Seit rund sechs Wochen zieht wieder einmal ein Bär durch den Kanton Graubünden. Auf der Website des Kantons sind insgesamt 16 Nachweise dokumentiert, darunter visuelle Sichtungen, Kot, Spuren und Bilder aus Fotofallen. Die ersten Hinweise auf den Bären wurden bereits Ende April im Val S-charl im Osten des Kantons entdeckt. Ende Mai tappte der Bär dann in Fotofallen im Engadin.
Der Jungbär, der wohl aus dem italienischen Trentino seinen Weg in die Schweiz fand, zog bald weiter und erreichte schliesslich das Albulatal in Mittelbünden. Letzte Woche wurden Kotspuren bei Filisur entdeckt, und am Dienstag erfasste ihn eine Fotofalle in der Nähe von Bergün. Am Freitag tappte er im Sertigtal bei Davos in eine weitere Fotofalle. Wobei bisher nicht vollständig geklärt werden konnte, ob es sich um einen oder um mehrere Bären handelt.
Immer wieder wagten sich in den letzten Jahren Jungbären in die Schweiz, eine permanente Bärenpopulation gibt es hierzulande aber nicht. «Wir gehen davon aus, dass der Bär aus dem Oberengadin ins Albulatal und Surses gewandert ist», erklärt Arno Puorger, Abteilungsleiter für Grossraubtiere im Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden, gegenüber der Südostschweiz.
Jungbären, einmal ausgewachsen, werden von der Mutter fortgejagt. Die Männchen gehen auf Wanderschaft und suchen sich einen eigenen Lebensraum. Wildtierexperte Sven Buchmann von der Stiftung Kora betont gegenüber dem SRF, dass solche Wanderungen keine Seltenheit sind, besonders im Frühling, wenn die Bären Nahrung in den Alpen finden. Wichtig sei, dass sie keinen Zugang zu Nahrung aus Siedlungsabfällen haben.
Ist dies doch der Fall, können einzelne Bären zu einem sogenannten «Problembären» werden. 2008 musste deshalb der Bär «JJ3», der sich als bislang letzter ins Albulatal vorgewagt hatte, abgeschossen werden. Normalerweise sind Bären aber scheue Tiere und ziehen sich zurück, wenn sie den Menschen hören oder riechen.
Die Chance, dass sich der beobachtete Bär in der Schweiz fest ansiedelt, wird von Experten als gering betrachtet. Zwar sind die Bündner Alpen ein geeignetes Habitat, aber den männlichen Jungbären fehlt ein Weibchen, weshalb sie weiterwandern. In der Schweiz hat sich seit über 100 Jahren kein Bär mehr fortgepflanzt. (pre)