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Ruag: So lief der Waffendeal mit Schweizer Panzerteilen

Die Schattenfirma der Ruag-Mitarbeiter: So lief der Waffendeal mit Schweizer Panzerteilen

Erstmals gibt die deutsche Staatsanwaltschaft Einblick in das Verfahren gegen ehemalige Mitarbeitende der Ruag. Der Fall bietet aber weiterhin viele Ungereimtheiten.
31.08.2024, 15:2806.09.2024, 10:57
Benjamin Rosch und Christian Mensch / ch media
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Ein Mitarbeiter der Ruag soll in einen Korruptionsskandal verwickelt sein.Bild: EQ IMAGES

Der Sommer 2023 war – gelinde gesagt – turbulent für die RUAG MRO, den Technologiepartner der Schweizer Armee. Nicht nur musste CEO Brigitte Beck aufgrund umstrittener Auftritte ihren Sitz räumen. Gänzlich unübersichtlich wurden die Wirren um 100 stillgelegte Leopard-1-Panzer; diese rosteten seit 2016 auf einem Parkplatz in Italien, 25 Stück wurden jedoch möglicherweise gleich doppelt verkauft. Und schliesslich tauchte in Deutschland ein Korruptionsskandal auf – unter Beteiligung eines ehemaligen Mitarbeitenden der Ruag. Nun zeichnen Recherchen ein konkreteres Bild der Zusammenhänge.

Die federführende Staatsanwaltschaft Verden hat folgenden Sachverhalt ermittelt: Ein beschuldigter Ex-Mitarbeiter des Schweizer Rüstungskonzerns aus dem Wallis habe über die deutsche Ruag GmbH in den Jahren 2018 und 2019 Ersatzteile des Leopard-2-Panzers verkauft. Mindestens drei Firmen hätten sich für die Waffenteile interessiert: die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft, deren Tochterunternehmen Jungenthal Wehrtechnik und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG (heute KNDS Deutschland), welche den Leopard herstellt.

Es handelt sich dabei um Wechsellenkgetriebe, Teile aus dem mechanischen Herzen eines Panzers. Weil sie sich mit der Zeit stark abnutzen, sind sie gefragt – nur mit ihnen bleibt ein Panzer funktionstüchtig. Der Ruag-Kadermann verkaufte sie allerdings nicht direkt an die Interessenten, sondern an eine 2018 gegründete Firma mit Sitz in Hamburg – mutmasslich zu einem Preis, der unter dem Marktpreis liegt, wie die deutschen Ermittlungsbehörden schreiben.

Diese Firma liegt ihm deutlich näher: Die Inhaberinnen sind zu je 50 Prozent seine Frau sowie die Frau eines Geschäftspartners. Dieser Geschäftspartner hatte sich mit dem Handel von Metallwaren und Schrott einen Namen gemacht; später konzentrierte er sich auf den An- und Verkauf von Motoren und Getrieben und landete so in der Rüstungsindustrie. Zur Firma holt er nicht nur seine Frau – auch seine Tochter erhält eine Zeichnungsberechtigung.

Damit nicht genug: Mit dem Deal sei auch Geld an eine andere Schweizer Firma weitergeleitet worden. Diese gehört vollständig der Frau des Ruag-Managers. Als der Deal aufflog, wurde der Ruag-Kadermann freigestellt.

Verfahren gegen fünf Personen

Die Zentralstelle gegen Korruption ermittelt gegen fünf Personen wegen Bestechung und Bestechlichkeit: gegen den ehemaligen Ruag-Mitarbeiter und seine Frau sowie dessen Geschäftspartner, dessen Frau und deren gemeinsame Tochter. Bei den beteiligten Unternehmen wie bei der Privatadresse eines Beschuldigten kam es zu Hausdurchsuchungen. Mittels Rechtshilfeersuchen in der Schweiz erhielten die deutschen Behörden Unterlagen der Ruag International Holding sowie Kontoauszüge von Beschuldigten. Nun sollten die Ermittlungen zu einem Abschluss kommen.

Möglich werden diese Machenschaften durch die für Aussenstehende kaum zu durchblickenden Konzernstrukturen des Schweizer Rüstungsunternehmens. 2018 respektive 2019 ist der Krieg in der Ukraine noch weit weg und die Entflechtung der Ruag in zwei unterschiedliche Holdingfirmen erst eine Absicht des Bundesrats. Die Manager der Ruag geniessen zu jener Zeit grosse individuelle Freiheiten: Die Firma verfügte zu jener Zeit «über kein umfassendes Risikomanagement», wird die Eidgenössische Finanzkontrolle in einem späteren Bericht feststellen.

Dies wurde offenkundig nicht besser, als der Ruag-Konzern in zwei nominell und personell eigenständige Firmen aufgeteilt wurde. Das internationale Handelsgeschäft wurde in die Ruag International Holding AG geschoben. Zu diesem Konzernteil kam auch die Ruag Deutschland GmbH. Über diese Firma hatte die Ruag nicht nur deutsche Firmen aus der Wehrtechnik aufgekauft, sie war auch in den Weiterverkauf der in Italien eingelagerten Leopard-1-Panzert involviert.

Ein Anruf, der ins Leere führt

Der Kaufvertrag für diese Leo-1-Panzer liegt dieser Redaktion vor. Als Kontaktmann für die Ruag firmiert darauf genau jener Manager, der später die Schattenfirmen für den Leo-2-Deal bastelte – sogar mit Handynummer. Ein Anruf darauf führt allerdings ins Leere: Ein Mann mit Walliser Dialekt sagt, er wolle seinen Namen nicht nennen, man habe sich aber verwählt.

Das Unterhaltsgeschäft bildet den Kern der Ruag MRO, der zweiten Holding. Der Ruag-Kadermann, der schon beim Panzergeschäft als Kontaktmann in den Verträgen aufgeführt ist, wechselte zu dieser Ruag MRO und wurde Geschäftsführer der in Kassel neu gegründeten Ruag GmbH. In dieser Funktion war er nun zuständig für den Verkauf der Leo-2-Ersatzteile.

Die Namensgebung ist verwirrlich. Angefangen schon damit, dass die Ruag in Deutschland Vorratsfirmen gegründet hatte, die etwa die Namen Blitz-02-196 GmbH, Blitz-02-197 GmbH und Blitz-02-198 GmbH trugen. Gleich zwei Firmen trugen zu unterschiedlichen Zeiten den Namen Ruag Deutschland GmbH, obwohl sie anderen Firmenzweigen zuzurechnen waren.

Nicht nur der Leo-2-Deal, auch der Verkauf der in Italien stationierten Leo-1-Panzer ist Sache der Justiz. Im Zentrum steht dabei die deutsche Global Logistics Support (GLS). Sie war bevorzugter Partner der Ruag zum Weiterverkauf von Rüstungsgütern. Ihr verkaufte die Ruag auch zu extrem vorteilhaften Konditionen 25 Panzer aus dem italienischen Bestand, wobei nun vor italienischem Gericht gestritten wird, ob dieser Verkauf überhaupt rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Recherchen zeigen jedoch, dass es noch 2021 zu einem weiteren Deal kam. So übernahmen die GLS-Aktionäre über eine andere Gesellschaft von der Ruag MRO die Münchner Base-10 GmbH, die zehn Jahre im Besitz des Schweizer Rüstungskonzerns war und elektronische Komponenten für die Wehrtechnik herstellt. Aus dem zeitlichen Ablauf geht hervor, dass der Streit zwischen der Ruag und der GLS losbrach, kaum nachdem der Base-10-Deal abgeschlossen war.

Beschuldigte expandieren weiter

Auf Anfrage hält sich die Ruag MRO bedeckt. Zu den Ermittlungen der deutschen Strafverfolgern erklärt die Medienstelle, dass die Ruag bis zum heutigen Zeitpunkt keinen Einblick in die Verfahrensakten erhalten habe. Ob gegen den ehemaligen Kadermann Zivilklage erhoben werde, wie einst angekündigt, sei abhängig vom Verlauf des Strafverfahrens und «der nach wie vor laufenden internen Untersuchung».

Für den ehemalige Kadermann gilt die Unschuldsvermutung. Gegenüber der Ruag soll er gesagt haben, alle Vorgänge seien erklärbar. Dies hatte der «Blick» vor einem Jahr berichtet. Aufgegeben hat er das Geschäft jedenfalls nicht. So hat die Hamburger Firma, dessen Geschäftsführer er nun ist, in den vergangenen Monaten expandiert und eine weitere auf Wehrtechnik spezialisierte Elektronik-Firma übernommen. (aargauerzeitung.ch/lyn)

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
31.08.2024 16:21registriert August 2018
Dieses Theater ! Unglaublich.

Panzer, Waffen etc. werden nun mal im Krieg eingesetzt.

Die Schweiz so: Ihr dürft unsere Waffen und Panzer kaufen, aber dann imfall nur anschauen. Und auf keinen Fall weitergeben. Und wir Schweizer sind sowas von neutral, es stinkt fast zum Himmel, so neutral sind wir.

Geld Drecksgeschäfte machen wir mit allen auf der Welt. Bei den Waffen müssen unsere Sicherheitspolitiker jetzt nicht einen auf Jesus machen.

🇨🇭
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insert_brain_here
31.08.2024 16:07registriert Oktober 2019
Tjo liebe selbsternannten „Sicherheitspolitiker“, wenn ihr das Geklüngel im Bereich Rüstung und Beschaffung loswerdet dann prophezeie ich, dass die Armee gar nicht mehr weiss wohin mit dem ganzen Geld das ihr plötzlich zur Verfügung steht. Aber das steht ja nicht zur Debatte, Sicherheitspolitiker wird man schliesslich aus ganz bestimmten Gründen *zwinkerzwinker*
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Linksrechtsblablabla
31.08.2024 17:02registriert Januar 2021
Ach kommt schon, wer als Firma so undurchsichtige Strukturen und x Firmen gründet, will ja, dass man bescheisst. Ich meine auf Vorrat Firmen gründen und dennen Nummern geben. Wer segnet so einen Mist ab?
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