Es war eines der dominierenden Themen während der ausserordentlichen Corona-Session des Parlaments: Müssen Firmen, die auf Anordnung des Bundesrates während des Shutdowns schliessen mussten, wirklich die volle Miete für ihre Gewerbelokale bezahlen?
Diese Frage löste ein Hick-Hack zwischen Ständerat und Nationalrat aus – Anfang Juni war dann der Kompromiss da: Gewerblern wird ein Mieterlass von 60 Prozent gewährt für die Dauer der Corona-Schliessung. Zu diesem Kompromiss sagten die beiden Kammern des Parlaments mit 98:84 bzw. 20:19 Stimmen knapp «Ja».
Bis die Lösung kommt, dauert es aber. Und zwar lange. Dies bestätigte am Montag Bundesrat Guy Parmelin (SVP) während der Fragestunde des Nationalrats. Die Regierung sei sich der «Dringlichkeit» bewusst und man habe bereits mit der «Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs» begonnen. Vorgelegt wird er dem Parlament «Mitte September». Mit einem Beschluss rechne Parmelin daher erst in der Wintersession.
Diese Hiobsbotschaft hat formal-juristische Gründe: Der Bundesrat will die Gewerbemieten auf dem Weg des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens statt per Notrecht lösen. Und das bedeutet, dass der Mieterlass durch die Mühlen der Gesetzgebung muss. Inklusive der Möglichkeit für Kantone und Parteien, sich zum Vorschlag des Bundesrates äussern zu können.
Das ärgert SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, wie sie telefonisch erklärt. «Das ist ein typischer Fall für eine Notrechtslösung: Es ist dringend, es wäre eine zeitlich beschränkte Lösung, um der Wirtschaft Rechts- und Planungssicherheit zu geben.»
Badran, die im Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz sitzt, vergleicht Parmelins Vorgehen mit den Filibustern in den USA: «Das ist Obstruktionspolitik. Der Bundesrat will die Lösung, auf die tausende KMUler warten, wegen Interessen der Immobilienlobby, hinauszögern – und das nur, weil es ihm inhaltlich nicht passt.»
Auch der Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi ist «not amused» über Parmelins Vorgehen: «Der Wille des Parlaments ist klar. Und ich finde es mühsam, wenn der Bundesrat nun versucht, das auf die lange Bank zu schieben.» Er fordert vom Bundesrat den Auftrag des Parlaments baldmöglichst umzusetzen. «Es ist nicht die Zeit für solche Spielereien», sagt Regazzi weiter.
Das Parlament könnte nun selbst den Mieterlass per Notrecht durchboxen. Dies erwähnte Bundesrat Parmelin selbst im Nationalrat. Badran und Regazzi sind sich aber beide unsicher, ob das der richtige Weg wäre. «Der Bundesrat hat beim Gesetz fürs Contact-Tracing-App bewiesen, dass er schnell handeln kann, wenn er es will. Im Fall der Gewerbemieten wäre sogar die Kompetenz dafür gegeben, weil wir so konjunkturpolitisch eine Verschuldung von vielen KMUs verhindern», sagt Badran.
Der Tessiner Nationalrat Regazzi wollte sich ebenfalls nicht klar für eine Notrechtslösung aussprechen. «Wir müssen verhindern, dass dieses Problem auf die lange Bank geschoben wird. Eine Notrechtslösung werde ich mit Ratskollegen diskutieren. So wie es der Bundesrat macht, ist es nämlich nicht seriös», so Regazzi weiter. Ein erster Entscheid dazu könnte nächsten Montag fallen, wenn sich die Wirtschaftskommission des Nationalrats trifft.
Da dürften wohl einige Vermieter auf die Barrikaden gehen (und notfalls bis vors Bundesgericht), sollte das tatsächlich so beschlossen werden.