicht ersichtlich ist. Das Hauptproblem ist die Erhöhung der Subventionen für die Zustellung der Zeitungen.

Diese indirekte Presseförderung gibt es seit 1849 – und weil die Post ein Monopol hat, soll sie die Zeitungen vergünstigt zustellen. Wo liegt das Problem?
Die Verleger haben dieses Zustell-Monopol der Post ja selber geschaffen! Früher betrieben sie eine eigene Vertriebsorganisation, in Zürich war das die Zuvo. Daran war Tamedia massgeblich beteiligt. Doch sie verkaufte die Zuvo der Post, mit grossem Gewinn. Und nun schreit dieselbe Tamedia nach 20 Millionen.

Das ist lange her, der Zuvo-Verkauf war 2009. Seither sind die Print-Auflagen zurückgegangen, und die Zustellung pro Zeitungsexemplar wird immer teurer.
Ich sage einfach: So geht es nicht! Die Gewinne privatisieren und sich die selbst verursachten Monopol-Kosten von den Steuerzahlern bezahlen zu lassen.

Die Zusammenlegung der Vertriebsorganisationen war eine Spar-Übung. Sie wohnen in Zürich, aber in den Randregionen ist die Zeitungszustellung nicht mehr wirtschaftlich.
Ich bin nicht gegen die Vergünstigung in Randregionen. Aber dass jetzt mit der Giesskanne Grosse und Kleine, in der Stadt und auf dem Land, von zusätzlichen 60 Millionen Franken profitieren sollen ist nicht in Ordnung. Schon gar nicht unter dem Titel Medienvielfalt. Es profitieren ja vor allem die Grossverlage.

Das ist die Erzählung von Gut, Hug & Co. Doch gemäss NZZ, die selbst gegen das Medienpaket ist, entfallen heute nur 20 Prozent der Zustellungsvergünstigungen auf die grossen vier Verlage, bei einem Ja zum Medienpaket wären es «einige Prozentpunkte» mehr.
Diese Berechnungen sind nicht wasserdicht. Und es gibt nicht nur die vier Grossen Tamedia, CH Media, Ringier und NZZ, sondern noch Verlage wie Somedia oder den «Walliser Boten» mit eigenen Radio- und TV-Sendern. Das sind regionale Monopolisten. Und die regionalen Monopole sind die gefährlichsten.

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Roger Schawinski spricht am 26. Januar 1980 auf dem Bürkliplatz in Zürich zu rund 3000 Personen, die gegen die Stilllegung der Sendeanlagen von Radio 24 in Italien demonstrieren.Bild: KEYSTONE

Das ist ein überholtes Kampfvokabular. Diese regionalen Verlage haben nicht nur Konkurrenz durch die SRG-Regionaljournale, sondern längst auch durch die sozialen Medien und neue Online-Portale wie die Portal-24-Gruppe.
Die haben weder grosse Reichweiten, noch Substanz oder Relevanz. Diese Nischenprodukte würden wenig von der Medienförderung profitieren. Nur 30 der 151 Millionen des Medienpaketes fliessen in Online-Medien, und ein Teil davon wiederum zu den Grossen.

Prozentual profitieren kleine Zeitungen und Online-Portale viel mehr, weil die Unterstützung degressiv ist.
Es geht nicht um Prozente, sondern um Millionen. In Graubünden kontrolliert die Somedia von Hanspeter Lebrument mit Ausnahme der «Engadiner Post» alle wichtigen Medien. Zeitungen, Radio und Fernsehen - alles in einer Hand. Und dann wird von Medienvielfalt schwadroniert! Schon jetzt kassiert die Firma gegen 10 Millionen Franken im Jahr vom Staat, und nun sollen es sogar noch mehr werden. Frei nach dem Prinzip: Saluns, Capuns, Subventiuns. Das geht meiner Meinung nach schlicht nicht!

Graubünden ist topografisch anspruchsvoll, Somedia betreibt auch rätoromanische Medien, und trotzdem hat es noch ein eigenständiges Medienhaus, das nicht einem der vier grossen Verlage gehört!
Ich habe immer gegen Monopole gekämpft, auch gegen regionale. Etwa bei der Vergabe der UKW-Konzessionen mit eigenen Gesuchen für den Aargau und Graubünden. Aber das Bakom stellte sich auf die Seite der regionalen Monopolisten und verletzte damit eiskalt die gesetzlichen Grundlagen, gemäss denen bei der Vergabe der Radiokonzessionen mehr Medienvielfalt hergestellt werden müsse. Das passiert eben, wenn der Staat in die Medienlandschaft eingreift.

Das Mediengesetz in 130 Sekunden erklärt – und was watson damit zu tun hat

Video: watson/Helene Obrist, Emily Engkent

Diese vermeintlichen Monopolisten sind oft KMU-Unternehmen. Ohne staatliche Unterstützung werden die kleinen unter den noch existierenden 170 Zeitungen in der Schweiz verschwinden.
Ausgerechnet Sie beklagen das Verschwinden von kleinen Zeitungen! Sie sind Chefredaktor beim Zeitungsverbund CH Media, in dem unzählige einst eigenständige Zeitungen aufgegangen sind. Sie und Tamedia, die dasselbe macht, argumentieren mit Medienvielfalt - und nun sollen die beiden Grossverlage zusätzliche Millionen dafür erhalten, dass sie diese Vielfalt gezielt zum Verschwinden bringen?

Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser sagte in einem Podcast, und für CH Media gilt Ähnliches: Bei einem Nein würden nicht die grossen Zeitungsverbünde leiden, sondern kleinere, noch eigenständige Blätter, die dann vielleicht nur in einem Verbund überleben könnten.
Die Medienkonzentration ist schon sehr weit fortgeschritten. Man könnte auch argumentieren, dass Tamedia mit den Staats-Millionen eine noch vollere Kasse hätte, um weitere Kleinere zu übernehmen.

Der grösste Player ist letztlich die SRG. Diese wäre es doch, die bei einem Nein gestärkt würde. Sie hat über eine Milliarde Gebührengelder auf sicher.
Ich kämpfte als erster gegen das SRG-Monopol bei Radio und Fernsehen und habe dabei wohl mehr erreicht als jeder andere. Ich bedaure, dass man einer privaten nationalen TV-Konkurrenz - anders als den kleinen, meist maroden und harmlosen regionalen TV-Sendern - nie eine Chance gegeben hat, um das nationale SRG-Monopol auf Teufel komm raus zu schützen. Hier ist der Zug leider abgefahren. Dies ist für mich ein weiteres Beispiel, wie schädlich staatliche Eingriffe in die Medienlandschaft sind. Die Linken haben nicht begriffen, worum es eigentlich geht?

Wie meinen Sie das?
Die Linken sind seit jeher reflexartig für mehr Geld für die SRG. Sie glauben, kleinere private Medien würden vom Mediengesetz profitieren. Dafür nehmen sie in Kauf, dass die von ihnen ungeliebten Grossverlage noch mehr Geld bekommen. Das ist grotesk. Hier noch ein drittes Beispiel für schädliche Staatsinterventionen: Der Murks mit der DAB-Technologie. Da fördert der Bund seit langer Zeit die falsche Technologie mit unglaublich viel Geld. Nun will er UKW kurzfristig abschalten, obwohl noch mehr als 50 Prozent aller Autos auf diese Technologie angewiesen sind. Auch hier musste ich aktiv werden, wieder gegen alle grossen Player. Erste Erfolge haben wir erzielt, nun geht der Fight weiter.

Wenn der Staat des Teufels ist, hätten Sie bei Radio 1 die Mediennothilfe des Bundes wegen Corona nicht annehmen dürfen.
Dies ist ein besonders schwaches Argument, Herr Müller. Corona ist eine Ausnahmesituation, bei der alle Branchen von staatlichen Zuwendungen profitiert haben. Regelmässige Subventionen habe ich seit über 40 Jahren keine erhalten.

Aber Corona-Nothilfe schon. Wie viel?
Wie jedes Radio im ersten Corona-Jahr: 483'000 Franken. Es war völlig unsinnig, wie das Geld verteilt wurde. Wir sind bei Radio 1 allein werbefinanziert und hatten in der Coronazeit gravierende Einbussen. Aber auch die hochsubventionierten Radios, die zu 50 Prozent und mehr ihrer Kosten staatlich unterstützt werden, erhielten denselben Nothilfebetrag. Dies war absurd.

Die SVP droht mit einer Billag-Halbierung. Sie könnte eine solche Volksinitiative noch am Abstimmungssonntag lancieren, falls es ein Nein gibt. Wären Sie dafür zu haben?
Ich habe mich noch nicht mit diesem Thema befasst. Was ich weiss: Die SRG hat seit der Abstimmung über die «No Billag»-Initiative, die ich sogar mit einem Buch bekämpft habe, keine gute Falle gemacht. Das deutliche Volks-Nein wäre eine Chance für eine Öffnung der SRG gewesen, aber seither ist ihr Image noch schlechter geworden. Das sind hausgemachte Probleme, reines Selbstverschulden.

Wer ist verantwortlich dafür?
Es sind Management-Fehler von SRG und SRF, die zu diesem Reputationsverlust geführt haben. Zugleich hat man den Journalismus zu wenig gefördert und die meisten Sender-Gesichter entsorgt. Das Management will aus übersteigerter Angst vor der Politik keinen profilierten Journalismus. SRF hat viele seiner besten Leute verloren, und mit jedem Tag werden es leider mehr.

Wie kann der Negativtrend bei SRF umgekehrt werden?
An der Spitze müssten gewisse Leute ausgewechselt werden. Es braucht dort Leute, die das Medium lieben und das TV-Programm ins Zentrum stellen und nicht irgendwelche verblasenen Distributionsstrategien, mit denen man sich modern und sexy geben will.

Wer?
Wir wollten ja über das Mediengesetz reden.

Ihre neue Talk-Show läuft auf «Blue Zoom», einem Sender des Staatsbetriebs Swisscom. Könnten Sie dort Swisscom-Chef Urs Schaeppi löchern?
Ich glaube, wenn jemand bewiesen hat, dass er immer unabhängig und kritisch fragt, dann ich. Auf SRF habe ich das bei Direktorin Nathalie Wappler bewiesen und auch bei SRG-Präsident Jean-Michel Cina.

Premiere: In der ersten Sendung «Schawinski» auf «Blue Zoom» war am Sonntag Ex-SVP-Präsident Toni Brunner zu Gast
Premiere: In der ersten Sendung «Schawinski» auf «Blue Zoom» war am Sonntag Ex-SVP-Präsident Toni Brunner zu Gast.Bild: Blue Zoom

Die Frage ist, ob Schaeppi überhaupt zu Ihnen käme. Von den grossen Bankern hatten Sie früher nur Pierin Vincenz vor der Kamera?
Die Kommunikationsabteilung der grossen Unternehmen schicken ihre Chefs vor allem zu Zeitungs-Interviews, die sie zwanzigmal flachbügeln können, bis sie definitiv aussagelos sind. Live-Interviews im Fernsehen scheuen sie, weil sie ihren Vorgesetzten nur wenig zutrauen, schade! (saw/ch media)

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65 Kommentare
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Fairness
01.02.2022 07:13registriert Dezember 2018
Schawinski hat einmal mehr recht mit seinem Nein, auch wenn einem die Gegner nicht passen.
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Salvatore_M
01.02.2022 06:43registriert Januar 2022
Schawinski schreibt, er hätte grösste Mühe mit Ex-«Weltwoche»-Vize Philipp Gut. Tja, da ist er nicht alleine.
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Mätse
01.02.2022 07:44registriert September 2015
Sehe das Medienpaket gleich wie Schawinski: Der Staat darf und soll guten Journalismus gezielt fördern, aber nicht mit massiven Subventionen um Papierzeitungen zu verteilen. Zeitungen auf Papier sind nicht die Zukunft und sollen nicht durch den Staat künstlich am Leben erhalten werden.
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