98 Prozent der 12- bis 19-Jährigen in der Schweiz besitzen ein eigenes Smartphone. Sehr viele von ihnen verbringen täglich mehrere Stunden am Handy. Ein Grossteil der Zeit geht dabei für Social-Media-Apps drauf.
Gleichzeitig möchte Meta-Chef Mark Zuckerberg künftig bei Facebook und Instagram auf Faktenchecks verzichten und das Beurteilen von Inhalten mittels sogenannter «Community Notes» der Userschaft überlassen. Und Elon Musks X mutiert zunehmend zu einer rechtsextremen Propagandaschleuder.
Braucht es deswegen mehr Regulierungen für Social-Media-Plattformen oder schränkt ein möglicher staatlicher Eingriff die Meinungsfreiheit ein? Über diese Fragen diskutierten folgende Exponenten im «Arena»-Studio:
Die Fronten in der Social-Media-«Arena» waren zügig abgesteckt. Für Ethikprofessor Peter G. Kirchschläger ist die Abschaffung des Faktenchecks bei Facebook und Instagram ein «Schwachsinn», das Gebaren auf den «asozialen Netzwerken» bedürfe klarer Regeln. Geht es nach SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser, ist Zuckerbergs Entscheid «selbstverständlich» eine Gefahr für die Demokratie.
Jonas Lüthy von den Jungfreisinnigen plädiert hingegen für Eigenverantwortung. Was auf Social Media geschehe, solle nicht staatlich reglementiert werden. Die Nutzer seien in der Lage, gepostete Inhalte richtig einzuschätzen, es brauche dazu kein «Wahrheitsministerium».
Unterstützung erhielt Lüthy von SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann, welche die Abschaffung von Faktencheckern bei Meta ebenfalls begrüsst. Diese hätten einen «ideologischen Einschlag» gehabt. «Welches Gremium der Welt hat denn schon die Wahrheit gepachtet?», fragte Steinemann rhetorisch.
Es war noch keine Viertelstunde absolviert im Leutschenbach, da bekam Ethikprofessor Kirchschläger erstmals einen dicken Hals. Grund war die Aussage Lüthys, wonach die Community Notes, die Meta-Chef Zuckerberg einführen will, besser seien, als Inhalte «einfach wegzuzensieren». Bei Themen wie Terrorismus und Kinderpornografie sei das okay, im Falle von Graubereichen sollten die Nutzer über Inhalte befinden.
«Ich würde Sie einladen, den Zensurbegriff nicht zu verwenden», konterte Kirchschläger. Lüthy solle doch mal einen Monat in eine Diktatur leben gehen, um zu erfahren, wie es sei, wenn wirklich Zensur herrsche. Bei Faktenchecks gehe es darum, nicht einfach «alles behaupten zu können, mit der enormen manipulativen Wirkung, die Social Media haben».
Eine Demokratie müsse Fake News aushalten können, entgegnete Lüthy. Steinemann ergänzte, dass mit dem Strafrecht bereits eine Instanz vorhanden sei, welche einen rechtlichen Rahmen vorgebe:
Im weiteren Verlauf drehte sich die Sendung etwas im Kreis. Steinemann und Lüthy verteidigten ihre Ansichten vehement, wonach Menschen auf Social Media Gepostetes auch mal aushalten müssten, selbst wenn es sich um Fake News handle. Die freie Meinungsäusserung belebe den demokratischen Diskurs.
Steinemann betonte: «Wenn jemand auf Social Media hässliche Dinge sagt, ist selbst das von der Freiheit auf Meinungsäusserung gedeckt.» Wenn man alles vor den Menschen verstecken wolle, «wissen wir ja gar nicht, mit was für hässlichen Leuten wir es zu tun haben».
Das Internet habe das Meinungsmonopol gewaltig demokratisiert, so Steinemann weiter. «Wir müssen doch auch die Chancen sehen und nicht nur die Gefahren hochspielen.»
SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser erklärte Steinemann daraufhin, wie soziale Medien funktionieren:
Politische Inhalte, die Kontext lieferten, würden viel weniger ausgespielt, so Rosenwasser. «Das ist für mich das Gegenteil von Demokratie, das ist nur kommerzorientiert.» Kirchschläger ergänzte:
Der letzte Akt einer engagierten und meistens sehr sachlichen «Arena» drehte sich um die Frage, ob man Kinder und Jugendliche mit einem Social-Media-Verbot schützen sollte. Australien hat ein entsprechendes Gesetz Ende November verabschiedet.
Ethikprofessor Kirchschläger, der den Gebrauch von Social Media bereits zuvor als mit Alkohol- oder Tabakkonsum vergleichbare Sucht bezeichnete, hält ein Verbot für sinnvoll. Es existierten genügend Studien, die belegten, dass mentale Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit bei Kindern durch den Gebrauch von Social Media Schaden nähmen.
Jungfreisinnigen-Präsident Lüthy sprach von einem «logischen Kurzschluss», zu denken, dass man eine Gruppe nur mit Verboten schützen könne. Lüthys mehrfach artikulierte Forderung: die Medienkompetenz an Schulen zu stärken. Er präzisierte:
Etwas überraschend sah auch Anna Rosenwasser ein Social-Media-Verbot kritisch: «Da verbietet man etwas für diejenigen Menschen, die demokratisch nicht mitentscheiden können.» Die SP-Nationalrätin fordert bei Hass im Netz Anlaufstellen und Prävention.
Ein wenig kurios wurde es, als sich SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann wiederum offen zeigte für ein Verbot. Die Umsetzung solle jedoch nicht durch Gesetze erfolgen, sondern individuell, beispielsweise durch die Schulpflege, Schulen oder Lehrpersonen.
Damit war für den Moment alles gesagt. Ob die Schweiz in Bezug auf Social Media ähnlich rigoros durchgreift wie Australien, scheint fraglich. Dass Snapchat, Instagram und TikTok dereinst Einschränkungen zu spüren bekommen? Durchaus möglich.
Da habe ich 2 Frage an die SVP und FDP:
1. Wie viel Geld soll der Bund in die Bildung "Umgang mit Social Media" investieren?
2. Wie passt diese Aussage zu den Sparplänen in der Bildung der rechts liberalen Politik?
Andere Plattformen funktionieren sehr gut ohne.
Das ist ein grosser Verlust. Sie wissen gar nicht, was sie alles verpassen.