Schweiz
OECD-Mindeststeuer

OECD-Mindeststeuer: Warum die SP höhere Steuern ablehnt

Cedric Wermuth, SP-AG, spricht waehrend der Debatte ueber eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen (Umsetzung des OECD/G20-Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft), waehrend de ...
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth setzte sich im letzten Dezember vergeblich für eine Verteilung der Mehreinnahmen von 50:50 ein.Bild: keystone

Der seltsame Kampf der SP gegen eine Steuererhöhung

Die SP hat wiederholt «Steuergeschenke» für Unternehmen mit Erfolg bekämpft. Jetzt will der Bund die Steuern erhöhen – und wieder sagt die Linke Nein. Was ist da los?
12.05.2023, 06:0112.05.2023, 14:11
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In Steuerfragen sind die politischen Fronten in der Regel klar. Die Bürgerlichen setzen sich für Senkungen ein, die von Linksgrün bekämpft werden. Auf Bundesebene hat die Linke unter Führung der SP in den letzten Jahren spektakuläre Erfolge eingefahren. Zuletzt konnte sie selbst eine relativ moderate Reform der Verrechnungssteuer bodigen.

Nun kommt am 18. Juni mit der OECD-Mindeststeuer eine weitere Steuervorlage zur Abstimmung. Doch dieses Mal herrscht verkehrte Welt. Der Bundesrat, die Bürgerlichen und die Wirtschaftsverbände setzen sich für die Reform ein, obwohl der Steuersatz von 15 Prozent für grosse Unternehmen in einer Mehrheit der Kantone zu einer Erhöhung führt.

Die SP hingegen bekämpft die Vorlage als einzige grössere Partei. Dabei setzt sich die Linke seit Jahren gegen den Steuerwettbewerb und für höhere Unternehmenssteuern ein. Die OECD-Reform geht in diese Richtung. Selbst SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sprach am Donnerstag vor den Medien von einem «zivilisatorischen Fortschritt».

Was ist hier los?

Bei genauer Betrachtung muss man differenzieren: Der frühere Finanzminister Ueli Maurer sowie SVP, FDP und Mitte haben der Mindeststeuer nicht aus Überzeugung zugestimmt, sondern mit der Faust im Sack. Denn die Reform enthält einen «fiesen» Passus: Setzt ein Land sie nicht um, können andere Staaten die dort beheimateten Firmen nachbesteuern.

Das will die Schweizer Wirtschaft unbedingt vermeiden, weshalb die Bürgerlichen nolens volens dafür waren. Höhere Steuern bedeuten aber auch Mehreinnahmen, und hier liegt das Problem für die SP. Sie forderte eine Verteilung von 50:50 für Bund und Kantone und hatte im Nationalrat Erfolg, doch der Ständerat setzte 75 Prozent für die Kantone durch.

Nein statt Stimmfreigabe

Eine Steuererhöhung nur wegen des Verteilerschlüssels zu bekämpfen, lässt sich nicht leicht vermitteln. Die Parteileitung der Sozialdemokraten wollte sich diesem Dilemma durch Stimmfreigabe entziehen, doch die Delegiertenversammlung durchkreuzte diese Taktik Ende Februar, indem sie im Verhältnis von 2:1 deutlich die Nein-Parole beschloss.

Valerie Piller Carrard, Nationalraetin SP-FR, spricht beim Parteitag der SP, am Samstag, 25. Februar 2023, in Fribourg. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Nationalrätin Valérie Piller Carrard am Parteitag vom 25. Februar in Freiburg.Bild: keystone

Jetzt muss die SP-Spitze sie vertreten. An sich wäre die Ausgangslage günstig, denn 2022 haben erstmals seit 14 Jahren alle 26 Kantone einen positiven Rechnungsabschluss vorgelegt. Während der Bund ein Defizit von 4,3 Milliarden Franken verzeichnete. Eine Verteilung von 75:25 Prozent wirkt wie die Redensart «Wer hat, dem wird gegeben».

«Bevölkerung geht leer aus»

Der Bund hingegen würde «das Geld dringend brauchen», sagte die Freiburger Nationalrätin Valérie Piller Carrard. Zum Beispiel für die Verbilligung der Krankenkassenprämien. Doch der Bund habe seinen Anteil «für Subventionen für die Grosskonzerne reserviert», klagte Cédric Wermuth. «Die Bevölkerung geht leer aus», lautet der SP-Abstimmungsslogan.

Der SP stösst auch sauer auf, dass einige Kantone ihre Mehreinnahmen dafür verwenden wollen, die Unternehmen anderweitig zu entlasten. Damit würden sie «den Steuerwettbewerb weiter anheizen», sagte der Luzerner SP-Präsident und ehemalige Juso-Chef David Roth. Er verwies darauf, dass Zug und Basel-Stadt mit Abstand am meisten Geld erhielten.

Prominente Abweichler

Beide Kantone setzten in der Vergangenheit stark auf tiefe Unternehmenssteuern. Die SP schiesst sich vor allem auf das Innerschweizer Steuerparadies ein und bezeichnet die Reform als «Lex Zug». Die Basler wurden am Donnerstag nur am Rand erwähnt, was nicht nur daran liegt, dass die rotgrüne Regierung vergleichsweise viel umverteilt.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, rechts, diskutiert mit Daniel Leupi, Finanzdirektor der Stadt Zuerich und Praesident der Konferenz der staedtischen Finanzdirektorinnen und -direktoren (KSFD), am End ...
Der grüne Stadtzürcher Finanzdirektor Daniel Leupi (l.) unterstützt Finanzministerin Karin Keller-Sutter beim Ja.Bild: keystone

In der Region Basel finden sich verschiedene «Abweichler» von der SP-Parole. Im Ja-Komitee beider Basel sind einige Namen aus SP und Grünen vertreten, darunter beide Ständerätinnen. Eva Herzog setzt sich aktiv für die OECD-Reform ein, ebenso der grüne Stadtzürcher Finanzdirektor Daniel Leupi, der an der Medienkonferenz des Bundes auftrat.

Einsatz für den Globalen Süden

Die Grünen haben jene Stimmfreigabe beschlossen, der sich die SP-Delegierten verweigert haben. Um an der Medienkonferenz am Donnerstag nicht ganz allein aufzutreten, wurde zusätzlich Andreas Missbach «aufgeboten», Geschäftsleiter von Alliance Sud, der mehrere Entwicklungsorganisationen angehören. Ihr geht die Reform als Ganzes zu wenig weit.

Die Vision von Alliance Sud ist eine globale «Einheitssteuer», deren Einnahmen nach Wertschöpfung verteilt würden, sagte Missbach im Gespräch mit watson. Davon würde der Globale Süden profitieren. Der Weg dorthin sei weit, räumte er ein. Vorerst hofft er, dass ein Teil der Mehreinnahmen für die internationale Zusammenarbeit reserviert werde.

Rasche Neuauflage?

Die SP glaubt, dass bei einem Nein rasch eine neue Vorlage erarbeitet werden kann, basierend auf dem 50:50-Schlüssel. Bis die OECD-Partnerstaaten die Reform umgesetzt hätten, bleibe «genügend Zeit», meinte Wermuth. In der Bevölkerung allerdings muss sie in den fünf Wochen bis zur Abstimmung einige Überzeugungsarbeit leisten.

In der ersten Tamedia-Umfrage erreichte die OECD-Mindeststeuer den höchsten Ja-Anteil der drei Vorlagen, über die am 18. Juni abgestimmt wird. Ob der Widerstand einer Partei, die jahrelang gegen «Steuerdumping» angerannt ist und nun eine Steuererhöhung ablehnt, eine Trendwende bewirken kann, darf man zumindest bezweifeln.

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144 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ELMatador
12.05.2023 06:21registriert Februar 2020
Die 15% kommen, komme was wolle. Nun gilt es an uns die Mehreinnahmen zu steuern. Es kann nicht sein dass diese dank Umlenkung als Standortförderung wieder denselben besteuerten unternehmen zugute kommt. Denn dies zerstört jegliche Existenz Berechtigung dieser Steuer.

Ich stimme für ein Nein, nicht weil ich gegen die 15% bin sondern weil ich gegen die Umlenkung zurück zu den unternehmen bin.
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bcZcity
12.05.2023 06:39registriert November 2016
Wenn die SVP und FDP sich für eine Erhöhung der Steuern (was die OECD Steuer ja wäre) einsetzt, kann nur etwas faul sein! Wenn ein Blocher Spross sich extra dafür einsetzt, um so mehr.
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Sani-Bär
12.05.2023 07:00registriert April 2021
Interessant ist doch, dass diese Steuern erhoben werden müssen, da sonst das "phöse" Ausland die Steuern abkassiert.
Und die bürgerliche Mehrheit ist selbstverständlich dafür, dass die "Steuern" wieder umgehend an die besteuerten Konzerne zurückfliessen.
Denn es geht hier um Grosskonzerne und nicht um Schweizer KMU.

Gibt es eine Partei in der Schweiz, welche sich auf dieselbe Art für "Geringverdiener" einsetzt?
Nein, denn die kleinen "Fische" können keine Lobbyisten-Gelder in Millionenhöhe zum "Schmieren" einsetzen".
Und "Links" hat keine Mehrheit in der CH-Politik.
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