Schweiz
Winter

Skipisten-Präparation: So wird dein Winterskiort vorbereitet

Pistenbully
Pistenbullys sind heute hochmodern und können Schneehöhen laufend messen.Bild: Shutterstock

Mit GPS und Kunstschnee: So ausgeklügelt ist die Skipisten-Präparation geworden

An diesem Wochenende starten viele Skigebiete in die Wintersaison. Damit die Pisten bereit sind, wird mittlerweile mit sehr viel Technik gearbeitet. Zwei Experten erzählen, wie das heute funktioniert und wie man «vorigen» Schnee zum Saisonende verhindern kann.
18.12.2022, 06:0118.12.2022, 13:27
Reto Fehr
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An diesem Wochenende geht die Skisaison in vielen Gebieten der Schweiz richtig los. So zum Beispiel auf der Belalp im Wallis, in Brigels in Graubünden oder Meiringen-Hasliberg im Berner Oberland.

Doch was braucht es eigentlich, damit ein Skigebiet «bereit» ist und die Piste geöffnet werden kann? Fuhr man früher einfach mit dem Pistenbully über den Schnee, kann heute mit modernen Hilfsmitteln viel genauer gearbeitet werden.

Wir haben bei zwei Experten nachgefragt. Dr. Fabian Wolfsperger, der am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung als technischer Mitarbeiter Spezialist für die Pistenpräparation ist, erklärt, wie die Technik funktioniert. Und Corsin Clopath, Leiter Pisten- und Rettungsdienst in Laax, zeigt auf, wie sich das auf die tägliche Arbeit auswirkt.

Interview mit SLF-Experte Fabian Wolfsperger

Fabian Wolfsperger, was macht eine gute Skipiste aus?
Fabian Wolfsperger: Da sind verschiedene Faktoren entscheidend. Der Schnee muss widerstandsfähig und griffig sein, nicht zu hart und nicht zu eisig. Zudem darf es keine Schneeknollen drauf haben, sondern die Oberfläche muss flach sein. Allerdings existieren extreme Unterschiede, was als «gute Piste» empfunden wird. An Publikums- oder Rennpisten sind die Anforderungen total unterschiedlich.

Wie viel Schnee braucht's denn überhaupt für eine Skipiste?
Für eine gute Piste im Normalfall eine Schneedecke von 40 bis 60 Zentimetern. Auf Wiesen und je nach Gelände können auch mal 30 Zentimeter reichen, im Extremfall deren 20.

Was bringt der Kunstschnee?
Kunstschnee liefert vor allem mehr Schneemasse. Aus einem Meter Neuschnee bleiben nach mehrfacher Präparation rund 20 Zentimeter. Kunstschnee wird aber praktisch schon «präpariert» hergestellt.

Kunstschnee oder technischer Schnee
Kunstschnee und technischer Schnee bezeichnen das Gleiche. Im Volksmund ist die Bezeichnung Kunstschnee verbreitet, Experten sprechen von technischem Schnee. Denn an der Umwandlung von Wasser zu Schneekristallen ist nichts künstlich.

Wie meinen Sie das?
Neuschnee hat eine Dichte von rund 100 Kilogramm pro Kubikmeter (kg/m3), Kunstschnee rund 400 kg/m3. Bei Neuschnee muss man also diese Verdichtung erst erarbeiten. Mit Kunstschnee hat man weniger Arbeit.

Was bringt eine richtig hohe Verdichtung?
Die Piste wird dadurch widerstandsfähiger und hat weniger Abrieb. Dadurch entstehen weniger Buckelpisten und die Bully-Fahrer können am Abend die Piste schneller wieder präparieren.

Was ist die Herausforderung der Skigebiete bei der Produktion von Kunstschnee?
Es soll so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig hergestellt werden.​

Und wie findet man da das Mittelmass?
Das ist nicht immer einfach, weil man das Wetter für den ganzen Winter nicht voraussagen kann. Aber Erfahrung hilft auf jeden Fall, genauso wie die heutigen Möglichkeiten beim Verteilen des Schnees.

Wie läuft dies genau?
Moderne Pistenbullys haben einen Schneetiefenmesser. Das heisst, der Bully-Fahrer weiss immer, wie dick die Schneedecke unter ihm ist.

Wie funktioniert die Messung?
In der Schweiz haben wir die Informationen des Geländes ohne Schnee (digitales Geländemodell). In der Pistenraupe errechnet ein GPS ihre genaue Position. Der Unterschied zwischen Gelände ohne Schnee und Position ist dann die Schneedecke.

So funktioniert die Schneetiefenmessung:

Und was hilft das konkret?
Es erleichtert die Arbeit des Fahrers massiv. Er kann den Schnee viel einfacher richtig verteilen. Er sieht immer, wo die Schneedecke bereits dick genug ist und wo noch Schnee fehlt. Und dann verteilt er die Schneemassen gleichmässig.

In welchem Umkreis macht eine Verschiebung des Schnees Sinn?
Normalerweise so 50 bis 100 Meter. Kunstschnee liegt ja meist auf einem Haufen, da kann man diesen gut in der Umgebung verteilen.

Wird das auch zentral irgendwo ersichtlich?
Ja, der Pistenchef hat die Daten auch auf seinem Bildschirm. Darum helfen die Messungen auch als Planungstool. Wenn für einen Pistenabschnitt 80 Zentimeter Schneedecke
das Ziel sind, kann man genau so viel Schnee auch verwenden. Und im nächsten Jahr kann man vielleicht 70 Zentimeter probieren, wenn es im Vorjahr mit 80 Zentimetern gereicht hat.

Wie viel Kunstschnee kann so «eingespart» werden?
Am Ende hängt es von verschiedenen Faktoren ab. Aber vor einigen Jahren rechnete das Skigebiet Mayrhofen im Zillertal mit – wenn ich mich richtig erinnere – rund 25 bis 30 Prozent Einsparung.

Was halten Sie von Snowfarming, also dass Schnee abgedeckt «übersommert» wird?
Das ist eine Möglichkeit und funktioniert beispielsweise für eine kleine Langlaufloipe gut, weil es da auch nicht so eine grossflächige Schneeunterlage benötigt. Im alpinen Bereich wird es eher für Events genutzt. Für ganze Pisten reicht meist die Menge einfach nicht, obwohl da auch ein Wandel begonnen hat.

Wie viel Schnee kann denn mit Snowfarming konserviert werden?
Grundsätzlich gilt ein Verlust von unter 20 Prozent als gut, unter 30 ist noch akzeptabel.

Interview mit Pistenchef Corsin Clopath

Wir haben von Fabian Wolfsperger viel über Pistenpräparation erfahren. Wie sieht es in der Praxis aus mit der Schneehöhenmessung?
Corsin Clopath: Die Technik hat alles sehr optimiert. Und die Entwicklung geht weiter. Die neusten Pistenbullys arbeiten mit einem Laserscan, der um das Fahrzeug die Schneehöhen misst. Mit dem alten System musste man eine Stelle immer erst einmal überfahren, um ein Bild zu erhalten.

Was bringt das System konkret?
Wir können viel mehr aufgrund von Fakten entscheiden, wie viel Kunstschnee wir produzieren und wo wir wie viel Schnee hinschieben müssen. Früher lief das alles nach Gefühl – und dann machst du im Zweifel eher etwas mehr, damit du auf der sicheren Seite bist.

Pistenbully Laserscan Schneehöhenmessung
Dem Fahrer wird mit roter Farbe live angezeigt, wo er noch Schnee hinschieben muss.Bild: screenshot: Youtube/pistenbully

In Mayrhofen konnten durch das System rund 25 Prozent Kunstschnee eingespart werden. Wie sieht dies in Laax aus?
Genaue Zahlen sind schwierig zu nennen und es hängt immer vom Wetter ab. Aber ich würde sagen, wir benötigen sicher zehn Prozent weniger Kunstschnee und müssen auch weniger Schnee herumschieben. Was dann auch CO2, Diesel und Arbeitszeit einspart.

Crap Sogn Gion
Ein markanter Punkt im Skigebiet von Laax: Der Crap Sogn Gion.Bild: Laax

Wann beginnen Sie eigentlich mit der Pistenpräparation?
Die Gebiete neben dem Gletscher beschneien wir ab Ende Oktober. Der Aufbau im Herbst ist sehr wichtig. Die Schichten müssen dann gut gepresst werden, sonst gibt's im Frühling durch die Wärme von unten Löcher.

Gibt es im Sommer auch Arbeiten auf der Piste?
Wir versuchen, das Gelände anzupassen und Löcher oder Kompressionen auszugleichen, damit wir dort im Winter weniger Schnee benötigen. Allerdings geschieht das alles sehr sanft. Wir fahren da also nicht mit dem Bulldozer auf.​

Pistenbully Laserscan Schneehöhenmessung
Lasertechnik hilft in Laax, den Schnee möglichst effizient zu verteilen.Bild: screenshot: Youtube/pistenbully

Und wie wird die Piste dann während der Saison unterhalten?
Das hat sich auch verbessert mit der Schneehöhenmessung. Wir sehen immer, wo Schnee knapp wird und können jeden Abend reagieren. Früher machte man das nach Gefühl einmal in der Woche und wir wussten nicht genau, wie viel es braucht. Da sind wir deutlich effizienter und kostensparender geworden.

Wie sehr kann mit einem guten Pistenaufbau die Saison verlängert werden?
Es geht nicht um die Saisonverlängerung. Das ist vom Publikum auch nicht gewünscht. Aber mit den Schneehöhenmessungen können wir beispielsweise Talabfahrten besser so planen. Früher kam es auch mal vor, dass man «zu viel» Schnee hatte und diesen nach Saisonende verteilen musste, damit er schneller schmilzt und die Flächen für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Das konnte optimiert werden.

Sehr wichtige Tage für Skigebiete sind die kommenden Feiertage. Wie sieht es da aus?
Genau, im Herbst und Frühwinter müssen wir die Pisten so hinkriegen, dass man sie über Weihnachten und Neujahr gut nutzen kann. Da sind wir auf gutem Weg dazu. Wir hatten bisher sehr wenig Schneefall, aber haben rund einen Drittel der Anlagen geöffnet und werden noch etwas mehr öffnen können bis zu den Ferien. Das ist okay. Danach wird eine Analyse gemacht und wir entscheiden, wie viel Schnee wir allenfalls für den Rest der Saison noch produzieren müssen.

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So sind Skiferien wirklich
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30 Kommentare
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Sir Edmund
18.12.2022 08:24registriert August 2019
Spannender Bericht. Wäre noch schön zu wissen was denn 1m3 KS kostet und wieviel produziert werden muss, wieviel Wasser und Strom man benötigt etc.
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fabtool
18.12.2022 10:27registriert Juli 2022
Früher baute man Bergbahnen weil es Schnee hatte, heute baut man Schnee weil es Bergbahnen hat. Weit hat es der Mensch gebracht...
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Heinzbond
18.12.2022 09:01registriert Dezember 2018
Ich dachte die skigebiete bleiben zu weil das billige Ausnutzdingens, ach wie heisst das, äh Personal fehlt....
Aber Geld für den ganzen Firlefanz haben...
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