Die FDP will hoch hinaus, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit der Taufe eines Heissluftballons auf den Namen des vor 200 Jahren geborenen freisinnigen «Gründervaters» Alfred Escher lancierte Parteipräsidentin Petra Gössi am letzten Freitag in Aarau den Wahlkampf 2019. Vor maliziösen Kommentaren im Stil von «In der FDP steckt nur heisse Luft» scheint man sich nicht zu fürchten.
Denn der Ballon steht auch für den Aufwärtstrend, in dem sich die Partei seit einigen Jahren befindet. Bei den Wahlen im Oktober will sie erneut zu den Gewinnern gehören. Die positive Stimmung war im «Trainingslager» für rund 300 Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer in Aarau spürbar. Sogar die SP will man überholen – ein reichlich ambitioniertes Ziel.
Unmöglich ist es nicht. «Wir haben 2015 lediglich 50 Prozent unseres Wählerpotenzials mobilisiert», stellte Petra Gössi fest. Der Politologe Claude Longchamp bestätigte diesen Befund in einem Input-Referat. Auch thematisch ortete er Schwachstellen: «Es ist nicht ganz klar, wo die FDP in der Aussen- und Migrationspolitik steht. Hier muss sie im Wahljahr ihr Profil schärfen.»
Indirekt verwies Longchamp damit auf die Europapolitik. Zum institutionellen Abkommen (InstA) mit der EU, das die Schweizer Politik bewegt, hält sich die FDP bedeckt. Dieses Schweigen war Tischgespräch kürzlich am Euroinferno in Braunwald und ärgert gerade Europafreunde, die der Partei nahe stehen. Selbst FDP-Aussenpolitiker sollen sich über den «mutlosen» Parteivorstand aufgeregt haben.
Kneifen die Freisinnigen ausgerechnet bei diesem wichtigen Thema? Im Gespräch mit watson wies Petra Gössi dies klar zurück: «Wir werden das Rahmenabkommen am 22. und 23. Februar in der Bundeshausfraktion besprechen.» Die erste Sitzung des Jahres finde immer zu dieser Zeit statt. Im Anschluss werde man sich zum Abkommen äussern, verspricht Gössi.
«Es handelt sich um eine hoch komplexe Geschichte. Es wäre fahrlässig, schon nach kurzer Lektüre etwas dazu zu sagen», betonte die Schwyzer Nationalrätin. Noch seien Fragen offen, etwa betreffend möglicher Zusatzprotokolle. Mit solchen Aussagen gibt Gössi die Richtung vor: Die FDP dürfte sich zu einem «Ja, aber» durchringen.
Ein klares Nein oder ein Wischiwaschi-Statement wie bei der CVP kommt kaum in Frage. Die FDP würde ihren zuständigen Aussenminister Ignazio Cassis brüskieren. Ausserdem hat Petra Gössi in Interviews die Gefahr einer Absage an die EU betont: «Es ist ein Spiel mit den Arbeitsplätzen Tausender Menschen in der Schweiz», sagte sie den Tamedia-Zeitungen.
Eine Unterstützung ohne Vorbehalte ist allerdings nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte die FDP-Fraktion auf «Präzisierungen» bei Streitpunkten wie Unionsbürgerrichtlinie oder Lohnschutz drängen. Der Zürcher Nationalrat Hans-Peter Portmann hat einen entsprechenden Vorschlag ins Spiel gebracht, ebenso der Wirtschaftsverband Economiesuisse am letzten Donnerstag.
Die Wirtschaft tritt in Sachen InstA allerdings nicht geschlossen auf. Vielmehr könnte es wie bei der EWR-Abstimmung 1992 zu einer Spaltung kommen: Das binnenorientierte Gewerbe äussert sich skeptisch bis ablehnend, während die Exportwirtschaft – vor allem Pharma- und Maschinenindustrie – den Zugang zum EU-Markt und damit die bilateralen Verträge sichern will.
Derzeit dominieren Bedenkenträger und Erbsenzähler die Debatte um das Rahmenabkommen. Umso sehnlicher warten die Proeuropäer darauf, dass die Wirtschaftspartei FDP ihr «Versteckis» beendet und Farbe bekennt.