Am 13. Juni 2021 stimmen wir über gleich zwei Initiativen ab, die sich mit der Landwirtschaft und Pestiziden beschäftigen. Unser Trinkwasser und dessen Verunreinigung spielen dabei eine eminente Rolle. Aber der Reihe nach:
Im Januar 2020 sorgte eine Meldung aus Solothurn für Schlagzeilen: Der Kanton meldete, dass das Trinkwasser zu viel Chlorothalonil enthielt.
Das Pflanzenschutzmittel wird von Bauern seit den 1970er-Jahren zum Schutz von Gemüse und Früchten eingesetzt. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat diese Chlorothalonil-Rückstände aufgrund neuer Erkenntnisse als relevant für die Trinkwasserqualität eingestuft. «Wegen der neuen Grenzwerte gelten neuerdings diverse Grundwasservorkommen als verunreinigt», sagt Michael Schärer, Leiter der Sektion Gewässerschutz beim Bundesamt für Umwelt, in einer Mitteilung.
Grundsätzlich hat das Schweizer Trinkwasser aber eine gute Qualität, so das BLV. Und es wird auch regelmässig auf mikrobiologische, chemische und mikro-Verunreinigungen überprüft.
Wie bereits in Punkt eins geschildert, wird das Trinkwasser vielerorts durch Pestizide verunreinigt. Diese Schadstoffe gelangen unter anderen durch die Landwirtschaftsproduktion in Böden und Gewässer.
Genau das will die Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotikaeinsatz» verhindern. Die Initiantinnen verlangen, dass Bäuerinnen und Bauern künftig nur noch Direktzahlungen erhalten, wenn sie ohne Pestizide und Antibiotika produzieren und das Trinkwasser nicht verschmutzen. Zudem will die Initiative, dass Betriebe nur so viele Tiere halten, wie sie mit auf dem Betrieb produzierten Futter ernähren können.
Konkret soll dafür Artikel 104 in der Bundesverfassung ergänzt werden, dass nur noch Subventionen erhält, wer keine Antibiotika prophylaktisch in der Tierhaltung einsetzt. Wird die Initiative angenommen, müsste der Bund den Vollzug der Vorschriften überwachen. Für die Umsetzung hätte die Politik acht Jahre Zeit.
Hinter der Initiative steht der Verein «Sauberes Wasser für alle». Deren Präsidentin, Franziska Herren, vom «Blick »auch schon als «Bauernschreck» bezeichnet, ist die treibende Kraft hinter dem Anliegen. Herren findet, dass das heutige System Fehlanreize schafft. «Wir subventionieren unsere eigene Wasserverschmutzung, mit Steuergeld, mit 3,5 Milliarden im Jahr», sagte Herren gegenüber der NZZ.
Herren und ihr Verein erhalten Unterstützung von verschiedenen parteiunabhängige Wissenschaftlerinnen, Biobauern sowie Umwelt- und Naturorganisationen wie der schweizerische Fischerei-Verband, Greenpeace oder Pro Natura. Im Parlament stimmten SP, Grüne und GLP mehrheitlich für die Initiative.
Laut dem Pro-Lager sei es an der Zeit, dass die seit über zwanzig Jahren geltenden Umweltziele der Landwirtschaft endlich erreicht werden. Die Umlenkung der Subventionen wird es den Landwirtinnen laut Initianten ermöglichen, im Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen wirtschaftlich erfolgreich zu produzieren. Zudem würde die Initiative die Auslandsabhängigkeit der Schweizer Lebensmittelproduktion wesentlich reduzieren und die Entwicklung von antibiotikaresistenten Bakterien stoppen.
Der stärkste Gegenspieler der Initiantinnen ist der Schweizer Bauernverband (SBV). Für den SBV geht die vorgesehene Verfassungsänderung viel zu weit. Würde die Initiative angenommen, gäbe es aus Sicht des Nein-Komitees künftig weniger einheimische Produktion, mehr Importe, höhere Lebensmittelpreise, mehr Food Waste sowie einen Verlust von Arbeitsplätzen und der Wertschöpfung.
Auch der Bundesrat und eine bürgerliche Mehrheit im Parlament lehnen die Initiative ab. Das Grundanliegen der Initiantinnen sei zwar berechtigt, halten die meisten Gegner fest. Doch mit der eben vom Parlament verabschiedeten Vorlage zur Reduktion des Pestizideinsatzes werde das Grundziel der Initianten bereits erreicht. Darin wird etwa vorgeschrieben, dass die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken für Flüsse und Seen, naturnahe Lebensräume und als Trinkwasser genutztes Grundwasser bis 2027 um die Hälfte reduziert werden sollen.
Wie es der Name schon sagt, beschäftigt sich auch die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide (Pestizidinitiative)» mit Pestiziden. Die Initiantinnen und Initianten wollen synthetische Pestizide verbieten. Die Mittel sollen in der Schweiz nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Zudem beinhaltet die Vorlage ein Importverbot für Lebensmittel, die mit Hilfe synthetischer Pestiziden hergestellt wurden. Die Verbote sollen spätestens zehn Jahre nach einer Annahme der Volksinitiative in Kraft treten.
Die Initiative lanciert hat der Verein «Future3». Die Initianten argumentieren, dass mit der Initiative die Gesundheit gefördert werde.
Es sei wissenschaftlich belegt, dass synthetische Pestizide der menschlichen Gesundheit bereits in geringsten Konzentrationen schadeten. Die Initiative stärke zudem die Biodiversität. Umwelt, Tiere und Pflanzen würden unter der Verwendung von Pestiziden leiden.
Mit der Initiative werde auch die Landwirtschaft gestärkt, weil das Importverbot die Schweizer Bauernbetriebe schütze. Und schliesslich sei die Initiative wirtschaftsfreundlich, weil Innovationsprozesse die Forschung förderten und eine Chance für KMU und Start-ups seien.
Die Ja-Parole beschlossen haben die Grünen, die SP und die EVP. Die Grünliberalen haben Stimmfreigabe beschlossen. Unterstützt wird die Pestizidinitiative auch von den Verbänden Bio Suisse und Demeter Schweiz.
Der Bundesrat und das Parlament lehnen die Initiative ab. Der Einsatz von Pestiziden sei seit Jahren rückläufig, argumentieren die Gegner. Die Initiative senke den Selbstversorgungsgrad der Schweiz und sei gefährlich für die Ernährungssicherheit, erklärte der Bundesrat.
Ein Importverbot verletzte auch internationale Verträge – insbesondere mit der EU. Gegen die Initiative stellt sich auch der Schweizer Bauernverband (SBV). Er hat eine Studie in Auftrag gegeben, die zum Ergebnis kam, dass mit einem Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden die Erträge in der Landwirtschaft um 20 bis 40 Prozent schrumpfen würden. Schliesslich würde auch die Exportwirtschaft unter dem Verbot leiden, sagen die Gegner. Da Pestizide auch zur Einhaltung der Hygienemassnahmen verwendet werden, würde sich die Produktion verteuern.
Die Nein-Parole beschlossen haben die SVP, die FDP und Die Mitte. Der Schweizer Bauernverband (SBV) und zahlreiche weitere landwirtschaftliche Verbände und Lebensmittelproduzenten lehnen die Initiative ebenfalls ab.
Mit Material der sda
*In einer ersten Version dieses Artikels hiess es, dass jährlich 20'000 Tonnen Pestizide über den Ladentisch gehen. Das ist falsch. Es sind nur 2000 Tonnen.