Die neue Legislatur der eidgenössischen Räte steht bislang unter keinem guten Stern. Konkret geleistet hat das im letzten Herbst gewählte Parlament wenig. Dafür nutzten die Bürgerlichen ihre gestärkte Mehrheit für fragwürdige Machtspiele. Im Frühjahr zeigte es einen bedenklichen Umgang mit dem Volkswillen, etwa bei der Biodiversität.
In der Sommersession, die am Freitag endet, aber legten die Bürgerlichen noch einen drauf. Das betrifft nicht so sehr die Rangelei der beiden SVP-Nationalräte Thomas Aeschi und Michael Graber mit Bundespolizisten am Mittwoch in der Eingangshalle des Bundeshauses. Anlass war der Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk.
Es war eine würdelose Szene, die Graber mit einem deplatzierten Nazi-Vergleich toppte. Mit ein paar Stunden Abstand zeigte sich der Walliser gegenüber watson einsichtiger. Allerdings war er schon zuvor unangenehm aufgefallen, während der Debatte über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall der Klimaseniorinnen.
Der Nationalrat verabschiedete eine Erklärung, in der er sein Missfallen zum Ausdruck brachte, wie eine Woche zuvor der Ständerat. Doch während die Debatte im «Stöckli» ein beachtliches Niveau aufwies, verlief sie im Nationalrat «etwas beschämend», wie Aline Trede, die Fraktionschefin der Grünen, sagte. Und das war noch freundlich formuliert.
Als die Aargauer Mitte-Nationalrätin Maya Bally die auf der Tribüne anwesenden Klimaseniorinnen begrüsste, gab es höhnische Zwischenrufe von der rechten Ratsseite, inklusive Michael Graber. Dabei empfahl Bally die Erklärung namens ihrer Fraktion zur Annahme. Die Episode war entlarvend für die Motivation von SVP und Teilen der FDP.
Es ging ihnen nicht so sehr um den Aktivismus des Strassburger Gerichts, den man durchaus hinterfragen kann. Sondern um einen Racheakt an den «Klimafurien», die sich erfrecht haben, die Schweiz vor die «fremden Richter» zu zerren. Über die offizielle Reaktion auf das Urteil wird allerdings der Bundesrat entscheiden, nach der Sommerpause.
Die Erklärung von National- und Ständerat war nicht das einzige Beispiel für fragwürdige Symbolpolitik während dieser Session. Am Tag von Stefantschuks Besuch beschloss der Ständerat eine Aufweichung des Schutzstatus S, von dem in erster Linie vor dem Krieg geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer profitieren. Er soll nur noch eingeschränkt gelten.
Auch diese Episode war entlarvend. Mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn bröckelt die Solidarität vieler Bürgerlicher mit dem angegriffenen Land. Die Ukraine und die Flüchtlinge sind ihnen nur noch lästig. Gleiches gilt für die Eritreer, die in letzter Zeit durch Auseinandersetzungen zwischen Regimegegnern und -anhängern aufgefallen sind.
Am Montag beauftragte der Nationalrat den Bundesrat, einen Drittstaat zu finden, von dem aus eritreische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren sollen. Justizminister Beat Jans wehrte sich vergebens, und selbst bürgerliche Votanten räumten ein, dies sei ein schwieriges Unterfangen. Doch man wollte ein Zeichen setzen, also Symbolpolitik betreiben.
Auch in diesem Fall ist die eigentliche Motivation unschwer erkennbar. Offiziell ist zwar die Rede von einem Transitabkommen, bei dem die Schweiz die Eritreer zurückholen sollte, falls die Rückschaffung misslingt. Aber eigentlich hoffen viele Bürgerliche, die Schweiz möge irgendein Land vorzugsweise in Afrika finden, in das man die Eritreer abschieben kann.
Das könnte auch deshalb schwierig werden, weil Rechtsbürgerliche angesichts zunehmend knapper Bundesfinanzen die Schweizer Entwicklungshilfe von jährlich rund vier Milliarden Franken ins Visier genommen haben. Der Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg forderte in einer Motion, die Hälfte dieser Summe zur Finanzierung der 13. AHV-Rente «abzuzweigen».
Der Ständerat will das Armeebudget bis 2028 um vier Milliarden Franken aufstocken. Die Hälfte soll gemäss einem Antrag des Glarner Freisinnigen Benjamin Mühlemann aus der Entwicklungszusammenarbeit kommen, was 500 Millionen pro Jahr entspricht. Hinzu kommen nach dem Willen des Bundesrats 400 Millionen für den Wiederaufbau der Ukraine.
Zählt man diese Begehrlichkeiten und mögliche weitere zusammen, ist es irgendwann so weit, dass eigentlich arme Länder in Afrika oder Asien die reiche Schweiz dafür bezahlen sollten, dass sie die Armee aufrüsten und die AHV ausbauen kann. Ganz so schlimm wird es nicht kommen. So wurde die Motion Guggisberg im Nationalrat klar abgelehnt.
Dem Antrag Mühlemann wird es kaum besser ergehen. Die Baselbieter Mitte-Nationalrätin und Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter bezeichnet ihn als «absolut unseriös» und «Schuss ins eigene Knie». Er werde im Nationalrat chancenlos sein. SP-Nationalrätin Farah Rumy ist ebenfalls bestürzt: «Das ist weder eine reflektierte noch seriöse Arbeit.»
Die Solothurnerin ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Sie fürchtet einen Imageschaden. «Was zeigt das für ein Bild der Schweiz?», fragt sie sich angesichts der Idee, die Entwicklungshilfe für die Armee zu «plündern». Dank ihrer humanitären Tradition sei die Schweiz «weltweit angesehen», gibt Rumy zu bedenken.
Der Angriff auf die Entwicklungshilfe ist durchschaubar. Es ist einer der wenigen nicht gebundenen Ausgabenposten. Und anders als bei Landwirtschaft oder Bildung gibt es keine starken Lobbys, die sich dafür wehren. Denn fast das ganze Geld fliesst ins Ausland. Das macht sie zu einem leichten «Opfer» für bürgerliche Spar- und Kürzungsfantasien.
Immerhin scheint sich bei den Bürgerlichen langsam die Einsicht durchzusetzen, dass es ohne Mehreinnahmen nicht geht. Der St.Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth reichte einen Vorstoss für eine «befristete» Erhöhung der Mehrwertsteuer ein, mit der die Armee und die 13. AHV-Rente finanziert werden sollen. Sie soll 18,5 Milliarden Franken einbringen.
Der Vorstoss wurde auch von FDP- und SP-Vertretern unterzeichnet. Selbst FDP-Präsident Thierry Burkart, der sich bislang aufs Sparen versteift hat, wollte sich gegenüber dem «Tagesanzeiger» der Idee nicht vollständig verschliessen. Sie war ein rarer Lichtblick der Vernunft in einer Session, deren Verlauf als unruhig bis hektisch beschrieben wird.
Elisabeth Schneider-Schneiter spricht von einer «generellen Spannung, auch wegen der Geopolitik». Die Kriege und die zunehmende Blockbildung würden sich auf die Schweizer Politik auswirken. Dies erfordere Fingerspitzengefühl, meint die Baselbieterin. Oder anders formuliert: keine Symbolpolitik der reichen Schweiz auf dem Buckel der armen Länder.
Viel der Entwicklungshilfe führt vor allem dazu, dass lokale Machtstrukturen erhalten bleiben.
Dies mussten wir aber einstellen, da diese NGOs ineffizenter als der Bund selbst sind und der grosse Teil des Geldes in Bürokratie versandet. Die Lokalen bekommen wenns hoch kommt ohnehin nur 30%. Den einzige welche diese Einsparung schadet sind diesen korrupten NGOs.