«Preisreduktionen bei Hotels liegen schlichtweg nicht drin», sagte Andreas Züllig noch Anfang Mai. Der Präsident des Branchenverbands HotellerieSuisse begründete die Absage an einen Preiskampf mit den ohnehin sehr dünnen Margen. Und auch Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus, rät von einer Rabattschlacht ab. «Das wäre nicht gut.»
Dennoch fallen im Coronasommer die Zimmerpreise. Die Hotellerie hätte es lieber vermieden. Doch zeitgleich mit der Wiedereröffnung von Bergbahnen und Campings, von Badeanlagen und Kulturlokalen, zeigt eine Umfrage: Es geschieht. In einer vierteljährlich durchgeführten Umfrage der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich sagen rekordhohe 50 Prozent aller Schweizer Hotels, dass sie in den nächsten drei Monaten ihre Zimmerpreise senken werden.
Im Coronasommer wird hinter den schicken Kulissen vieler Hotels und Restaurants ums Überleben gekämpft. Nydegger von Schweiz Tourismus sagte gestern an einer Pressekonferenz: «Seit den Kriegsjahren um 1940 haben wir nicht mehr erlebt, was wir seit dem Frühling 2020 erleben müssen.»
Die Dramatik gehört zur neuen Kampagne, die heisst: «Ich brauch Schweiz.» Doch auch die Umfrage zeigt, dass der Preisdruck hoch ist, ähnlich wie nach dem Frankenschock. Als die Nationalbank den Mindestkurs aufhob, planten ähnlich viele Hotels mit sinkenden Preisen. Vor allem der alpine Tourismus kämpfte lange, bis er preislich wieder wettbewerbsfähig war.
Dass es zum Preisdumping ausartet – das wird die Ausnahme bleiben, die in Coronazeiten jedoch vorkommt. Es gibt Beispiele von Viersternehotels, die ein Zimmer mehr oder weniger zum Preis von Jugendherbergen anbieten. Doch sind die Preise bereits landesweit gesunken. Diese Woche zeigte der Landesindex für Konsumentenpreise, dass im Mai die Übernachtungen bereits 4 Prozent günstiger waren als im Vorjahr.
Im Coronasommer gehen die touristischen Welten preislich jedoch auseinander. Am meisten Bewegung wird es in den touristischen Seeregionen geben, also etwa in Luzern oder in Interlaken. Dort plant über die Hälfte aller Hotels, die Zimmer billiger anzubieten: 54 Prozent. Das zuvor boomende Geschäft mit asiatischen Freizeittouristen bricht vollständig weg.
«Im Coronasommer wird vieles auf den Kopf gestellt», so Guglielmo Brentel. Der heutige Präsident von Zürich Tourismus war lange Präsident des Branchenverbands Hotelleriesuisse, sitzt in den Verwaltungsräten mehrerer Hotels und ist als Berater tätig. «Es geht Regionen schlecht, die zuvor boomten dank Gästen aus Asien oder den Golfstaaten. Es läuft gut in Regionen, an denen dieser Boom vorbeiging, die aber immer auf Schweizer Gäste setzten.» Das Paradebeispiel dafür ist Graubünden. Die touristische Hochburg stand jahrelang mehr oder weniger im touristischen Abseits. Nun macht dieses Abseitsstehen den Kanton zum Gegenstück vom Sommerelend, das anderswo zu beobachten ist. Die Preise werden sich kaum bewegen, glauben Kenner. Brentel erwartet mehr Gäste als im letzten coronafreien Sommer. «Mit ein bisschen Wetterglück wird Graubünden einen guten Sommer haben.»
Irgendwo zwischen den Extremen von Seeregionen und Graubünden reiht sich alles andere ein. Näher an den Seeregionen zu finden, sind die grösseren Städte, wo nur halb so viele Gäste erwartet werden wie letztes Jahr. Dort wollen laut Umfrage rund 48 Prozent mit den Preisen runter gehen.
Beispiel Zürich. Die Stadt ist zusammen mit ihrer Umgebung zur mit Abstand grössten touristischen Region aufgestiegen. Nun kann fast die Hälfte der sonst anreisenden Gäste gar nicht kommen. Sie reist gewöhnlich mit dem Flugzeug an, doch der Flughafen ist im Sommer weitgehend stillgelegt. Geschäftstouristen kommen so gut wie gar nicht. Brentel: «Dagegen mit Rabatten anzukämpfen, ist ohnehin zwecklos.»
Sinken werden die Preise dagegen für Freizeitgäste. Um zu retten, was zu retten ist, wird in den Städten um diese Gäste geworben, vor allem in der Schweiz und in Deutschland. In Zürich werden in einer gemeinsamen Werbeaktion rund 80 Hotels ihre Zimmer an Wochenenden um 20 Prozent günstiger anbieten.
Näher an Graubünden und weiter weg vom touristischen Sommerelend finden sich andere alpine Regionen. Brentel gibt etwa Zermatt gute Chancen auf einen erfreulichen Sommer. Es gilt generell, was der KOF-Experte Florian Hälg sagt: «In den alpinen Regionen geraten die Preise weniger unter Druck.»
Im alpinen Tourismus werden ausländische Gäste weniger vermisst. Es kommen mehr Schweizer Gäste, die im Coronasommer lieber in der Heimat bleiben. An manchen Tagen wird der Andrang gar gross sein. Die Rückkehr alter Gewohnheiten ist zu beobachten. Brentel sagt: «Es gibt wieder Familien, die zwei ganze Ferienwochen in der Schweiz buchen. Das habe ich zuletzt in den Neunzigerjahren gesehen.» Doch alles ist relativ. Der alpine Tourismus leidet weniger. Doch auch ihm fehlen diesen Sommer drei von zehn Logiernächten. Die Gäste, die kommen, können von Abschlägen profitieren: Vier von zehn Hotels rechnen mit tieferen Zimmerpreisen.