Pro Jahr verspeist eine Person in der Schweiz über 180 Eier. Um diese Nachfrage stillen zu können, werden – kaum geschlüpft – täglich Tausende männliche Küken mit Kohlenstoffdioxid getötet. Denn für die männlichen Tiere der Legehennenzucht gibt es keine wirtschaftliche Verwendung. Schliesslich legen sie im Gegensatz zu den weiblichen Tieren keine Eier – und sie setzen im Vergleich zu Masthühnern nur wenig und langsam Fleisch an.
Nachbarländer wie Deutschland und Frankreich haben das Kükentöten aus tierethischen Gründen verboten. Die Schweiz hat bis anhin von einem gesetzlich verankerten Verbot abgesehen. Stattdessen will die Eierbranche eigenverantwortlich aus dem Kükentöten aussteigen. Gallo Suisse, die Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten, hat sich bereits vor drei Jahren dazu bekannt, die Praxis zugunsten des Tierwohls einzustellen.
Indem das Geschlecht der Küken bereits im Brutei bestimmt wird, sollen künftig nur noch weibliche Küken schlüpfen - Eier mit männlichen Embryonen sollen als Tierfutter verwendet oder in die Biogasanlage gebracht werden.
Ursprünglich war geplant, die Geschlechtsbestimmung in den beiden grossen Schweizer Brütereien ab Januar 2024 einzuführen. Doch nun gibt es Verzögerungen, wie Gallo-Suisse-Präsident Daniel Würgler auf Anfrage bestätigt: «Wir arbeiten intensiv daran, bald mit der Geschlechtsbestimmung im Ei zu starten. Das ist für uns ein sehr wichtiger Schritt. Noch gibt es aber einige Unsicherheitsfaktoren.»
Einer davon betrifft die Apparate, welche künftig in den Brütereien zur Geschlechtsbestimmung eingesetzt werden sollen. Weil sich die Technologie «rasant» entwickle, müsse sorgfältig überprüft werden, für welchen Anbieter man sich entscheide, so Würgler. «Wir befinden uns in den Endverhandlungen.»
Als Herausforderung gestalten sich gemäss Würgler zudem die baulichen Anpassungen bei den beiden grossen Brütereien, in welchen Legehennen für die konventionelle Eierproduktion ausgebrütet werden. Eine der Brütereien erstellt ein neues Gebäude, welches frühestens im Herbst in Betrieb genommen werden kann. Die andere Brüterei prüfe Containerlösungen.
Parallel dazu befindet sich derzeit eine Änderung der Tierschutzverordnung in der Vernehmlassung. Demgemäss soll es künftig erlaubt sein, männliche Küken anhand der Geschlechtsbestimmung auszusortieren und zu «homogenisieren», also zu eliminieren, bevor sie schlüpfen. Allerdings nur bis und mit Tag 12 der Brutzeit. Denn wie der Bund in seinem Bericht zur Verordnungsänderung schreibt, setzt die bewusste Schmerzempfindung der Küken frühestens ab dem 13. Tag der Brut ein. Das würden Erkenntnisse anerkannter Forschungsinstitutionen zeigen. Das Schreddern lebender Küken bleibt verboten.
Einen anderen Weg als Gallo Suisse verfolgt Bio Suisse. Der Verband setzt auf Zweinutzungshühner und Bruderhähne (siehe Box), die Geschlechtsbestimmung im Ei kommt für die Biolandwirte nicht in Frage. Schliesslich löse man das Problem damit nicht, sagt Mediensprecher David Herrmann, «man verschiebt es nur ins Ei». Stattdessen setze Bio Suisse auf eine «ganzheitliche» Lösung: «Alle Küken sollen leben. Wie dieses Ziel erreicht wird, ist offen: Es liegt also am Markt, ob in Zukunft vermehrt Brüder von Legehennen aufgezogen werden oder ob die Zucht verstärkt auf Zweinutzungshühner setzt.»
Viele Biobetriebe haben bereits umgestellt. Der Anteil der Bioeier, die ohne Kükentöten auf den Markt kommen, steigt. «Wir rechnen damit, dass im Laufe dieses Jahres die Mehrheit der männlichen Küken aufgezogen und nicht getötet wird», so Herrmann. Bis Ende 2025 wollen die Bio-Suisse-Landwirte gar keine Küken mehr töten.
Klar ist schon jetzt, dass sich der Ausstieg aus dem Kükentöten auf den Eierpreis auswirkt – und zwar in der biologischen und der konventionellen Produktion. Gemäss Würgler schlagen einerseits die Beschaffungs- und Lizenzkosten für die Technologie zur Geschlechtsbestimmung im Ei zu Buche. Andererseits die Kosten für den Umbau der Brütereien.
Wie stark der Preis pro Ei steigen wird, kann der Präsident von Gallo Suisse noch nicht genau sagen. Er geht von «Preissteigerungen im Rappenbereich» aus. Würgler hofft, dass die Konsumentinnen und Konsumenten den Mehrwert für das Tierwohl erkennen und bereit sind, dafür etwas tiefer in die Tasche zu greifen – und nicht aus Kostengründen auf die Importeier ausweichen.
Auch David Herrmann von Bio Suisse spricht von einer «gewissen Nervosität». Schliesslich hält das Ei den grössten Marktanteil im Biosortiment. Doch die Aufzucht von Zweinutzungshühnern und Bruderhähnen sei aufwendig, Preissteigerungen deshalb unumgänglich.
Herrmann sieht deshalb seinen Verband in der Pflicht, «den Mehrwert aufzuzeigen, den wir mit dem Verzicht auf das Töten der Küken schaffen». Letztlich seien die Landwirte aber auf die Kundschaft angewiesen. Das bekräftigt auch Würgler von Gallo Suisse: «Die Praxisänderung funktioniert nur, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag zugunsten des Tierwohls leisten.»
Umso mehr bin ich positiv überrascht, dass Frankreich dies aus tierethischen Gründen bereits verboten hat👍🏻
Die Bio-Variante ist eine gute Sache.
Bei der Abstimmung zur Massentierhaltungsinitiative im 2022 hiess es, ab 2024 werden in der Schweiz kein männliche Küken mehr geschreddert. Auch die beiden Schweizer Detailhändler schaffen es bei ihren Bioeieren nicht konsequent entsprechende Labels einzusetzen.
Es ist schon enttäuschend, dass wir das in der Schweiz nicht schaffen. Die Bauernlobby macht leider (für Umwelt, Tier und langfristig Mensch) gute Arbeit...
Aldi ist ein Lichtblick mit Bioeieren im Bruderhahn-Label.