Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) lehnt den aktuellen Vertragsentwurf zum Rahmenabkommen ab. Statt teure EU-Regeln zu übernehmen und Souveränität abzugeben, solle die Schweiz mit der Umsetzung von Massnahmen wie der Regulierungskostenbremse die Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Wie weiter, wenn das Rahmenabkommen mit der EU scheitert? Der Gewerbeverband hat am Montag einen Plan B präsentiert. Das Abkommen sei «nur ein Mittel», um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu stärken, sagte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des SGV, vor den Medien in Bern.
Der «Königsweg» sei jedoch die Vitalisierung des Binnenmarktes und eine gute internationale Positionierung der Schweiz. Die Vorschläge seien eigentlich bekannt, «nun muss aber bei der Umsetzung das Tempo erhöht werden», meinte er.
«Das wohl effizienteste Mittel», um die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktivität von Schweizer Unternehmen zu fördern, sei die Einführung der Regulierungskostenbremse.
Regulierungskosten umfassen laut Definition des Bundes und des SGV die administrativen Kosten für Unternehmen wie zum Beispiel Kosten für Verfahren und Formalitäten einerseits und die Kosten für die Einhaltung der Regulierungen andererseits. So ziehe jedes Gesetz ein Preisschild für die Unternehmungen nach sich, heisst es in einem Positionspapier des SGV.
Aktuell beliefen sich die jährlichen Regulierungskosten von Schweizer Unternehmen auf 70 Milliarden Franken, sagte Bigler. «Wenn diese Kosten um 10 Prozent gesenkt werden, ergibt sich ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von ein bis zwei Prozent.»
Mit der Einführung der Bremse würden all jene Vorlagen, die besonders hohe Kosten auslösten und mehr als 10'000 Unternehmen betreffen, im Parlament dem qualifizierten Mehr unterstellt. Das Gesetz müsste also mindestens 101 Ja-Stimmen im Nationalrat und 24 Ja-Stimmen im Ständerat erhalten.
Diese Forderung des SGV ist nicht neu. Bereits Ende Mai 2010 beschloss der Gewerbekongress in Lugano eine Forderung zur Senkung der Regulierungskosten. Der Bundesrat reagierte. Er schickte Ende April dieses Jahres einen Vorschlag zur Regulierungsbremse in die Vernehmlassung. Diese dauert bis am 18. August.
Ein weiterer Eckpunkt des Vitalisierungsprogramms des SGV ist die Anpassung des Arbeitsrechts an die Bedürfnisse eines flexiblen Arbeitsmarkts. «Es geht nicht darum, die Arbeitszeit auszudehnen», sagte Bigler, «aber um die flexiblere Ausgestaltung der Arbeitszeiten.»
Ein Treuhänder habe zum Beispiel in der ersten Jahreshälfte mit den vielen Abschlüssen viel mehr zu tun als in der zweiten Hälfte des Jahres. «Hier muss es mehr Spielraum geben.» Das Arbeitsgesetz sei noch immer auf die Verhältnisse einer Industriegesellschaft ausgerichtet. Etwa 70 Prozent der Arbeitsplätze in der Schweiz würden jedoch im Dienstleistungssektor geschaffen.
Auch bei der Digitalisierung müssten die Regeln gelockert werden, um einen «Digitalisierungsschub» anzustossen, sagte Bigler. Die Bedeutung der Digitalisierung habe sich gerade in der Covid-Krise gezeigt.
Die Sozialwerke müssten mit einer Schuldenbremse, die die langfristige Finanzierung sicherstelle, wieder ins Lot gebracht werden und nicht mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. «Konkret müssen die Leistungen auf die mögliche Finanzierung ausgerichtet werden – und nicht umgekehrt», sagte Bigler. Schliesslich müsse weiter in die Berufsbildung investiert werden.
Bei den Beziehungen der Schweiz zum Ausland solle statt des Rahmenabkommens das Freihandelsabkommen mit der EU aus dem Jahre 1972 modernisiert werden. Eine Aktualisierung sei auch im Interesse der EU, sagte André Berdoz, Vizepräsident des SGV. Die Schweiz sei Kundin der EU und auch der 9. wichtigste Exportmarkt Deutschlands. «Es ist nicht im Interesse der EU, diese Türe zuzuschlagen», sagte er.
Über das Freihandelsabkommen sollte es laut SGV auch möglich sein, Lösungen bei den Herkunftsangaben von Produkten und dem Zoll zu finden und den freien Warenverkehr zu sichern.
Mit der Kohäsionsmilliarde habe die Schweiz darüber hinaus «ein Druckmittel» in der Hand. Es sei etwa denkbar, den Beitrag an die neuen EU-Mitgliedstaaten zu erhöhen, um den Schweizer Hochschulen die Teilnahme an Forschungsprojekten zu ermöglichen.
Ausserhalb der EU sollen die Wirtschaftsbeziehungen zu Asien, Afrika und den USA mit Freihandelsabkommen gestärkt werden.
Es gebe also einen Weg für die Schweiz, auch wenn die Verhandlungen zum Rahmenabkommen scheitern würden, hielt Bigler fest. «Wir müssen ganz einfach unsere Hausaufgaben machen.» (sda)
Schön, wenn man die Regulierung einfacher machen kann, aber das hat nichts mit dem EU Binnenmarkt zu tun. Und ist mitnichten ein Plan B.
Und gerade das Gewerbe, dass nicht so einfach eine Filiale in der EU eröffnen kann, ist auf den EU Marktzugang angewiesen.
Und gerade Bigler sollte das wissen.