Viele Schweizerinnen und Schweizer stecken seit Monaten in einer Wetterdepression. Am Montag war es erstmals richtig warm. Ist das die Wende rechtzeitig auf Pfingsten?
Felix Blumer: In den kommenden Tagen erwarten wir generell deutlich wärmere Luft als in der letzten und vorletzten Woche. Dazwischen sind aber weiterhin Kaltlufteinbrüche möglich. Stabile Hochsommerverhältnisse haben sich noch nicht eingestellt. Immerhin scheint es über Pfingsten ziemlich sonniges Wetter zu geben bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad. In der zweiten Tageshälfte muss jeweils über den Bergen und im Süden mit Schauern und Gewittern gerechnet werden. Im nördlichen Flachland bleibt es vermutlich meist trocken.
Und nächste Woche zum meteorologischen Sommeranfang?
Auf Dienstag zeichnet sich aus Norden wieder der Vorstoss von Höhenkaltluft ab. Wo genau diese Kaltluft West- und Mitteleuropa trifft, ist noch unsicher, genauso wie auch seine Nachhaltigkeit noch offen ist.
Was hat sich meteorologisch verändert, dass Nässe und Kälte weniger werden?
Lange Zeit lag über Russland ein stabiles Hochdruckgebiet. Dieses hat die Tiefdruckgebiete über dem nahen Atlantik und über Westeuropa blockiert. Deshalb gab es in unseren Gegenden immer wieder ergiebig Regen. Vor allem war es in der Nähe der Tiefdruckgebiete auch sehr trüb.
Das trübe Wetter hat viele frustriert. Was sagt der Meteorologe eigentlich zu Psyche und Wetter?
Ich bin nicht Psychologe, stelle aber fest, dass während langen Regenperioden die gehässigen Mails zunehmen, die bei uns auf der Meteo-Redaktion eingehen. Ein Faktor ist sicher das fehlende Sonnenlicht, oft dürfte aber auch noch Frust dazukommen, dass schon wieder ein Anlass im wahrsten Sinne des Wortes den Bach runter ging.
Die vielen Langzeit-Prognosen auf Wetter-Apps sind kaum seriös. Trotzdem: Gibt es einen hoffnungsvolleren Trend für den Sommer?
Detaillierte Prognosen über einen Zeitraum von mehr als fünf bis sieben Tage sind zwar rein mathematisch machbar. Die Eintretenswahrscheinlichkeit ist aber nicht sehr hoch, entsprechend sollte man mit Prognosen für einen längeren Zeitraum vorsichtig sein. Saisonale Prognosen gehen allgemein von einem zu warmen Sommer aus, ohne aber eine Aussage für das tägliche Wetter zu machen.
Was müsste technisch geschehen, dass Langzeit-Prognosen besser werden?
Natürlich werden mit mehr Rechenleistung der Computer die Prognosen auch für längere Zeiträume immer zuverlässiger. Das Hauptproblem scheint aber momentan weniger bei der Modellierung der Atmosphäre zu liegen als viel mehr an den Bodendaten. Bodenfeuchte und die Licht-Rückstrahlung des Bodens, die Albedo, gehen nicht mit der gleichen Genauigkeit in die Wettermodelle ein wie die Parameter der Atmosphäre. Liegt im Frühling noch viel Schnee, wird die vertikale Luftströmung über dem Gebirge regelmässig überschätzt.
Zurück zur Aktualität: Das miese Wetter hatte auch Positives. Die Niederschläge haben die Pegel ansteigen lassen. Reicht das jetzt für den Sommer?
Mit grosser Wahrscheinlichkeit dürfte der Niederschlag ausreichen. Es sei denn, es würde sich erneut ein Extremsommer mit grosser Hitze und kaum Niederschlag einstellen. Das Paradebeispiel in diesem Zusammenhang ist das Jahr 2006. Der Frühling war damals noch deutlich kühler und nasser als dieser Frühling. Danach war es im Juni und Juli knochentrocken und extrem heiss. Die Folge war an vielen Orten ein Feuerwerksverbot am 1. August. Sollte sich also ab Pfingsten ein Sommer wie 2006, 2018 oder auch wie im vergangenen Jahr einstellen, dann würde Trockenheit ab Mitte Sommer wieder zum Thema.
Was waren die Gründe für diese riesigen Starkniederschläge in Italien?
Über Italien und der Adria lagen zu Beginn des Monats Mai und auch in der vergangenen Woche stationäre Tiefdruckgebiete. Diese transportierten aus Süden warme und vom Mittelmeer feuchte Luft Richtung Norditalien, wo sie auf kühlere Luft aufgeschoben wurde. Dies führte zu lange anhaltendem Niederschlag. Im Übrigen nicht nur in Italien, sondern auch in den angrenzenden Ländern des Westbalkans, in Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Fakt ist aber auch: Heftige Regenfälle gibt es in Italien immer wieder, nach der grossen Trockenheit der letzten eineinhalb Jahr waren die Böden aber völlig ausgetrocknet und konnten die grossen Wassermengen gar nicht mehr aufnehmen. Das meiste Wasser floss an der Oberfläche ab, was die Situation noch verschärfte und Hochwasserwellen noch viel schneller ansteigen liess. (aargauerzeitung.ch)