Lieber Herr Brotz
Sie mussten sich jeweils einiges anhören, auch von uns, weil Sie in «Club» und «Arena» coronamassnahmenkritischen Leuten eine Plattform geboten hatten, die teils äusserst fragwürdiges, gefährliches und unwahres Zeug erzählten.
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Im Nachgang erwidern Sie Kritik an dieser «False Balance», also der Überrepräsentation von Minderheitsmeinungen gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und Exponenten, jeweils sofort: Sie wollten Dialog und Diskurs verschiedener Lager und Meinungen aufrecht erhalten. Und Sie wollten so eine Spaltung der Gesellschaft wegen der Corona-Massnahmen bekämpfen, «Brücken schlagen».
Das Vorhaben ist gut, doch es ist ein Tanz auf der Rasierklinge und kann eigentlich nicht gut gehen.
Zwar ist das journalistische Motiv der Debatten-Organisation hehr. Es ist der Leistungsauftrag von Massenmedien, politische Debatten unter Einbezug aller möglichen Standpunkte zum Zweck der individuellen Meinungsbildung zu ermöglichen.
Eine solche Debattenkultur setzt aber voraus, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den der Faktentreue, einigt. Und darauf, was man weiss und was man nicht weiss. Dass Wissenschaftsfeindlichkeit und adoleszentäre Reaktanz gegen alles und jedes sich auf Youtube, in Telegram oder Online-Petitionen grosser Beliebtheit erfreuen, ist zwar auch ein Fakt. Das rechtfertigt aber nicht automatisch deren Integration in die journalistisch-massenmediale Debatte und damit deren Verglaubwürdigung als seriöse Inputs.
Im Gegenteil. Wir laufen dann Gefahr, mit professionellem Segen darüber zu streiten, was Fakten sind und was nicht. Zum meinungsbildenden Diskurs, der nur auf Basis einer gemeinsamen Faktengrundlage gelingen kann, gelangt man so gar nie. Schlimmer noch: Eine Debatte, die sich darum dreht, was wahr und was falsch ist, polarisiert zwangsläufig.
Damit verfehlte sie dann auch Ihren zweiten Anspruch, der «drohenden Spaltung der Schweiz», entgegen zu wirken.
Auch dieses Ziel ist ein nobles und sogar im Kohäsionsauftrag Ihrer Konzession festgeschrieben, aber mit journalistischen Mitteln auf die Schnelle nicht zu erreichen.
Die Lager in den Auseinandersetzungen um die schweizerische Corona-Politik haben sich in bestechender Konsequenz entlang längst bestehender Bruchlinien gebildet. Der urban-verwaltenden SP-Grünen-Bildungseliten-Schweiz sind der Massnahmen zu wenig, der rural-industriellen SVP-Schweiz ist alles zu viel und die migrantisch-ausgegrenzte Non-Wahlrecht-Schweiz ist nach 30 Jahren Schaf-, Messerstecher- und Schlitzer-Inseraten einer Regierungspartei eher misstrauisch.
Einzelne Vertreterinnen und Vertreter dieser Welten an runden Tischen mit SRF-Siegel alles sagen und es in den Äther zu lassen, wird diese historisch gewachsenen Gräben kaum auf die Schnelle zuzuschütten vermögen.
Dafür, wenn es schiefläuft, die demokratische Debattenkultur, für die Sie sich eigentlich einsetzen wollen.
Liebe Grüsse
Maurice Thiriet
In der Hälfte habe ich abgeschaltet: Ich tue mir das nicht an! Die Arena lasse ich aus.
Wer sich öffentlich fürs Impfen ausspricht, erhält Morddrohungen. So weit sind wir, und die Spitäler sind schon wieder am Anschlag. Das macht mir Angst!