Das Oberwallis bietet einiges. Da wäre Bister, die einwohnermässig kleinste Gemeinde des Kantons. Rund 30 Einwohner leben hier. Aussehen tut die Gemeinde von der gegenüberliegenden Talseite so:
Etwas weiter unten liegt Filet, ein komischer Ortsname. Und noch etwas weiter im Tal unten kommt Naters, die Gemeinde der Rekorde:
Naters hat aber noch mehr zu bieten: Ich darf hier im Ferienhaus der Schwiegermutter einer alten Schulkollegin übernachten. Ich bin noch keine zwei Stunden hier, da wurden mir von Nachbarn schon zwei Bier vorbeigebracht. So soll das sein.
Doch die eigentliche Geschichte des Tages kommt vom Ort zwischen Filet und Naters: Bitsch. Bitsch ist vielleicht der bekannteste kuriose Ortsname der Schweiz. Englischsprechende lachen sich hier kaputt. Denn «Bitch» bedeutet auf Englisch unter anderem «Schlampe». Kollege Kian Ramezani hat hier übrigens die witzigsten Schweizer Ortsnamen für Englischsprechende gesammelt.
Ich treffe Gemeindeschreiber Rico Schmidt. Was hat er denn schon erlebt hier? «Viele fotografieren das Ortsschild. Einer stand mal auf die Motorhaube und schoss ein Bild, während er sich kaum einkriegte vor Lachen. Und ein Velofahrer kam schon mal hier auf die Gemeindeverwaltung, er meinte: ‹Oben in Filet hatte ich schon mächtig Spass, aber das hier übertrifft alles.›»
Das Schild sei auch schon fünf bis sechsmal geklaut worden. «Spitzenreiter sind aber die Passschilder. Die werden öfter abgeschraubt», so Schmidt. Trotzdem wurden die Tafeln hier verschweisst, um es Dieben schwieriger zu machen.
Der Ort selbst wirkt unspektakulär. Ein Durchfahrtskaff an der Hauptstrasse halt. «Das täuscht», erklärt Schmidt, «hier im Tal unten wohnt nur rund ein Drittel der gut 870 Einwohner. Die meisten leben oben in einem der neun Weiler.» Er zeigt den Hang hoch auf den «Ayers Rock», wie er den Chastelji (die Endung -ji ist die Walliserdeutsche Verniedlichung wie -li) nennt: «Man sieht nur die vordersten Häuser. Dahinter liegen immer wieder Flächen.» Früher war hier im Tal unten alles ein Sumpf, darum bauten die ersten Siedler am Hang.
Schmidt ist sich der Bedeutung des Namens bewusst, glaubt aber, dass noch immer viele Einwohner – vor allem ältere – gar nicht wüssten, dass sich Englischsprechende totlachen wegen Bitsch. Ihm ging es vor fast 30 Jahren ähnlich, als er hierher kam. Eine Kanadierin besuchte ihn und wollte unbedingt eine Ansichtskarte «I love Bitsch», die es damals gab. Sie strich das «S» und schickte die Postkarte in die Heimat. Ab da wusste Schmidt, was der Ortsname in anderen Erdteilen heisst.
Woher der Name kommt, ist umstritten. Der Gemeindeschreiber präsentiert zwei Varianten:
1. Bitsch gab es auch im Elsass (heute heisst der Ort «Bitche») und komme von «Bytis», was Tisch bedeutet.
2. Der Ursprung geht auf die Kelten zurück und war vom Wort «Buzzo» (Quelle) abgeleitet. Denn früher gab es hier in der Region elf Quellen.
Wie auch immer. Der Ortsname sei weniger als auch schon ein Thema. Früher gab es Jux-Telefonate aus englischsprechenden Ländern. Das sei wieder abgeflacht. Dass die Gemeinde in Hitlisten der «kuriosen Ortsnamen» regelmässig weit vorne liegt, scheint hier egal zu sein: «Es ist halt so. Wir kennen es nicht anders.» Und sowieso, man muss ja nicht immer an die «versaute» Version denken. Wie watson-Userin Beatrix weiss, heisst «Bitsch» auf Rätoromanisch Kuss.