Die Schweiz ist ein Binnenland. Sie liegt nicht am Meer, und trotzdem bewegt seit einiger Zeit ein Geschäft die Politik, das die Hochseeschifffahrt betrifft. Es geht um die Tonnage Tax. Die Grundlage für die Besteuerung einer Reederei bildet demnach nicht der Gewinn, sondern die Ladekapazität der Schiffe. Faktisch handelt es sich um eine Pauschalsteuer.
In wirtschaftlich guten Jahren kann ein Schifffahrtsunternehmen damit beträchtlich Steuern sparen, zeigen verschiedene Beispiele. Schon 21 der 27 EU-Länder haben die Tonnage Tax eingeführt. Für NGOs ist sie nichts anderes als ein Steuerschlupfloch. Ihre Einführung in der Schweiz segelte sie deshalb von Anfang an im Gegenwind und hat jetzt Schiffbruch erlitten.
Über eine Tonnage Tax wurde schon in den Nullerjahren nachgedacht. Konkret wurde es 2014, als der damalige Genfer CVP-Nationalrat Guillaume Barazzone mit einer Motion ihre Einführung forderte. Das war kein Zufall: Die Schweiz mag keinen Zugang zum Meer haben, doch gerade Genf ist ein wichtiger Standort für Unternehmen mit maritimen Tätigkeiten.
Das bekannteste Beispiel ist die Mediterranean Shipping Company (MSC). Einer breiten Öffentlichkeit ist sie durch ihre protzigen Kreuzfahrt-Pötte bekannt, doch sie ist auch die Weltnummer eins in der Containerschifffahrt. Weitere Firmen sind in der Schweiz ansässig, doch die MSC soll beim Lobbying für die Tonnage Tax besonders aktiv gewesen sein.
Barazzone zog seine Motion 2016 zurück, und das nicht, weil der Widerstand gegen das Steuerprivileg zu gross war. Das Parlament war während der Beratung zur Unternehmenssteuerreform (USR) III im Gegenteil von sich aus aktiv geworden und hatte dem Bundesrat den Auftrag zur Erarbeitung eines Bundesgesetzes erteilt.
Es kam in der Wintersession 2022 in den Nationalrat und wurde von der bürgerlichen Mehrheit befürwortet. Der Bundesrat hatte die Tonnagesteuer ursprünglich abgelehnt, doch nun bezeichnete sie Finanzminister Ueli Maurer (SVP) als «vertretbar». Abgelehnt wurde die Vorlage von SP, Grünen und Grünliberalen. Die Grünen drohten mit dem Referendum.
Tatsächlich stand die ziemlich «exotische» Vorlage schräg in der politischen Landschaft. Im selben Jahr waren zwei Steuervorlagen nach einem Referendum von links beim Stimmvolk durchgefallen: die Abschaffung der Stempelabgabe und die Reform der Verrechnungssteuer. Zuvor waren bereits die USR III und eine Erhöhung der Kinderabzüge gescheitert.
Steuergeschenke für Unternehmen und Vermögende stossen in der Schweiz auf enormen Widerstand. Ein Schlupfloch für eine marginale und auch ökologisch umstrittene Branche, die hierzulande kaum Arbeitsplätze generiert, hätte es erst recht schwer gehabt. Selbst die gegenüber Steuererleichterungen sonst nicht abgeneigte NZZ äusserte Bedenken.
2023 setzte sich die Erkenntnis durch, dass die fetten Jahre bei den Bundesfinanzen vorbei sein dürften, auch weil die Armee deutlich mehr Geld erhalten soll. Die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) zeigte wenig Begeisterung für die Tonnage Tax, obwohl die Schifffahrtsbranche mit Nachteilen bis hin zur Abwanderung drohte.
Dafür rückten die Bedenken in den Vordergrund. Gemessen an der Steuerlogik sei die Idee der Tonnagesteuer schräg, monierte die NZZ: «Sie verstösst gegen das Prinzip der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.» Zudem steht das geplante Privileg im Widerspruch zur Gleichbehandlung und sei deshalb «verfassungsrechtlich zweifelhaft».
In der Frühjahrssession 2024 riss der Ständerat das Steuer herum. Er lehnte das Gesetz deutlich ab. Selbst frühere Befürworter gingen auf Distanz. FDP-Präsident Thierry Burkart sprach von einer Blackbox und meinte, man solle auf eine «finanzpolitische Geisterfahrt» verzichten. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats war ebenfalls für die Ablehnung.
Am Dienstag wurde die Tonnage Tax vom Nationalrat endgültig auf den virtuellen Meeresgrund versenkt, mit 108:75 Stimmen. Bundesrätin Keller-Sutter hatte zuvor ausgeführt, man könne «die möglichen Mindereinnahmen heute nicht genügend gut abschätzen». Am Ende waren nur noch SVP und Teile der FDP für das Steuerprivileg.
Unglaublich wie die Politik immer wieder versucht, neue Steuerschlupflöcher für ihre Verbindungskollegen einzubauen. Hier ist sie einmal nicht durchgekommen, aber das ist eine grosse Ausnahme.
privileg! -Wundert mich eigentlich nicht! Für das hart arbeitende Fussvolk die Brosamen und für sich selber würde man sogar die eigene "Grossmutter" verkaufen wenn's nur die eigenen Taschen füllt und zum eigenen Vorteil ist?! Nennt man das neu: Bürgerliche Politik?!
Man soll Reisende bekanntlich nicht aufhalten.
Und es ist überfällig, sich nicht ständig mit solch hohlen Phrasen erpressen zu lassen. Es gibt Gründe, warum all diese Firmen in der sicheren Schweiz sitzen.