Wer mit der Eisenbahn von Zürich nach St. Gallen will, kennt es: Am Flughafen fährt kein Zug vorbei. Der Bahnhof unter den Terminals gilt deshalb mit rund 300 Zügen pro Tag als einer der dichtest befahrenen der Schweiz. Die Strecke gilt in dieser Region bereits heute als gut ausgelastet, auch wegen des Nadelöhrs im Kempttal. Mehr und häufigere Züge sind deshalb heute fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Verbesserungen wurden zwar beschlossen, der dafür notwendige Brüttenertunnel soll aber erst im 2035 fertiggestellt werden. Für den Ostschweizer Kanton St. Gallen ist das zu spät. Sie fordern einen schnelleren Angebotsausbau und schlagen dafür eine kleine Bahnrevolution vor: Der Halt am Zürcher Flughafen soll gestrichen werden.
Eine neue Linienführung der Schnellzüge zwischen Zürich und Winterthur soll das ermöglichen: Die Züge sollen bereits ab 2025 direkt via Wallisellen fahren, statt den Umweg via Flughafenbahnhof zu nehmen. «Wir wollen so Verbesserungen in der Übergangszeit bis zur Fertigstellung des Brüttenertunnels erreichen», sagt Patrick Ruggli, Leiter Amt für öffentlichen Verkehr im Kanton St. Gallen. Hierfür wurde in enger Absprache mit den Nachbarkantonen ein Konzept beim Bundesamt für Verkehr (BAV) deponiert.
«Bahnplanungen dauern sehr lange und sind beim Bundesamt für Verkehr konzentriert. Da wollten wir mit einem durchdachten Konzept einen Vorschlag einbringen, um ohne Infrastrukturausbau das Angebot zu verbessern.» Er erwartet, dass sich die Fachpersonen beim BAV und der SBB in der zweiten Jahreshälfte 2021 mit einem Fazit melden. «Danach wird sich zeigen, ob das Konzept weiterverfolgt wird oder ob Anpassungen nötig sind. Wir sind zuversichtlich», sagt der St. Galler Amtschef Ruggli.
Die Zuversicht erstaunt angesichts der grossen Veränderung, die im Konzept vorgeschlagen wird. Seit der Eröffnung des Flughafenbahnhofs im Jahr 1980 fuhr an ihm kaum ein Schnellzug vorbei. Er galt damals als «der SBB schönster Bahnhof», bei deren Einweihung Zehntausende mit dabei waren. Bundesrat Leon Schlumpf (Vater von alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf) hoffte damals, dass der Flughafen «nie zum Engpass», sondern «stets ein Tor der Schweiz zur Welt» bleiben werde.
Der Engpass kam trotzdem. Zumindest auf der Eisenbahn, die zum und um den Flughafen führt. Die Milliarden-Budgets für den Brüttenertunnel sind gesprochen und sollen dereinst Entlastung bieten. «Während der Baustellen-Phase wird es aber zwischen Zürich und Winterthur zu weiteren Einschränkungen kommen. Unser vorgeschlagenes Konzept ergibt deshalb zusätzlich Sinn, weil durch die alternativen Linienführungen nicht mehr alle Züge durch den Flughafen müssen», sagt Ruggli weiter.
Der Kanton St. Gallen fordert schon lange bessere Bahnverbindungen. Die Ostschweiz ging regelmässig leer aus, als Eisenbahngrossprojekte umgesetzt wurden. So etwa 2004, als die «Bahn 2000» die Fahrzeiten im Dreieck Zürich–Bern–Basel auf unter 60 Minuten reduzierte und so einen perfekten Taktfahrplan einführte.
Die Fahrzeit zwischen Zürich und St. Gallen wurde mittlerweile durch Neigezüge auf 59 Minuten reduziert – für einen idealen Taktfahrplan werden jedoch 55 Minuten angestrebt. Die Streichung des Halts am Flughafen alleine wird das nicht erreichen. «Dafür braucht es auch durchgehend spurt-starke Züge, die schneller beschleunigen können», präzisiert Ruggli.