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SBB Sparbillette: 1. Klasse billiger als 2. Klasse - wie kann das sein?

SBB versteckt Sparbillette im Onlinefahrplan – das steckt dahinter

ÖV-Reisende aufgepasst: Teils sind bei SBB-Verbindungen Sparbillette erhältlich, obschon diese im Onlinefahrplan nicht angezeigt werden. Der SBB ist das Problem bekannt – eine Lösung jedoch nicht absehbar. Der Konsumentenschutz ist erzürnt über die «Verschleierungstaktik».
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12.01.2022, 06:2712.01.2022, 15:22
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Zugreisen kosten in der Schweiz viel Geld. Deshalb hat die SBB vor einigen Jahren die Sparbillette eingeführt. Damit können Passagiere auf bestimmten Zügen bis zu 70 Prozent billiger fahren, dies sowohl in der 2. wie 1. Klasse. ÖV-Schnäppchenjäger erkennen Verbindungen mit verfügbaren Sparbilletten am %-Zeichen.

1.Klasse-Tickets billiger als 2. Klasse

Nun zeigt sich jedoch: Die SBB verstecken Sparbillette im Onlinefahrplan – und zeigen nicht immer den günstigsten Tarif an. Denn bei der Verbindungsabfrage in der App erscheint das Sparbillett-Symbol nur, wenn verbilligte Fahrscheine in der 2. Klasse verfügbar sind. Nicht aber, wenn nur noch Sparbillette der 1. Klasse vorhanden sind.

Der Knackpunkt: Sparbillette in der 1. Klasse sind teils billiger als die normalen Fahrscheine der 2. Klasse. Die SBB zeigt also die günstigsten Tickets nicht auf den ersten Blick an.

Ein Beispiel (siehe Bild unten): Auf der Strecke Bern-Zürich (14.02 Uhr) fehlt das Sparzeichen-Symbol auf der entsprechenden Verbindung im Onlinefahrplan, obschon Sparbillette in der 1. Klasse für 22.60 Franken erhältlich sind. Der Normalpreis in der 2. Klasse beträgt 25.50 Franken – 2.90 Franken mehr als das günstigste verfügbare Ticket in der First Class.

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Bild: printscreen sbb-app
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Bild: printscreen sbb-app

Im Online-Forum der SBB, der SBB-Community, sorgt dies für Unmut. «Bei einer Anzeige «ab CHF» darf man erwarten, dass der tiefste Preis angezeigt wird (egal in welcher Klasse)», schreibt ein User und postet kürzlich Screenshots eines weiteren Beispiels:

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Auf der Strecke Aarau-Luzern erscheint das Sparbillett-Symbol ebenfalls nicht, obschon 1. Klasse-Sparbillette für 11.60 Franken verfügbar sind. Der angezeigte Normalpreis in der 2. Klasse beträgt 13 Franken, 1.40 mehr als die günstigste verfügbare Verbindung. Ob Basel-Zürich, St.Gallen - Zürich: Wer im Online-Fahrplan nachschaut, findet zahlreiche weitere Beispiele.

«Diese Verschleierungstaktik der SBB ist unbegreiflich.»
Sara Stalder, Konsumentenschützerin

Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) ist sauer über das Ticket-Wirrwarr der SBB. «Diese Verschleierungstaktik ist unbegreiflich.» Wer im europäischen Raum Zug fahre, stelle fest, dass andere Anbieter solche Aktionen klar und transparent als Buchungsoption ausweisen, auch wenn ein 1.-Klasse-Fahrschein günstiger ist als ein 2.-Klasse-Fahrschein. «Aus welchem Grund die SBB diese Intransparenz pflegt, ist mir schleierhaft», so Stalder weiter.

Auf Anfrage von watson erklärt die SBB, dass «aus technischen Gründen» immer der günstigste 2.Klasse-Halbtaxpreis im Fahrplan angezeigt werde.

«Die SBB kennt diese Thematik und prüft Lösungen. Aktuell können wir noch nicht sagen, wann eine Anpassung erfolgt.»
SBB

Also auch wenn der 1.Klass-Sparbillett-Tarif günstiger ist. «Die SBB kennt diese Thematik und prüft Lösungen. Aktuell können wir noch nicht sagen, wann eine Anpassung erfolgt», so SBB-Sprecherin Jeannine Egi.

Sprich: Die SBB weiss noch nicht, ob und wann sich der Software-Bug in der Datenbank beheben lässt. Das weckt Erinnerungen.

watson berichtete bereits im Januar 2017 über versteckte Sparbillette. Damals wurden die Sparbillett-Prozentzeichen im Fahrplan vorübergehend einfach abgeschaltet. Die ÖV-Reisenden mussten über Umwege in der App oder online buchen. Die Preise, Preissysteme und Verkaufsmodalitäten von ÖV-Fahrkarten führten zu vielen Meldungen, hiess es damals beim Preisüberwacher auf Anfrage. «Sparbillette sind immer wieder Gegenstand von solchen Beanstandungen.»

Das sagt der Preisüberwacher

Zum aktuellen Fall sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans: «Die Komplexität des heutigen Flicketeppichs aus Verbünden und Direktem Verkehr in einem IT-System abzubilden, ist enorm. Die Ressourcen, die aufgewendet werden, um passend zu machen, was nicht passend ist, würde man aus meiner Sicht besser in die Lösung solcher Kunden-Probleme oder die Verbesserung der Auslandbillett-Verkaufs stecken», schreibt er in einer Stellungnahme an watson.

8,8 Millionen Sparbillette verkauft
Vor der Pandemie stieg die Zahl der verkauften Sparbillette deutlich an. 2019 wurden 8,8 Millionen Sparbillette verkauft. Mehr als jedes vierte verkaufte Ticket war ein Sparbillett. Die Sparbillete wurden 2009 eingeführt. Einerseits sollen damit Passagiere auf schwächer ausgelastete Züge gelenkt werden. Anderseits sollen Kundinnen und Kunden gemäss Vorgabe des Preisüberwachers Geld zurück erhalten: Denn Fern­ver­kehrs­kun­den be­zah­len sys­tem­be­dingt zu ho­he Prei­se.
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104 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Filzstift
12.01.2022 07:37registriert August 2016
Die Stiftung für Konsumentenschutz unterstellt Verschleierungstaktiken. Über die ich als Softwareentwickler nur den Kopf schütteln kann. Solche Szenarien passieren schnell unbeabsichtigt wenn man nicht alle Eventualitäten in der Software berücksichtigt (vulgo: Softwarebug). Und hätte als erstes das vermutet, nicht Verschleierungstaktiken, denn einem Softwareentwickler (und deren Vorgesetzten) würde kaum folgendes in den Sinn kommen: Au fein, verschleiern wir 1.-Klasse-Billete!
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Butzdi
12.01.2022 09:26registriert April 2016
Ach bitte, das ist ein IT Problem und keine Marketingtaktik.
Der Requirements Engineer oder Business Analyst hat den Business Case "1. Klasse Billet ist billiger als 2. Klasse Billet" vergessen. Im System ist es aber offensichtlich möglich, ein 1. Klasse Billet billiger zu machen als ein 2. Klasse Billet. Das Team das die Testcases schrieb hat den Fall auch übersehen und so ging das Live.
Entsprechend wird diese Variante es bei der Tarifabfrage nicht gecheckt und als Konsequenz nicht angezeigt.
Flicken und gut ist.
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bebby
12.01.2022 07:56registriert Februar 2014
Das nennt sich höchstens ein variables Pricing. Anstatt dass die Fixpreise gesenkt werden, werden nur die Preise für ein preissensitives Publikum gesenkt. Am Ende haben wir eine Situation wie in Deutschland: für jede Verbindung ein intransparentes Bündel an möglichen Preisen und Verbindungen.
Wäre es nicht gescheiter ganz generell die Preise ausserhalb der Stosszeiten zu senken und während der Stosszeiten anzuheben?
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