Gut 100 Kilometer nach der deutsch-schweizerischen Grenze erwartet Shopping-Fans im Outletcity Metzingen ein kleines Paradies. Die Produkte von über 500 Premium- und Luxusmarken können dort zu günstigen Preisen gekauft werden, heisst es in der Eigenbeschreibung des Centers. Vor allem Marken aus dem Kleidungs- und Beauty-Bereich sind vertreten.
Davon sollen auch Schweizer Einkaufstouristinnen und -touristen profitieren. In den Reisezentren der SBB bewirbt die Veranstalterin Railtour derzeit Trips in die «City of Fashion» – «der Umwelt zuliebe mit der Bahn». Nur zweieinhalb Stunden von Zürich entfernt warte das Shoppingvergnügen, heisst es in den Spots.
Das ausgerechnet in den Schalterhallen der SBB Werbung für Einkaufstourismus gemacht wird, stösst dem Handel sauer auf. Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, sagt: «Wir finden es befremdlich, wenn ein subventioniertes Staatsunternehmen, welches in seinem Kerngeschäft Mängel aufweist – Stichwort Pünktlichkeit und Sauberkeit – solche Angebote bewirbt.»
Ähnlich tönt es beim Verband Swiss Retail Federation, in dem neben Detailhändlern wie Aldi und Spar auch Manor, Mode Bayard und C&A vertreten sind. «Grundsätzlich müssen wir mit Konkurrenz aus dem Ausland leben», sagt Direktorin Dagmar Jenni. Es sei aber schon «etwas unschön»: «Die SBB sind ein Staatsbetrieb und auch mit Steuergeldern alimentiert», betont Jenni. «Sie sollten ein Interesse daran haben, dass die Mehrwertsteuer in der Schweiz generiert wird.»
Die SBB verweisen darauf, dass es sich beim Spot auf den Bildschirmen in ihren Reisezentren um bezahlte Werbung handle. Diese seien von der Railtour-Marke Tourmark fixfertig angeliefert worden und schon letztes Jahr einmal gebucht worden. Wie viel die Kampagne kostet, geben weder die SBB noch Railtour bekannt.
Railtour wurde ursprünglich von den SBB mitgegründet, gehört mittlerweile aber vollständig zum Reisekonzern DER Touristik. Die SBB arbeiten weiterhin mit Railtour zusammen und bewerben deren Angebote auch auf der eigenen Internetseite.
Railtour-Sprecherin Liliane Rotzetter sagt, die Kritik aus dem Handel könne man «sehr gut nachvollziehen». «Wir sind Anbieter von Städtereisen und Kurztrips auf Basis der Formel Bahn und Hotel in der Schweiz oder im benachbarten Ausland», sagt sie. Bei einer Städtereise stünden bei der Kundschaft viele Programmpunkte wie Sightseeing, Kunst und Kultur und Essen auf der Liste. Shopping sei nur ein Teil davon.
Die Werbung habe man zusammen mit dem Outletcity, einem Partner von Railtour, gebucht. Das Angebot werde meist in Zusammenhang mit einer Städtereise nach Stuttgart kombiniert. «Das passt vollumfänglich in unser Reise-Portfolio, wie auch ein Abstecher nach Ludwigsburg oder Esslingen», sagt Rotzetter.
Outletcity Metzingen zählte 2019 rund 4.2 Millionen Besucherinnen und Besucher, 40 Prozent der Umsätze wurden von Gästen aus dem Ausland generiert. Bahnreisende aus der Schweiz dürften nur einen kleinen Teil davon ausmachen. Doch der Einkaufstourismus nimmt nach zwei Jahren des pandemiebedingten Einbruchs wieder zu – und hiesige Händler verlieren Umsätze an die ausländische Konkurrenz.
Dagmar Jenni von Swiss Retail Federation hofft deshalb, dass die vom Parlament angenommenen Vorstösse zur Beseitigung der Wertfreigrenze von 300 Franken im Einkaufstourismus rasch umgesetzt werden. «Unseren Informationen nach hängen die Gesetzgebungsarbeiten in der Verwaltung», sagt sie. Das sei stossend. «Es scheint fast so zu sein, als wolle man den klaren parlamentarischen Willen hintertreiben.» (aargauerzeitung.ch)
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