Die Coronapandemie ist überstanden. Doch weiterhin geistern Relikte aus dieser Zeit in der Schweizer Politik herum. So auch die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit».
Diese wurde im Dezember 2021 von einem Komitee rund um die Freiheitliche Bewegung Schweiz eingereicht. Grund: Der Bundesrat hatte während der Pandemie teilweise drastische Massnahmen ergriffen, um die Bevölkerung vor Neuinfektionen zu schützen. So etwa auch die Zertifikatspflicht – die von den Initianten als massiver Eingriff in die Privatsphäre und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger erachtet wird.
Nun, rund zweieinhalb Jahre nach Einreichen dieser Initiative – und weit entfernt von Zertifikatspflicht, PCR-Tests, Quarantäne und Maskenobligatorium –, kommt sie vors Volk. Am 9. Juni stimmen die Schweizerinnen und Schweizer darüber ab.
Befürworter der Initiative in der «Arena» waren:
Die Gegner der Initiative waren:
Schon zu Beginn der Sendung war klar: Die Männer in der Runde sprechen gern und viel. Und: Jeder Einzelne war davon überzeugt, dass er die einzig richtige Meinung vertrat. Doch die Diskussion begann ruhig – erst gegen Ende häufte sich der Ausruf: «Jetzt lassen Sie mich doch aussprechen!»
Im Zentrum stand zu Beginn der Sendung folgende Frage:
GLP-Nationalrat Beat Flach sagte dazu: «Die Freiheit des Einzelnen hat ihre Grenzen dort, wo sie die Freiheit der Gesellschaft, der anderen, tangiert.» Die Freiheit des Einzelnen sei nicht grenzenlos. Schlussendlich gehe es darum, dass andere, etwa vulnerable Personen, geschützt werden sollten – beispielsweise durch eine Impfung.
«Die Freiheit hat dort ihre Grenzen, wo die Freiheit des Nächsten wieder genommen wird», sagte Richard Koller, Präsident Freiheitliche Bewegung Schweiz und Initiant, und stimmte Flach gewissermassen zu.
Doch das, was die Menschen in der Coronapandemie erlebt haben, hätte nichts damit zu tun, was Flach erklärt habe, führt Koller aus. Der Mensch habe nicht Rücksicht darauf genommen, andere Menschen nicht zu verletzen, vielmehr habe der Staat mit Massnahmen eingegriffen. Deswegen müsse sich der Mensch vor dem Staat schützen können, denn was passiere, wenn der Staat Fehler begehe? Schliesslich seien in den vergangenen vier Jahren viele Fehler passiert.
SP-Ständerat Daniel Jositsch schaltete sich ein und sagte, dass man bereits gegen solche Fehler vorgehen könne, und ohnehin sei nicht so viel falsch gelaufen – im Gegenteil, die Politik habe vieles richtig gemacht.
Die Umsetzung des neuen Gesetzesartikels würde problematisch werden, erklärte Strafrechtsprofessor Jositsch. Durch Artikel 36 in der Bundesverfassung seien die Einschränkungen der Grundrechte bereits geregelt. Entweder hätte also der neue Artikel aus der Initiative keine Wirkung, weil Artikel 36 greifen würde, oder er hätte Wirkung und würde Artikel 36 aushebeln. Dies hätte dann aber zur Folge, dass die Polizei beispielsweise keine Blutentnahmen mehr machen dürfte, wenn sie vermutet, dass jemand alkoholisiert Auto gefahren ist.
Im letzten Drittel der Sendung wurde die Diskussion im Studio 8 hitziger. Als Journalist und SVP-Mitglied Philipp Gut davon zu sprechen begann, dass während der Pandemie eine Gesundheits-Apartheid zwischen Geimpften und Ungeimpften geherrscht habe, platzte Jositsch der Kragen.
«Das dürfen wir nicht so stehen lassen!», intervenierte der SP-Ständerat. Ein Wortgemenge entstand, Jositsch erhob mahnend den Finger. Brotz verliess gar sein Pult, um die Männer besser im Blickfeld zu haben, und bat sie mehrmals, sich zu beruhigen. Wie ein Kindergartenlehrer, der zwei prügelnde Buben auseinanderhalten muss, sagte er, dass nun einer nach dem anderen seine Meinung äussern sollte und den anderen aussprechen lassen müsse.
Jositsch widerlegte die Behauptung von Gut und erklärte:
Er fügte an: «Entschuldigung, ins Fitnessstudio und ins Restaurant zu gehen, ist jetzt weiss Gott kein Menschenrecht! In der Apartheid waren sämtliche Menschenrechte im schwersten Masse tangiert. Das miteinander zu vergleichen, Herr Gut, das ist zynisch und es ist eine Frechheit!»
Gut unterbrach Jositsch mehrfach, hatte aber keinen Stich gegen die ausführliche Argumentation. Das Gerangel sollte noch einige Zeit so weitergehen. Moderator Sandro Brotz war zu bemitleiden, waren einige der «Arena»-Teilnehmer in ihren beinahe kindlichen Wutausbrüchen doch kaum zu bändigen.
Auch am Schluss der Sendung zeigte sich nochmals: Die «Arena» riss bei den Gästen alte Wunden auf. Mitte-Nationalrätin Maya Bally erklärte, dass sie auf den sozialen Medien beleidigt worden sei, als sie während der Pandemie ihre Meinung geäussert hatte. Ihr Kontrahent Koller sagte: «Ich wurde sogar angespuckt und getreten!»
Brotz fand passende Worte: «Wir haben in dieser Sendung über eine Zeit gesprochen, die wir, glaube ich, alle nicht mehr erleben möchten. Dass Sie, Frau Bally, beleidigt wurden und Sie, Herr Koller, getreten wurden, das gehört sich schlichtweg nicht in einer direkten Demokratie. So sind wir uns am Schluss doch noch halbwegs einig.»
Und er fügte an: «Ohne dass das so klingt wie das Wort zum Sonntag.» Immerhin konnte er dem Publikum so doch noch ein Schmunzeln entlocken.