In der gestrigen Arena ging es um ein Thema, mit dem man normalerweise keinen Blumentopf gewinnen kann: Steuern. Auf der einen Seite technisch, kompliziert, ja vielleicht auch etwas öde – auf der anderen Seite ein Streitthema, bei dem die Meinungen von links und rechts seit jeher gemacht sind.
Doch diese Arena bot einiges an Zündstoff, nicht zuletzt auch, weil diese Woche ein internationales Journalisten-Konsortium aufgedeckt hat, dass weltweit Vermögen versteckt und dementsprechend Steuern hinterzogen wurden – auch mithilfe von Schweizer Anwälten und Notaren.
Fast gleichzeitig hat das Parlament entschieden, dass in der Schweiz die Stempelsteuer abgeschafft werden soll. Oder zumindest ein Teil der Stempelsteuer, die sogenannte Emissionsabgabe. Die fällt an, wenn Unternehmen in der Schweiz Aktien ihrer Firma ausgeben. Wem das immer noch zu kompliziert ist: Stempelabgaben kann man sich als eine Art Mehrwertsteuer auf Wertpapiere vorstellen.
Diese Abgabe soll nun also wegfallen. Es werden mit Steuereinbussen von circa 250 Millionen Franken pro Jahr gerechnet, wovon hauptsächlich grosse Unternehmen profitieren, da die Emissionsabgabe erst ab einem Eigenkapital von einer Million Franken erhoben wird.
Attraktivitätssteigerung des Finanzplatzes Schweiz oder Werkzeug, um die Schere zwischen Arm und Reich noch grösser zu machen? Darüber diskutiert haben:
Begonnen hat die Sendung mit dem langweiligeren der beiden Themen. Die Abschaffung der Emissionsabgabe. Doch langweilig wurde es so gar nicht, denn Andrea Gmür kam mit einer Mission: Sie wollte es den Linken zeigen. Aber so richtig. Mit der Angriffslust eines aufgescheuchten Kampfstieres schwang sie ihre rhetorischen Hörner nach allem, was SP und Grüne in den letzten Jahrzehnten finanzpolitisch vorhatten.
Die Abschaffung der Emissionsabgabe fiel dabei etwas in den Hintergrund, denn es ging letzten Endes um die Frage, wie gerecht der Steuerwettbewerb und die Steuerpolitik im Allgemeinen in der Schweiz ist.
Der Torero in dieser «Arena» war dabei Samira Marti, die gleich zu Beginn klarmachte, was sie vom Wegfall der Emissionsabgabe hält: «Die Mitte betreibt eine Salamitaktik, Scheibe für Scheibe will man die Reichsten entlasten». Seit bereits 20 Jahren sei dies das einzige Ziel der helvetischen Steuerpolitik. Ein «Stempelsteuer-Bschiss» sei das, ja gar verantwortungslos, dass man wenigen Grosskonzernen, die in keinerlei Not seien, weitere Steuergeschenke machen wolle.
Gmür liess sich die Vorwürfe nicht gefallen und blies zum Gegenangriff: «Es ist die immergleiche, ewiggestrige Polemik gegen einen Steuerabbau». Es gäbe in allen Bereichen im Leben Wettbewerb, sei es im Sport oder in der Kultur, oder eben halt bei den Steuern. Wenn die Schweiz ihre Asse im Ärmel spiele, so könne sie nur profitieren.
Ein erster Angriffsversuch auf das rote Tuch von Torero Marti, doch diese drehte sich galant und wedelte weiter damit. Man könne gerne über Steueroptimierung reden, wenn es dabei nicht nur um die Entlastung der Reichsten gehe, sagte Marti. Gmür warf ihr daraufhin nochmals Polemik vor, die SP wäre «doppelbodig und moralinsauer», weil man einerseits eine Entlastung des Mittelstandes fordere, andererseits aber Vorschläge wie die Erhöhung des Familientarifs von 250 auf 300 Franken ablehne.
Sie setzte noch einen obendrauf und warf der SP vor, dass ihre Initiativen, wie das bedingungslose Grundeinkommen oder die 99-Prozent-Initiative, würden keine Probleme lösen, sondern lediglich für Rechtsunsicherheit sorgen. Ausserdem seien für die Linken alle reichen Menschen automatisch böse.
Ob so viel Action über ein doch eher trockenes Thema zeigte sich selbst Sandro Brotz überrascht, der ein Machtwort sprechen musste und zum nächsten Block wechselte: den Enthüllungen zu den Pandora-Papers.
In diesen Pandora-Papers kam zum Vorschein, dass 90 Schweizer Anwalts- und Notariatsbüros geholfen haben, komplizierte Netzwerke aus Offshore-Konten und Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen aufzubauen. Dies hätte zu Geldwäscherei und Steuerhinterziehung geführt.
FDP-Nationalrat Olivier Feller nahms gelassen. «In der Ruhe liegt die Kraft», zitierte er etwas unpassend Konfuzius und sagte, man solle doch erst mal abwarten und sehen, ob diese Anwälte tatsächlich etwas Illegales gemacht hätten. Er fände zwar, dass zwischen den Steuerzahlern Gleichberechtigung herrschen sollte, aber Offshore-Konten seien grundsätzlich nichts Illegales. «Wenn es legal ist, ist es legal.»
Diese Anwälte tatsächlich zu belangen, erweist sich jedoch als schwierig, da Anwälte nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind und man aufgrund des Anwaltsgeheimnisses gar nicht genau weiss, um welche Kanzleien es sich überhaupt handelt. Anwälte diesem Gesetz zu unterstellen, lehnte das Parlament vor einem halben Jahr ab. Auch Feller hat Nein gestimmt.
Ein No-Go für Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser. «Wie viel Ruhe brauchen wir denn noch?», fragte sie Konfuzius-Kenner Feller. Es habe schon so viele Leaks gegeben die letzten Jahre, man diskutiere bereits seit langem, wie man verhindern könne, dass Schweizer Akteure zu Handlangern der internationalen Steuerhinterziehung und Geldwäsche werden. Aber man habe dem Druck der Anwalts-Lobby nachgegeben. «Wir haben als Land eine Verantwortung [...], illegale Aktivitäten zu kontrollieren und auch zu sanktionieren.»
Andrea Gmür war derweil weiterhin im Angriffsmodus, nur schien ihre Offensivstrategie bei diesem Thema etwas deplatziert. «Wenn die Pandora-Papers etwa gleich wahr sind wie der in den Medien angekündigte Rücktritt von Ueli Maurer, dann habe ich schon meine Bedenken.» Es gelte die Unschuldsvermutung. Man müsse das Gesetz erst anpassen, wenn restlos bewiesen sei, dass die Schweiz tatsächlich ein Paradies für Geldwäsche sei.
Restlos beweisen konnte dies auch Daniel Thelesklaf nicht. Er ist ehemaliger Leiter der Meldestelle für Geldwäscherei und wurde aus New York zugeschaltet. Doch Thelesklaf machte seinen Standpunkt ziemlich überzeugend klar: «Es ist natürlich nicht alles illegal, auch nicht jedes Bankkonto ist illegal, und doch haben die Banken gelernt, dass man mit Konten Geld waschen kann». Das Problem sei viel grösser als diese 90 Anwaltskanzleien. Und dass Leasinggesellschaft zum Beispiel dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind, Anwaltskanzleien aber nicht, sei unverständlich. Die Schweiz müsse endlich erkennen, dass Geldwäsche hierzulande ein ernstes Problem sei:
Ein richtiger Gewinner dieser «Arena» konnte nicht ausgemacht werden. Vielleicht war es die «Arena» selbst. Die Wortgefechte waren explosiv und spannend, die Gäste waren genau richtig ausgewählt und gut vorbereitet. Auch Sandro Brotz gefiel, er liess Gmür und Marti streiten, schritt aber wieder rechtzeitig ein und lenkte die Diskussion in neue Bahnen. Also alles richtig gemacht. Oder um es mit einem etwas unpassenden Zitat von Shakespeare zu sagen: Ende gut, alles gut.
Worin? Umweltzerstörung? Im verlogenen Nachhaltigkeitsmarketing? Im zertifizierten Egoismus?