Wo Edelweiss blühen, Adler über Berggipfel fliegen und Kühe auf den Wildblumenwiesen grasen: Auf den Schweizer Alpen ist die Welt noch in Ordnung – müsste man meinen. Doch der Schein trügt.
Der Fachkräftemangel trifft die Älplerinnen und Älpler mit voller Kraft: Rund drei Wochen nachdem die Sommersaison auf den Alpen gestartet ist, sind noch immer Stellen für Hirten und Hilfspersonal ausgeschrieben.
Viele Jobs sind bereits zum zweiten Mal ausgeschrieben, da den Betrieben die Angestellten wieder davongelaufen sind. Doch nicht mit einer Kündigungsfrist, sondern von einem Moment auf den anderen.
Für solche Notfälle gibt es in der Schweiz das Alpofon, das bei «Personalausfällen alpwirtschaftserprobte Leute» vermittelt. Noch bis Ende Juni betreut Christoph Stoller das Alpofon, danach übernimmt jemand anderes die Vermittlung. «Wir helfen den Älplerinnen und Älplern in Not und machen das ehrenamtlich», sagt Stoller, der selbst mit seiner Partnerin einen Alpbetrieb führt.
Das Alpofon wird rege genutzt. 2022 wurden insgesamt 95 «Ersatzälpler» über das Alpofon gesucht. Auch dieses Jahr sei viel los: «Bis jetzt hatte ich täglich zwei bis drei Anrufe von den Alpen. Einige davon haben immer noch keine Angestellten gefunden und versuchen nun, die Arbeit alleine zu machen, erklärt er.
Am häufigsten würden Arbeitskräfte gesucht, die Erfahrung im Kühemelken hätten. Aber auch Senner und Hirtinnen für Jungvieh oder Mutterkühe sowie Leute, die Ziegen von Hand melken können, werden benötigt. Vereinzelt seien auch Schafhirten gefragt.
«Manchmal werden auch Leute für den Alphaushalt – zum Kochen, Kinderhüten oder Gästebewirten – gesucht sowie Hilfen zum Käseschmieren, Heuen, Holzen oder Zäunen», sagt Stoller.
watson hat mit zwei Älplern gesprochen, die bereits wieder oder noch immer auf der Suche nach Personal sind.
Seit bald 30 Jahren verbringt Isidor Seliner seine Sommer auf der Alp Consura in der Nähe von Ilanz im Kanton Graubünden. Ihm sind dieses Jahr bereits zwei Angestellte abgesprungen, weshalb er aktuell wieder auf Personalsuche ist. Auf der Seite zalp.ch hat er eine Stelle als Hilfshirte ausgeschrieben, der mit ihm zusammen zu den rund 80 Rindern auf der Alp schaut.
Wegen der Ausfälle muss er momentan alles alleine machen. watson erreicht den Älpler telefonisch, als er gerade einen Viehzaun repariert. «Ich bin schon lange pensioniert und wenn ich noch jung wäre, müsste mir niemand helfen», sagt Seliner. Gerne würde er den Aufwand vermeiden, doch das sei nicht möglich.
Die Personalsuche werde immer schwieriger. «Der erste Hirte, den ich angestellt hatte, ging ein paar Tage später wieder. Es hatte um halb drei nachmittags kein Bier mehr in der Alphütte und er wollte im Dorf Nachschub holen. Ich wollte aber zuerst noch die Arbeit mit ihm beenden, da hat er seine Sachen gepackt und ist gegangen», erklärt der Älpler.
Auch der zweite Angestellte habe schnell wieder das Tuch geworfen. «Ihm war der Berg zu steil und die Arbeit zu streng.» Für Seliner ist klar: Die Menschen seien oftmals «bequem und verwöhnt». Sie würden auf der Alp lieber wandern, als arbeiten. Und viele hätten eine falsche Vorstellung von Alparbeit: «Ich habe beiden Angestellten gesagt, dass wir keinen Strom haben. Trotzdem kommen sie mit dem Laptop auf den Berg. Dann löscht es ihnen ab, wenn sie ihn nicht benutzen können», sagt Seliner.
Bereits sieben Alpsommer hat Adrian Burri erlebt. Dieses Jahr ist er auf der Alp St. Antoni Brecca in der Nähe des Freiburger Schwarzsees. Die Alp umfasse ein Gebiet von rund 100 bis 150 Hektaren und reiche von 1100 bis 1800 Meter über Meer. Um die Fläche zu bewirtschaften und die 130 Tiere zu versorgen, brauche es zwei Personen und jemand für den Haushalt. Doch auch auf der Freiburger Alp sucht man bereits wieder Ersatz für «eine Abgesprungene».
«Der Hirtin passte es nicht, dass wir die Kühe teilweise anbinden müssen und die Arbeit sehr streng war», sagt Burri am Telefon zu watson. Der 37-Jährige habe schon einige Erfahrungen gemacht mit Leuten, die sich das Alpleben anders vorgestellt hätten.
«Sie denken, man macht Ferien auf der Alp und schaut ein wenig zu den Tieren. Doch die Realität ist so, dass es lange, harte Tage sind. Die Leute laufen nie weg wegen des Lohns, sondern eigentlich immer wegen der Arbeit», sagt Burri.
Für ihn sei klar: Das Problem wird «gäng» schwieriger. «Ich beginne bereits im Winter mit der Personalsuche, trotzdem ist in meinen sieben Alp-Saisons jedes Jahr jemand davongelaufen», erklärt der Älpler.
Eine hohe Fluktuation sei schlecht für Alpen, die Käse herstellen, meint Martin Rüegsegger. Er ist Geschäftsführer der Dachmarke «Schweizer Alpkäse», welche alle 1350 Alpkäsereien vereint.
«Eine gewisse Kontinuität ist wichtig, damit der Wissenstransfer bei der Käseproduktion garantiert ist. Es ist sehr herausfordernd, wenn man immer neue Leute anlernen muss», sagt Rüegsegger. Für ihn sei klar, dass eine «stabile Situation einen guten Alpkäse ermögliche, während eine instabile Situation Qualitätseinbrüche zur Folge haben könnte». Doch: «Wir haben starke Branchenleitlinien und Zertifizierungsvorschriften – schlechter Alpkäse wird es also nicht über die Käsetheke schaffen.»
Dennoch findet auch Rüegsegger, dass die «Personalsuche eine Herausforderung bleibe und das Davonlaufen von einem Tag auf den anderen ein Worst-Case-Szenario» bleibe.
Gut, das ist aber auch völlig fahrlässig. Ich finde die gesundheitliche Grundversorgung muss stets gewährleistet sein... 😁
Eine gutw Freundin von mir ist Älplerin, ich habe sie jeweils auf der Alp besucht und ein paar Tage mitgeholfen...es ist wunderschön aber wirklich auch verdammt harte Arbeit und konditionell Anspruchsvoll! Und nicht ungefährlich! Allen Älplern einen guten und unfallfreie Alpsommer!
Mich reizt die Alparbeit...aber im Endeffekt bin ich dann vll. doch zu bequem oder habe das Gefühl über den ganzen Sommer schaff ich es nicht und naja und mein normaler Job zu lukrativ im Vergleich.