Es ist die Spitzenposition, die niemand will: Auf der Liste der Klimasünder steht der Verkehr an erster Stelle. Rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der Schweiz werden von ihm verursacht, mehr als von der Industrie. Und auch mehr als von den Gebäuden, die lange der grösste Emittent waren.
Doch das ist Vergangenheit. Während Gebäude und Industrie ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 deutlich gesenkt haben – um 26 und 18 Prozent –, kommt der Verkehr nicht vom Fleck.
15 Millionen Tonnen CO2 haben Autos und Lastwagen im Jahr 2017 verursacht. Das ist zwar weniger als auch schon. Doch es ist immer noch ein Prozent mehr als 1990. Und Besserung ist vorderhand nicht in Sicht.
Diesen Schluss legen Zahlen nahe, die der Bund kürzlich veröffentlicht hat. Aus ihnen geht hervor, dass die Emissionen aus Treibstoffen auch im Jahr 2018 nicht gesunken sind. Und dass die im letzten Jahr zugelassenen Neuwagen gar weniger umweltverträglich sind als im Vorjahr.
Vor diesem Hintergrund spricht immer weniger dafür, dass die Schweiz ihr Klimaziel für das Jahr 2020 erreicht. Gesetzlich vorgesehen ist eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen von 20 Prozent gegenüber 1990. Bis 2017 hat die Schweiz laut Zahlen des Umweltamts aber nur 12 Prozent geschafft. Ein Grund: die fehlenden Fortschritte beim Verkehr.
Weil die Emissionen in Zukunft noch schneller sinken müssen, um etwa die Ziele das Pariser Abkommens zu erreichen– und weil die Klimadebatte vor den Parlamentswahlen das prägende Thema ist –, wächst in der Politik der Wille, griffigere Massnahmen zu treffen. Dabei steht ein Instrument im Zentrum, über welches in Bern schon seit Jahren diskutiert wird: eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe.
Jürg Grossen, der Präsident der Grünliberalen, fordert eine solche seit langem und hat auch schon Vorstösse zum Thema eingereicht. Er sagt, die Entwicklung im Verkehrssektor sei «sehr besorgniserregend». Der Berner findet, dass nun kein Weg mehr an einer Abgabe auf die Treibstoffe vorbeiführt.
Der beste Beweis dafür, dass eine solche Abgabe den erwünschten Effekt erzielt, ist für Grossen die Entwicklung bei den Brennstoffen. Die Emissionen aus Gas und Heizöl sind seit 1990 um 28 Prozent gesunken.
Für Nationalrat Grossen liegt das auch an der CO2-Abgabe, welche der Bund seit 2008 erhebt. Aktuell beträgt diese 96 Franken pro Tonne CO2. Das entspricht beim Heizöl einer Verteuerung von 25 Rappen pro Liter.
Die Abgabe auf den Benzinpreis sollte in den Augen der GLP im gleichen Rahmen liegen. Der Grossteil der CO2-Abgabe wird an Bevölkerung und Firmen zurückerstattet, etwa über einen Krankenkassen-Rabatt. Ein Drittel fliesst in das Gebäudeprogramm.
Eine CO2-Abgabe ist ein Instrument, das volkswirtschaftlich sinnvoll ist, weil es dem Verursacherprinzip folgt. Wer Schaden anrichtet, etwa durch seinen hohen Benzinverbrauch, bezahlt dafür.
Politisch ist die Verteuerung von Benzin und Diesel aber ein heisses Eisen. Trotzdem sind ihre Aktien in diesem Jahr stark gestiegen. Im linksgrünen Lager wird sie schon länger gefordert. Mittlerweile steht auch im Positionspapier, das die FDP unter dem wachsenden Druck der Klimadebatte aufgesetzt hat, dass es eine «Lenkungsabgabe auf fossilen Treibstoffen wie Benzin und Diesel braucht».
Im Bundeshaus rückt die Klimapolitik in diesen Tagen wieder auf die Traktandenliste. Am Donnerstag und Freitag berät die zuständige Kommission des Ständerats das neue CO2-Gesetz. GLP-Präsident Grossen hofft, dass sie auch eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe vorschlägt.
Ob es so weit kommt, ist ungewiss. Die Ständeräte hüllen sich vor den entscheidenden Beratungen in Schweigen. Nach dem Absturz des Gesetzes im Nationalrat ist der Druck gross. Die Kommission will am Freitag kommunizieren, was sie in erster Lesung beschlossen hat. In der dritten Woche der Herbstsession soll das Geschäft dann im Plenum beraten werden.
Massimo Filippini ist Professor an der ETH Zürich. Er hat die Auswirkungen von Lenkungsabgaben auf Treibstoffe erforscht. Filippini sagt, dass eine CO2-Abgabe das Benzin um 20 bis 30 Rappen verteuern müsste, damit sie eine Wirkung erzielt. Allerdings ist nicht mit einer kurzfristigen Reduktion des Benzinverbrauchs zu rechnen, wie eine Studie Filippinis gezeigt hat.
«Langfristig wird eine Abgabe jedoch die gewünschte Wirkung entfalten, weil die Haushalte ihr Verhalten anpassen können und etwa auf energieeffizientere Autos setzen werden», sagt der ETH-Professor.
Filippini plädiert für eine «signifikante CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel». Weil Menschen auf dem Land eher auf das Auto angewiesen sind als in der Stadt, schlägt er vor, bei der Rückverteilung der Abgabe regionale Faktoren zu berücksichtigen. Das soll eine Benachteiligung der Landbevölkerung verhindern. Aus diesem Grund sieht etwa die CVP eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe nach wie vor skeptisch.
Eine solche Abgabe ist für Filippini nur Teil der Lösung. «Wir brauchen einen Massnahmenmix», sagt er. Auch die Emissionsvorschriften, die der Bund bereits heute kennt, sollen verschärft werden. (bzbasel.ch)