In Zürich ist die SP die Machtpartei schlechthin. Vor 30 Jahren hat letztmals ein SP-Mitglied die Wahl in den Stadtrat verpasst. Während die SVP im gleichen Zeitraum stets scheiterte. Entsprechend begehrt sind die Plätze auf dem Ticket. Es ist fast eine Binsenweisheit, dass bei den Sozis die Nomination eine höhere Hürde ist als die eigentliche Wahl.
Letzte Woche war es wieder so weit, und die Ausgangslage war aus mehreren Gründen spannend. So treten bei der Wahl am 8. März 2026 zwei der vier bisherigen SP-Stadträte nicht mehr an: Stadtpräsidentin Corine Mauch und Hochbauvorsteher André Odermatt. Und mit Mandy Abou Shoak mischte eine Muslima sudanesischer Herkunft das Prozedere auf.
Die 36-Jährige bewarb sich nicht nur für den Stadtrat, sondern für das Präsidium und konkurrenzierte damit den bisherigen Sozialvorsteher Raphael Golta. Am Ende einer langen und heissen Versammlung stand Abou Shoak mit leeren Händen da. Die SP nominierte Golta als Stadtpräsident sowie Céline Widmer und Tobias Langenegger für den Stadtrat.
Für die Ausbootung der Flüchtlingstochter gibt es objektive Gründe. Die Zürcher SP ist nicht bekannt für einen Hang zum «Königsmord». Mandy Abou Shoaks «Angriff» auf den verdienten Genossen Raphael Golta wurde nicht goutiert, zumal sie in der Politik bislang keine grossen Spuren hinterlassen hat. Auch das Lobbying ihrer Bubble wurde als aufdringlich empfunden.
Abou Shoak erwies sich als faire Verliererin. Sie scheint erkannt zu haben, dass sie vielleicht zu schnell zu viel wollte. Der Stadtzürcher SP aber wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe eine Chance verpasst. Mit einer Person mit lupenreinem Migrationshintergrund hätte sie im Multikulti-Zürich ein Zeichen für Diversität setzen können.
Ein offener Brief mit dem Titel «Es isch gnueg!», lanciert von 20 Persönlichkeiten (darunter Prominente wie Samir, Melinda Nadj Abonji und Pedro Lenz), geht mit den «linken Parteien der Schweiz» hart ins Gericht: «Wir sind für euch gut genug, um die Wahl-Listen bunter zu machen, aber wenn es um echte Entscheidungsmacht geht, bleibt der Zugang verwehrt.»
Die Konkurrenz nahm diesen «Steilpass» gerne auf, allen voran die FDP, die ihre einstige Vormachtstellung an die SP abtreten musste und im rotgrünen Zürich marginalisiert ist. Sie stellte ihren albanischstämmigen Parteipräsidenten Përparim Avdili für das Stadtpräsidium und Marita Verbali, eine Tochter italienisch-argentinischer Eltern, für den Stadtrat auf.
Die Grünliberalen hatten bereits zuvor Serap Kahriman, eine Gemeinderätin türkischer Abstammung, für den Stadtrat nominiert. Womit FDP und GLP die SP und auch die Grünen bezüglich Diversität ausmanövriert haben. Es ist ein PR-Coup, doch letztlich bleiben ihre Erfolgschancen angesichts der linksgrünen Dominanz in Zürich überschaubar.
Die Vorwürfe an die Sozialdemokratie wirken zudem überzogen. Zumindest in der Deutschschweiz hat sie die beste Bilanz aller Parteien bei der Förderung migrantischer Personen. Beispiele sind die Luzerner Regierungsrätin und gebürtige Kosovarin Ylfete Fanaj, der Basler Regierungsrat Mustafa Atici oder der Zürcher Nationalrat Islam Alijaj.
Das Problem ist, dass man sie immer noch als Einzelfälle bezeichnen kann. Im nationalen Parlament findet man kaum Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Anderswo ist man weiter. In Baden-Württemberg wurde 2023 Ryyan Alshebl zum Bürgermeister eines kleinen Ortes gewählt. Er war erst 2015 als syrischer Flüchtling nach Deutschland gelangt.
Die Vorstellung, dass ein Asylbewerber bei uns nach acht Jahren zum Gemeinde- oder gar Stadtpräsidenten gewählt wird, wirkt abenteuerlich. Möglich wäre es vielleicht in der Romandie, die auch beim Ausländerstimmrecht offener ist als die Deutschschweiz. Dabei haben fast 40 Prozent der in der Schweiz lebenden Menschen einen Migrationshintergrund.
Man kann einige Gründe nennen für ihre geringe politische Partizipation. An erster Stelle stehen die Einbürgerungshürden. Hinzu kommt das Milizsystem. Wer aus dem Ausland – wie auch immer – in die Schweiz kommt, legt den Fokus in erster Linie auf die berufliche Karriere. Für eine politische Tätigkeit bleibt neben der Familie oft kaum Zeit.
Doch das allein erklärt nicht, warum der Anteil der politisch aktiven Personen mit Migrationshintergrund in der Schweiz nur bei 16 Prozent liegt, wie eine im Frühjahr veröffentlichte Studie der Universität Neuenburg und der Stiftung Mercator Schweiz zeigt. Sie sieht in der Unterrepräsentation einen Indikator für strukturelle Diskriminierung.
«Je sichtbarer der Migrationshintergrund – etwa durch Namen, Akzent oder physische Merkmale – ist, desto zahlreicher sind die Hindernisse im Laufe der politischen Karriere», lautete das Fazit der Studie. Oder weniger nett formuliert: Selbst in vermeintlich aufgeklärten Kreisen sind solche Menschen mit Vorurteilen konfrontiert.
Das gilt sogar für das weltoffene Basel, wo sich Mustafa Atici im Wahlkampf mehr oder weniger offen mit dem Vorwurf konfrontiert sah, er spreche kein Baseldytsch, sondern nur ein holpriges Hochdeutsch. Es werde «langsam unangenehm», sagte Atici dem Portal Bajour: «Herkunft, Basel-Deutsch, Döner, Englisch. Was kommt als Nächstes?»
Immerhin schaffte der erfolgreiche Kebab-Unternehmer die Wahl in die Regierung, bei der Gesamterneuerung im letzten Oktober sogar im ersten Durchgang. Damit es nicht bei Einzelfällen bleibt, braucht es für die Autorinnen und Autoren der Studie mit dem Namen repchance.ch eine gezielte Ansprache und Förderung von solchen Personen.
Eine Rekrutierung nur, um eine Partei «zeitgemäss» wirken zu lassen, führt demnach «nicht unbedingt zu einer nachhaltigen Integration in Parteistrukturen». Denn oft würden Menschen mit Migrationshintergrund mit Stereotypen und Diskriminierungen konfrontiert, die ihre Legitimität als politische Akteure infrage stellten, heisst es. Man frage nur Sibel Arslan.
Die Studie liefert keine abschliessenden Antworten. Vielmehr ergeben sich weitere Fragen, etwa warum Politikerinnen und Politiker migrantischer Herkunft «im Vergleich zu den anderen untersuchten europäischen Ländern mehr Anfeindungen» erfahren. Nicht nur in Zürich gibt es somit auf dem Weg zu ihrer politischen «Integration» einiges zu tun.
Da kann die Zürcher Medienlandschaft noch so im Dreieck springen
Würde Sie ein Unternehmen führen wie Badran wär das kein Thema.
Sie ist Sozialarbeiterin und hat nicht mal die volle Legislatur geschaft
Warum man mit diesem sehr sehr dürftigen Lebensausweis eine 450’000 Stadt regieren will, erschliesst sich mir nicht.
Das ist kompletter bluff und selbstüberschätzung
Ich will nicht behaupten, das Problem sei inexistent, aber Frau Mandy Abou Shoak eignet sich eigentlich nicht als Aufhänger dieses Artikels.