Drängelnde Töffs und PS-Monster für Junglenker – Bundesrat will keine neuen Gesetze
Neulich in Bern: In vollem Tempo rast eine junge Mutter mit ihrem Kind im Lastenvelo vor dem Bundeshaus durch. Dabei ignoriert sie bewusst den Fussgängervortritt beim Zebrastreifen. Von einem Passanten auf ihr «rowdyhaftes» Verhalten aufmerksam gemacht, zeigt sie den Mittelfinger. Immerhin so, dass es das Kind nicht sehen musste.
Solche Szenen erlebt auch der Genfer Ständerat Mauro Poggia vom Mouvement citoyens genevois (MCG). Er fordert eine generelle Nummernschildpflicht für solche Fahrzeuge. So, ist Poggia überzeugt, wären die Lenkerinnen und Lenker zu mehr Anstand und Einhaltung der Verkehrsregeln angehalten. Schliesslich wären sie über das Nummernschild identifizierbar und dadurch auch einfacher strafbar.
Bundesrat fürchtet den grossen Aufwand
Beim Bundesrat läuft Poggia mit seiner Forderung auf. Inhaltlich wertet die Landesregierung seine Ideen gar nicht. Sie sei schlicht zu aufwendig in der Umsetzung: Derzeit gilt eine Nummernpflicht für alle Lastenvelos mit elektrischem Antrieb, die zwischen 250 und 450 Kilogramm Gesamtgewicht aufweisen. Poggia möchte diese Pflicht auf alle Cargovelos ausweiten. «Eine Definition von Lastenrädern anders als nach Gewicht würde Abgrenzungsprobleme mit sich bringen», sagt nun der Bundesrat.
Nur mit «komplexen Vorschriften» könnte das gelöst werden. Das hätte «administrativen Aufwand» für Lastenvelofahrerinnen, Händler, Hersteller und Kantone zur Folge. Geht es nach der Regierung, kurven leichtmotorisierte Cargovelos weiterhin nummerfrei durch die Strassen.
Ganz generell war dem Bundesrat letzte Woche, als er die Vorstossantwort verabschiedete, nicht nach neuen Verkehrsregeln zumute. Anders als Poggia, der Velorowdys ausbremsen wollte, hat Nationalrat David Zuberbühler (SVP/AR) vor, Töffrowdys legale Vorfahrt zu verschaffen. Er wollte, dass Töfffahrerinnen und -fahrer bei Stau vordrängeln dürfen. Das ist heute rechtlich nicht erlaubt, obwohl es auf der Autobahn immer wieder beobachtet werden kann.
Hitzestau wegen der Töffkleider
Zuberbühler begründete die verordnete Vorfahrt mit einer Verbesserung des Verkehrsflusses und mit den hohen Temperaturen, denen Töfffahrer ausgesetzt seien. Mit all den Schutzkleidungen und Helmen drohten Hitzestaus, was wiederum die Unfallgefahr erhöhe.
Mit seinen Argumenten überzeugte er den Bundesrat aber offensichtlich nicht. Zwar anerkennt die Regierung, dass es für Biker in ihren Töffklamotten «unangenehm» sei, im Stau zu stehen, aber das Vorbeifahren will sie trotzdem nicht legalisieren. Das Durchschlängeln sei aufgrund der engen Abstände «besonders riskant» und wirke sich negativ auf die Verkehrssicherheit aus. Eine komplette Absage erteilt der Bundesrat aber nicht. Er «beobachte» die Entwicklung in anderen Ländern, wo das Vordrängeln für Töfffahrer teilweise erlaubt ist.
Allgemein «beobachtet» der Bundesrat regelmässig Sachen. Auch die «Entwicklung der Unfallzahlen», wie er in einer Antwort auf einen Vorstoss von Gabriela Suter (SP/AG) schreibt. Die Nationalrätin wollte wissen, wie die Regierung zu einer PS-Begrenzung für Neulenker steht. Die entsprechende Forderung ist in diesem Jahr neu aufgeflammt, nachdem es zu Unfällen von jungen Lenkern mit stark motorisierten Autos kam.
Derzeit kommt die Regierung zum Schluss, dass keine Anpassung der Regeln notwendig sei. Die Motorleistung spiele bei den Unfällen von Neulenkern «kaum eine Rolle». Häufigste Unfallursachen seien dagegen Unaufmerksamkeit und Ablenkung, überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Alkohol.
Aber auch bei Suters Vorstoss lässt sich der Bundesrat eine Türe offen. Sollten sich die Unfallzahlen anders entwickeln, werde er bei Bedarf «Massnahmen prüfen».
Über die Nummernpflicht für Lastenvelos und die Vorfahrt für staugeplagte Töfffahrer kann das Parlament nun entscheiden. Suter hat ihr Anliegen dagegen nur als Frage an den Bundesrat eingegeben. (aargauerzeitung.ch)
