Der Steuer-Rabatt für Reiche im Kanton Waadt war zwischen 2009 und 2021 nicht gesetzeskonform. Zu diesem Schluss kommt ein am Dienstag veröffentlichter Untersuchungsbericht. Die Steuerausfälle werden darin nicht beziffert. Unklar bleibt auch, wer für die Missstände verantwortlich ist.
Der Bericht von François Paychère, einem unabhängigen Experten, deckte Abweichungen auf zwischen den gesetzlichen Bestimmungen im Steuerbereich und der Weise, wie die Besteuerung von der Informationstechnik umgesetzt wurde. Die Bestimmungen zu den Erleichterungen für reiche Steuerzahler wurden im Kanton Waadt 2009 eingeführt und in den Jahren 2017, 2021 und 2024 angepasst.
Die zur Berechnung des Steuerdeckels verwendete IT lieferte «fehlerhafte Ergebnisse» für bestimmte Steuerpflichtige. Je nach Jahr waren zwischen 1000 und 4000 Personen vom Steuerdeckel betroffen.
Doch wie viele davon von der rechtswidrigen Praxis profitierten und wie hoch die Steuerausfälle waren, blieb auch nach dem Bericht unklar. Laut dem Experten seien diese «unmöglich zu beziffern», da zu viele Variablen berücksichtigt werden müssten.
Mitarbeitende der kantonalen Steuerverwaltung meldeten die Probleme 2011 und 2015 ihren Vorgesetzten, doch diese ergriffen keine Massnahmen. Dem Bericht zufolge wurden die Informationen über die Missstände nicht an den Staatsrat weitergeleitet.
«Das ist unzulässig. Ein solcher Missstand hätte nicht passieren dürfen», sagte die Waadtländer Regierungspräsidentin Christelle Luisier (FDP) am Dienstag vor den Medien in Lausanne.
Obwohl die Generaldirektion für Steuern über die Probleme informiert war, gelangte diese Information laut dem Bericht nicht bis zum Staatsrat. Selbst Ex-Staatsrat Pascal Broulis (FDP), der jahrelang für die Finanzen des Kantons zuständig war, sagte, erst 2019 informiert worden zu sein, woraufhin er mit der Überarbeitung des Steuerdeckels begonnen habe.
«Die Verantwortlichkeiten sind schwer zu bestimmen», sagte Luisier. Zudem habe die damalige Direktorin der Steuerverwaltung, Marinette Kellenberger, «keine Erinnerung» mehr an die Notiz, die sie auf die Probleme aufmerksam machte.
Kellenberger, die auch in der Affäre Dittli genannt wurde, wird Ende Jahr vorzeitig in Pension gehen. Im März entzogen die Regierungskollegen der Staatsrätin Valérie Dittli (Mitte) nach einer externen Untersuchung die Verantwortung des Finanzdepartements.
Angesichts der im Bericht festgestellten Fakten hält der Staatsrat die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) für nicht erforderlich. Die Regierung ergreife jedoch Massnahmen, um die Arbeitsweise der Generaldirektion für Steuern zu verbessern, insbesondere durch Prüfungen. Die endgültige Entscheidung über eine PUK liegt beim Grossen Rat. (sda)