Schweiz
Wallis

Bula 2022: Parlamentarierbesuch in der Zeltstadt im Goms

Politik ist auch nur ein Pfadilager – Parlamentarierbesuch in der Zeltstadt im Goms

Hoher Besuch im Wallis: Ständerätinnen und Nationalräte machten diese Woche dem Bundeslager der Pfadi ihre Aufwartung. Das «Bula» ist eine Schweiz im Kleinen – und hat mehr mit der grossen Politik gemein, als man denkt.
02.08.2022, 08:49
Christoph Bernet / ch media
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Pfadi-Bundeslager bei Ulrichen VS (28.7.2022)
Zeltstadt für 30'000 Menschen: Blick auf das Gelände des Pfadi-Bundeslager bei Ulrichen VS.Bild: Mischa Christen

In der «Arena» von SRF fallen sich die Parteienvertreter lautstark ins Wort. Auf Twitter zünden sich Politikerinnen mit Vorwürfen gegenseitig an. Und in Medienmitteilungen wird dem politischen Gegner Landesverrat oder Gesetzesbruch vorgeworfen. Die Schweizer Politik, so entsteht manchmal der Eindruck, ist ein Haifischbecken, ein Dschungel, ist Kampfzone.

Bloss: Dieser Eindruck täuscht. Abseits des Rampenlichts ist der Umgangston sehr viel kameradschaftlicher. Beginnt in Bern eine der vier jährlichen Sessionen des Parlaments, herrscht eine freudig-aufgeregte Stimmung. Im Bundeshaus wird begrüsst, umarmt, gescherzt, gelacht – über Parteigrenzen hinweg. Fast wie am ersten Tag eines Pfadilagers.

Ein solches, das grösste in der Geschichte der Schweiz, findet aktuell im Goms auf einer Fläche von 170 Fussballfeldern statt. 30'000 Menschen sind beim Bundeslager (Bula) gleichzeitig «auf Platz». 600 Lastwagen voller Lebensmittel schickt die Verpflegungspartnerin Migros, einer von drei Hauptsponsoren, während der zwei Lagerwochen ins Bula. 120 Angehörige der Armee helfen aus. Es ist eine Schweiz im Kleinen, umgeben von majestätischen Bergen.

Pfadi-Bundeslager bei Ulrichen VS (28.7.2022)
Ordnung muss sein: Kochgeschirr einer Pfadiabteilung am Bula 2022.Bild: Mischa Christen

Am Donnerstag hat diese kleine Schweiz hohen Besuch erhalten. Mitglieder von National- und Ständerat besichtigten im Rahmen des VIP-Besuchsnachmittags das Bula. Besonders fest darauf gefreut hat sich SVP-Nationalrat Mauro Tuena. Auf der Hinfahrt im Zug erzählt der Zürcher, weshalb die Pfadi einen speziellen Platz in seinem Herzen hat. Bei Tuena wurde im Alter von sechs Jahren Diabetes festgestellt. Heute lässt sich der Blutzuckerspiegel mit einem Sensor am Arm per App kontrollieren und das Insulin selber mit einer Pen-Spritze zuführen, die so einfach zu bedienen ist wie ein Kugelschreiber. «In meiner Kindheit war das viel komplizierter», sagt Tuena. Er durfte deshalb nicht mit ins Klassenlager fahren. Zu gross war den Lehrpersonen das Risiko.

«Es ist doch gar nicht so schlimm mit wenig Autos, Mauro»

Doch bei der Pfadi gab es Sommerlager, an denen er dank der Betreuung durch Fachpersonen teilnehmen durfte. Tuena erzählt:

«Als ich mit zehn Jahren ins Pfadilager fahren durfte, war das ein wunderschöner Tag.»

Tuena ist beeindruckt von der makellosen Organisation des Bula. Nach der Führung durch das Lagergelände schaut der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) noch bei den Armeeangehörigen vorbei und bedankt sich für ihren Einsatz «Das gehört sich so», sagt Tuena, Pfadiname Marabu.

Pfadi-Bundeslager bei Ulrichen VS (28.7.2022)
Velos sind das Transportmittel der Wahl am Bula.Bild: Mischa Christen

Die Aargauer FDP-Nationalrätin Maja Riniker (v/o Wuschel) ist mit Ehemann Florian angereist. Ihre drei Kinder sind allesamt am Bula: «Es ist toll, dass wir sie heute besuchen können.» Sie selber hat in der Pfadi neben Feuermachen, Kartenlesen, Zeltaufbau und Knotentechnik auch für die Politik gelernt: «Dass man zusammenarbeiten und Rücksicht nehmen muss und dass es Leader braucht.»

Auch die ältere Tochter von Corina Gredig ist im Bula. Die Zürcher GLP-Nationalrätin spricht angesichts der raffinierten Ingenieurskunst bei den Lagerbauten und des ökologischen Transportsystems aus Velos und Anhängern von einer «grünliberalen Traumwelt». Während der Führung sagt sie zu ihrem Zürcher Ratskollegen Tuena: «Es ist doch gar nicht so schlimm mit wenig Autos, Mauro.»

Bauerntochter Maya Graf: «Jeden Tag zu Hause Pfadi»

Als zwei F/A-18 der Luftwaffe hoch am Himmel übers Tal donnern, stellt Tuena zufrieden fest, die Flugabwehr funktioniere noch. «Aber nur während der Bürozeiten», kontert Grünen-Ständerätin Maya Graf (BL). Sie selber habe als Kind in die Pfadi gewollt, aber als Bauerntochter nicht gedurft: «Du hast jeden Tag Pfadi bei uns zu Hause, hat mein Vater gesagt.» Heute ist sie Stiftungsrätin der Pfadistiftung. Ihr gefallen die Werte hinter der Bewegung. Ein Pfadilager sei mehr als eine Freizeitbeschäftigung, sagt Graf:

«Hier lernt man nicht nur viel Praktisches, sondern auch andere zu respektieren und zu helfen.»

Bei der Pfadi seien alle willkommen, es gebe keinen Leistungsdruck, keine Gewinner und keine Verlierer.

Pfadi-Bundeslager bei Ulrichen VS (28.7.2022)
Posieren für das Gruppenfoto: Corina Gredig, Maja Riniker, Mauro Tuena und Maya Graf (v. l. n. r.) mit ihrem Tourguide (2. v. l.).Bild: Mischa Christen

Beim Apéro zum Abschluss des VIP-Nachmittags nabelt sich der hohe Besuch wieder von der kleinen Schweiz ab. Eintritt gibt es nur mit goldenem Badge. Nebst Bundesparlamentarierinnen sind auch Wirtschafts- und Verbandsvertreter da. Das Bier kommt von der Einsiedler Brauerei von Mitte-Nationalrat Alois Gmür (v/o Spund), dem Präsidenten der Pfadistiftung. Das schöne Wetter trägt zur parteiübergreifend gelösten Stimmung bei. Wäre Politik doch immer wie ein Pfadilager. Spätestens nächstes Jahr ist es damit vorbei. Im Oktober 2023 sind Wahlen. Es wird Gewinner geben – und Verlierer. (aargauerzeitung.ch)

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Das Pfadi-Bundeslager in der Schweiz, 2008
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Das Pfadi-Bundeslager in der Schweiz, 2008
Luftaufnahme eines Unterlagers. 23'000 Pfadis und 500 ausländische Gäste führten zusammen mit 2000 Helferinnen und Helfern in 8 Unterlagern das alle 14 Jahre stattfindende Bundeslager der Schweizer Pfadfinder durch. (KEYSTONE/Eddy Risch)
quelle: keystone
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Zum Start vom Bundeslager – so war die Pfadi 1957
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