Die Jahresergebnisse der Bundesbahnen in den Jahren vor Covid-19 konnten sich – auch wegen kräftiger Unterstützung durch Subventionen aus der Bundeskasse – sehen lassen: Zwischen 238 und 568 Millionen Franken Gewinn fuhren die SBB seit 2013 jeweils pro Jahr heraus.
Lockdown, Homeoffice-Pflicht und Angst vor Ansteckung sorgten bei den SBB im Jahr 2020 dann für tiefrote Zahlen: 617 Millionen Verlust markierten das schlechteste Ergebnis seit der Ausgliederung in eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft vor mehr als zwanzig Jahren. Und das trotz Coronahilfe in Millionenhöhe und Milliarden an regulären Bundessubventionen.
Der Bundesrat reagierte und griff den SBB auch im Folgejahr erneut finanziell unter die Arme. Bis Ende 2022 rechnet er damit, dass den SBB eine Milliarde Franken in der Kasse fehlen werden. Er erhöhte deshalb seine Darlehen. Aktuell führen die SBB einen Schuldenberg von über neun Milliarden Franken.
Ewig will der Bund aber nicht in die Bresche springen, zumal auch für 2021 die SBB ein ähnlich desaströses Jahresergebnis verkünden werden. Der Bund macht der SBB-Führung deshalb klare Ansagen: Bis 2030 müssen die SBB die Kosten um 500 Millionen Franken drücken.
Zur Verbesserung der Finanzlage beitragen sollen angepasste Trassenpreise sowie Massnahmen bei Investitionen im «strategischen Ausbauprojekt 2035», das etwa den Viertelstundentakt auf den Paradestrecken Genève Aéroport–Lausanne, Fribourg–Bern, Bern–Zürich und Zürich–Winterthur vorsieht.
Der Bund und die SBB wollten den Zeitplan dieser Ausbauschritte schon vor der Pandemie überdenken. Bei den jetzigen Gesprächen, gewisse Projekte hinten anzustellen, dürfte ein finanzieller Nebeneffekt ins Spiel kommen: Verzögerungen würden den SBB bei Investitionen etwas Luft verschaffen.
Zwar hat die knapp 13 Milliarden Franken für den Ausbau und die Verdichtung des Bahnnetzes bis 2035 das Parlament ohnehin schon bewilligt. Der Flaschenhals dürften aber nun die finanziellen und personellen Ressourcen bei den SBB sein, die nun unter massivem Spardruck stehen. Und einige Kantone, die selbst wegen Covid-19 unter einer klammen Kasse leiden, werden sich nochmals überlegen, ob es den Viertelstundentakt oder den regionalen Ausbau tatsächlich braucht.
Laut Recherchen von CH Media steht ein konkretes Projekt bereits vor dem Aufschub: der 2.4 Milliarden Franken teure Brüttener Tunnel, der die Strecke Zürich-Winterthur entlasten soll, könnte erst im Dezember 2037 eröffnet werden – statt wie geplant drei Jahre vorher.
Solche Pläne haben nun die Finanzkommission des Ständerats aufgeschreckt. Die bürgerlich dominierte Kommission befürchtet, dass die verschiedenen Sparvorgaben des Bundes «langfristig verheerende strategische Folgen» haben werden.
«In Pandemiezeiten sollte man an den geplanten Investitionen festhalten, anstatt sie aufzuschieben, da sie langfristig von grossem Nutzen sein werden», schreibt die Kommission. Sie fürchtet gar um die Handlungsfähigkeit der Bahn: «Diese sehr besorgniserregenden Defizite stellen die Bilanz der SBB und deren Zukunft in Frage.»
Die Ständerätinnen und Ständeräte argumentieren, dass die SBB vor Corona solide Gewinne eingefahren haben. Sie fordern den Bundesrat dazu auf, die Covid-19-Verluste als ausserordentlich zu betrachten und weiter Gelder für die Infrastrukturprojekte und für die Umsetzung seitens der SBB bereitzustellen.
Dass sogar bürgerliche Politiker sich gerne an Staatsgeldern bedienen, wenn es der eigenen Wählerschaft dient, ist nichts Neues. Als die SBB im Januar 2021 ankündigten, aufgrund der angespannten Finanzlage bis 2025 700 Millionen Franken Investitionen bei Immobilienprojekten zu kürzen, war der Aufschrei besonders in der Westschweiz gross – Bund und SBB krebsten daraufhin zurück. Dasselbe geschieht nun, da Politikerinnen und Politiker den Ausbau des öffentlichen Verkehrs im eigenen Kanton bedroht sehen.
Auch wenn sich nach der Covid-19-Krise die SBB wieder erholen und an die einträglichen Jahre vor 2020 anknüpfen können, bleiben die Verkehrskosten beim Bund ein gewichtiger Ausgabeposten. Darauf eingeschossen hat sich vor allem die SVP, wobei sie hauptsächlich kritisiert, es fliesse zu viel Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und zu wenig in die Strasse.
Im Jahr 2020 leitete der Staat 10.1 Milliarden Franken aus dem Bundeshaushalt in den Bau von Strassen, Schienen und in sonstige Infrastruktur. Davon entfielen 60 Prozent auf den öffentlichen Verkehr. Die Verkehrskosten machten 12 Prozent der gesamten Ausgaben der Eidgenossenschaft aus; der Anteil an den Gesamtausgaben ist seit 2007 leicht angestiegen.
Deutlicher fällt das Wachstum aus, wenn man die effektiven Kosten, die ein Verkehrsträger verursacht, betrachtet – also nicht nur Infrastrukturkosten und den Kauf von Rollmaterial, sondern auch Umwelt- und Unfallkosten. Laut Bundesamt für Statistik stiegen bei einer solchen Betrachtung die Kosten für den Schienenverkehr zwischen 2010 und 2018 um fast 20 Prozent. Dies dürfte sich mit dem steigenden Mobilitätsbedürfnis und dem Wirtschaftswachstum fortsetzen – ausser die Pandemie führt zu einem nachhaltigen Bruch mit den bestehenden Mobilitätstrends.