Der Untergang der Credit Suisse bahnte sich schon lange an. Während die Bank 2007 noch 100 Milliarden Franken an der Börse wert war, dümpelten vergangenen Freitag noch etwas über 7 Milliarden vor sich hin.
Obwohl die CS die Skandale über die Jahre nie den Kopf kosteten, ging es am Schluss doch ganz schnell abwärts. Innert weniger Tage geriet die Traditionsbank derart arg in Schieflage, dass die Behörden eingriffen, um einen unkontrollierten Zusammenbruch zu verhindern.
Ausländische Medien malen nun ein Bild einer Schweizer «Trinität», welche die UBS zur Übernahme der CS gezwungen haben soll. Eine «göttliche Dreiheit» also, bestehend aus Finanzministerin, SNB und Finma, soll mit vereinten Kräften alles alleine entschieden haben. Doch ein Blick auf die Chronologie zeigt, dass auch das Ausland eine führende Rolle spielte.
Begonnen hatten die letzten Stunden der CS am vergangenen Mittwoch. Ein Interview sorgte dafür, dass nach der in Konkurs geratenen Silicon Valley Bank (SVB) auch CS-Kunden rund 10 Milliarden Franken pro Tag an Einlagen abzogen. Gleichzeitig brach der Aktienkurs um mehr als 30 Prozent auf ein Allzeit-Tief von 1.55 Franken ein.
Den medialen Anfang machte die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch, als sie das Interview mit dem Chef der Saudi National Bank, Ammar Al Khudairy, veröffentlichte. Dieser hatte vermutlich nicht mit solchen Auswirkungen auf seine Aussagen gerechnet. Er sagte zwar nichts anderes als in den Monaten davor – «dass man aus regulatorischen Gründen kein weiteres Geld geben würde» – doch dieses Mal wurden seine Worte anders aufgenommen. Denn die Stimmung an den globalen Finanzmärkten war aufgeheizt wegen des Konkurses der amerikanischen SVB-Bank.
Noch am selben Abend teilten die Finma und die SNB mit, sie würden der Credit Suisse Liquidität zur Verfügung stellen – obwohl diese liquid genug sei. Als Zeichen der Stabilität.
Wie die britische «Financial Times» (FT) schreibt, haben bereits an jenem Mittwoch die Nationalbank, die Finma und Finanzministerin Keller-Sutter den CS-Chef Axel Lehmann sowie den Vorstandsvorsitzenden Ulrich Körner zu einem Gespräch eingeladen. Laut der Zeitung habe ihnen eine «mit dem Gespräch vertraute Person» bestätigt, dass bereits damals verkündet wurde: «Ihr werdet mit der UBS fusionieren und dies am Sonntagabend vor der Eröffnung des Asiengeschäfts bekannt geben. Das ist keine Option».
Der Öffentlichkeit teilten die Finma und die SNB am Mittwochabend jedoch mit, dass das Banken-Beben in den USA keine Gefahr für den Schweizer Finanzmarkt darstelle.
Am nächsten Morgen, am Donnerstag, nahm die CS insgesamt 50 Milliarden von der SNB an, um «die Liquidität sicherzustellen». Der Börsenkurs stieg wieder über die 2-Franken-Marke – doch die Kunden zogen weiter ihre Einlagen ab.
Es gab darum eine ausserordentliche Bundesratssitzung am Donnerstag. Was dort besprochen wurde, wollte die Bundeskanzlei der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht mitteilen. Wie die FT berichtet, sei bereits dann klar gewesen, dass die Regierung auf «die eine oder andere Weise auf eine Lösung bis Montagmorgen» drängen würde. Koste es, was es wolle, um die Interessen der Schweiz zu schützen. Dies sagt eine der CS nahestehende Person gegenüber der FT.
Doch auch am Donnerstag schrieb die US-Wirtschaftszeitung «Bloomberg» unter Berufung auf «gut informierte Kreise», dass CS und UBS keine Zwangsfusion eingehen möchten. Schweizer Medien pushten die «Breaking News» mit Verweis auf die Zeitung. «Bloomberg» hatte zusammen mit der FT von Anfang an den Lead, wenn es darum ging, was gerade bei der CS hinter verschlossenen Türen los ist.
Am Freitag begann der Tag wieder damit, dass der Aktienkurs nachgab. Gleichzeitig fand die ordentliche Bundesratssitzung statt, in der auch die CS wieder Thema gewesen sein dürfte. Kommuniziert wurde nichts.
Ebenfalls am Freitag meldete sich wieder Reuters mit einer Eilmeldung unter Berufung auf «fünf mit der Sache vertraute Personen»: Mindestens vier grosse Banken sollen ihre Geschäfte mit der CS einschränken wollen, darunter etwa die Deutsche Bank. Ob diese Meldung stimmte, wollte die Deutsche Bank auf Anfrage von watson nicht kommentieren.
Auch die FT hatte einen neuen Primeur. Die Zeitung widersprach der Darstellung von «Bloomberg» vom Vortag und liess Spekulationen laut werden, dass die UBS und CS in Übernahmegesprächen seien. Laut eines in den Deal involvierten Bankers hatte die CS in den drei Tagen zuvor weitere 35 Milliarden Franken an Kundengeldern verloren. Die Aufsichtsbehörden seien an diesem Tag zum Schluss gekommen, dass die Bank wahrscheinlich am Montag nicht mehr die Türen öffnen könne.
Am ersten Tag des Wochenendes nahm die geheime Übernahme langsam Form an. Den ganzen Tag über sollen Verhandlungen stattgefunden haben, schreibt die FT. Ein Problem mit dem E-Mail-System der UBS soll den Fortschritt aber verlangsamt haben.
Frustriert über die mangelnde Kommunikation seitens der UBS, habe sich CS-CEO Axel Lehmann entschieden, einen Brief an UBS-Präsident Colm Kelleher sowie die Schweizer Behörden zu schreiben.
In diesem Brief nannte Lehmann einige Gründe, weshalb die Übernahme inakzeptabel sei. Anscheinend soll Lehmanns Mitteilung sogar eine Drohung beinhaltet haben, wie die FT berichtet. Er schrieb, dass die drei grössten Aktionäre der Credit Suisse – darunter zwei aus Saudi-Arabien und einer aus Katar – ihr «extremes Unbehagen» über die Undurchsichtigkeit des Geschäfts zum Ausdruck gebracht hätten.
Die Hauptaktionäre würden einen fairen Preis verlangen, sowie eine Abstimmung über das Geschäft. Lehmann wies auch darauf hin, dass die Saudis und Kataris Grosskunden beider Banken seien. Als der UBS-Präsident den Brief las, soll er CS-Lehmann telefonisch kontaktiert und ihm ein Angebot von einer Milliarde Dollar in Aktien für die gesamte Bank unterbreitet haben. Das Angebot sei mit «Unglauben» aufgenommen worden.
Am Sonntag schliesslich sollen Finanzministerin, Nationalbank und Finma den Druck auf die UBS und die CS erhöht haben. Laut der FT wurde sogar damit gedroht, den Verwaltungsrat der CS abzusetzen, falls dieser einer Übernahme nicht zustimmen sollte.
Gleichzeitig wurde die UBS aufgefordert, den Preis zu erhöhen. Diese stimmte zu, unter der Bedingung, mehr Unterstützung durch den Staat zu erhalten. Schliesslich vermeldete die FT am Sonntag, dass die Bank einem Kaufangebot von 2 Milliarden Dollar zugestimmt hatte. Später wurde an der Medienkonferenz bekannt, dass das Angebot 3,25 Milliarden Dollar hoch war.
Laut der FT soll Bundesrätin Karin Keller-Sutter vor Erleichterung aufgeatmet haben, als sie erfuhr, dass der Deal nach tagelanger Spannung zustande komme. Dies hat die Zeitung von «Personen, die mit der Angelegenheit» vertraut sind. Schliesslich wurde kurzfristig eine Medienkonferenz für den Sonntagabend einberufen, in der die Welt über die Übernahme informiert wurde.
An der Medienkonferenz vom Sonntag sagte Karin Keller-Sutter: «Ich stand täglich im Austausch mit Kollegen im Ausland, insbesondere Janet Yellen aus den USA und Jeremy Hunt im UK.» Die Schweiz müsse auch hier eine Verantwortung über die Landesgrenzen hinaus wahrnehmen.
Wiederum die englische FT berichtete laut eines Beraters der UBS, dass «insbesondere die USA und die Franzosen die Schweizer in die Pfanne gehauen haben». Unter wie viel Druck aus dem Ausland die Finanzministerin tatsächlich stand, lässt sich schwer aufzeigen.
Doch dass sich Bundesrat, SNB und Finma gegen die «Too big to fail»-Regulierung entschieden haben, könnte auch am internationalen Druck gelegen haben, die CS schnell zu retten. Denn dass das Gesetz nicht angewendet wurde, kritisieren nun viele Experten. Wer also alles massgeblich daran beteiligt war, dass die UBS zur Übernahme der CS gedrängt wurde, bleibt weiterhin ungewiss. Doch eines ist klar: Der Druck aus dem Ausland, ob von Medien oder von Regierungen, war da.
Dass die CS-Übernahme durch die UBS aus dem Ausland diktiert wurde, dementiert SNB-Präsident Thomas Jordan an einer Medienkonferenz am Donnerstag. «Es ist eine schweizerische Lösung. Mir ist kein Druck aus dem Ausland bekannt. Es gab allerdings weltweit Sorge, dass die Finanzstabilität ein Risiko darstellt. Und deshalb war es im Interesse der Schweiz, hier eine Lösung zu finden.»
Nun haben wir noch eine Grossbank und wenn es dem Ausland gefällt kann man auch die fällen.
Die CS hat klar Misswirtschaft betrieben. Der Deal, zu dem die USB gezwungen wurde ist nicht im Sinne der Schweiz.