Post blitzt mit Mehrwegverpackung bei Zalando und Galaxus ab
Mit dem Black Friday kommt ab Ende Woche eine neue Paketflut auf die Schweiz zu. Eine Million Tonnen Papier und Karton werden hier jedes Jahr verbraucht, und ein erheblicher Teil davon für Einwegverpackungen.
Dass es auch anders ginge, beweisen Mehrwegverpackungs-Konzepte wie der «Kickbag»: 2020 von zwei St. Galler Unternehmerinnen gegründet, wurde das gleichnamige Unternehmen 2022 von der Post aufgekauft. Für die «grösste Logistikerin der Schweiz» ein logischer Schritt.
Die Post verkauft den Kickbag an den Versandhandel und bietet eine günstige Rücksendung an. Im Vergleich zu Einwegkarton wird so schon ab der zweiten Nutzung CO eingespart. «Nach fünf Nutzungen beträgt die Einsparung 70, ab der zehnten Nutzung rund 84 Prozent», sagt Jacqueline Bühlmann, Mediensprecherin der Schweizer Post.
Gegenüber anderen Mehrwegverpackungen bietet der Kickbag einen entscheidenden Vorteil: Man muss für die Rücksendung nicht zum Postschalter. Es genügt, die Verpackung in den nächsten gelben Briefkasten zu werfen. Auch für die Post ist diese Lösung attraktiv, wie Bühlmann betont. «Für die Post entsteht dadurch kein Mehraufwand. Wir können die Kickbags kostengünstig zurücktransportieren.»
Win-Win also, wie man im Wirtschaftsjargon sagt. Wenn man sich die Marktmacht der Post vor Augen hält, klingen die Wachstumszahlen für den Kickbag aber eher enttäuschend. Bis 2025 konnte der Absatz laut Bühlmann lediglich um etwas «über zwei Drittel» gesteigert werden. Konkrete Zahlen nennt Bühlmann auf Nachfrage nicht. Begründung: Man stehe mit dem Produkt im Wettbewerb.
Hohe Verlustquote: Die Kunden sind das Problem
Auffallend ist, dass gerade die grössten Player im Online-Versand abseitsstehen. Weder Galaxus noch Zalando nutzen den Kickbag. Galaxus schreibt dazu, man habe die Verwendung von Kickbags vor vier Jahren diskutiert, sich dann aber aus Kostengründen dagegen entschieden. «Die Anschaffung ist teuer, die Verlustquote hoch und es fallen Gebühren beim Rückversand an», sagt Sprecher Alex Hämmerli. Galaxus verpacke zudem einen grossen Teil der Bestellungen maschinell. Deshalb hätte man den Kickbag nur für einen kleinen Teil der Ware einsetzen können. «Die Klimabilanz haben wir wegen alldem nicht im Detail geprüft.»
Zalando hat Mehrwegverpackungen in einzelnen Märkten in Skandinavien getestet – mit ernüchterndem Resultat. Der Online-Modehändler schreibt dazu: «Mehrwegverpackungen klingen ideal – bis die Kunden sie nicht zurückgeben. Die Tests mit wiederverwendbaren Polybeuteln zeigten eine Herausforderung auf: Obwohl sie für den mehrfachen Gebrauch konzipiert waren, wurden viele Beutel nach nur einmaligem Gebrauch weggeworfen.» Zalando setzt deshalb auf möglichst leichte und passende Einwegverpackungen. Laut dem Unternehmen bestanden im Jahr 2024 davon 89 % aus Recyclingmaterial, und 99 % waren recycelbar.
Das Recycling von Papier und Karton ist allerdings sehr energie- und wasserintensiv, wie Oliver Gassmann, Innovationsforscher und Professor für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen, zu Bedenken gibt. Gassmann glaubt deshalb ans Potenzial von Kickbag und Co.: «Wo Sendungen leicht, Kundinnen und Kunden loyal sind und Rücksendungen einfach funktionieren, ist Mehrweg sehr attraktiv.» Karton werde aber nicht komplett verschwinden und bleibe für schwere, sperrige oder internationale Sendungen relevant. «Ich erwarte eher einen Mix, bei dem Mehrweg-Lösungen wie Kickbag in geeigneten Nischen stark wachsen.»
Abkehr von der Neuwaren-Ästhetik
Die Ökobilanz hängt in allen Fällen vom Verhalten der Konsumenten ab. So sieht Gassman auch Potenzial in der Wiederverwendung von Karton. «Das setzt ein Umdenken voraus: Weg vom Neuwaren-Ästhetik-Ideal, hin zur Akzeptanz von Gebrauchsspuren als Nachhaltigkeitssignal.»
In der Gesamtökobilanz sind Mehrwertverpackungen nur ein kleiner Baustein. Die grossen Hebel liegen laut Gassmann bei weniger Retouren, gebündelten Lieferungen, kurzen Lieferketten, erneuerbaren Energien in Lager und Transport sowie langlebigeren Produkten. Er ist überzeugt: Mit einer «verursachergerechten Bepreisung» könnte man den Wandel in der Branche beschleunigen. «Derzeit wird ein grosser Anteil der versendeten Pakete kostenlos zurückgeschickt. Dies muss sich ändern.»
Mehrwertverpackungen alleine können die Umweltproblematik nicht lösen. Produkte wie der Kickbag seien aber ein sichtbares Symbol für die Kreislaufwirtschaft, sagt Gassmann.
Auch die Post hält am Kickbag fest. Sie zählt unter den Nutzern einige bekannte Namen. Darunter etwa das Berner Einkaufszentrum Loeb, das Modehaus PKZ oder der Baumarktriese Jumbo. «Der Kickbag ist für unsere Kundinnen und Kunden eine greifbare und einleuchtende Nachhaltigkeits-Massnahme», sagt Daniel Hofmann von Jumbo. Entgegen der gängigen Vorstellung gibt es bei Jumbo viele kleine Dinge in allen möglichen Varianten zu kaufen, wie Leim für Spezialanwendungen, Pflanzenschutzmittel für verschiedene Pflanzenarten, Steckleisten mit x Steckdosen, Bastelartikel und so weiter. «Für solche kleinen Dinge, die einem gerade noch fehlen, ist der Kickbag ideal.» (aargauerzeitung.ch)
