Ob Chlorhühner aus den USA wirklich so schlecht sind
Poulet aus den USA hat es schwer. Schon in den 1990er Jahren wurde das amerikanische Federvieh als Chlorhühner beschimpft. Erhalten haben die Hühner diesen Namen, weil sie in den USA nach der Schlachtung in ein Chlorbad getaucht werden, um Erreger wie Salmonellen und Campylobacter abzutöten.
In der Schweiz wie in der EU ist das Entkeimen nach der Schlachtung generell nicht erlaubt und Chlorhühner aus den USA dürfen nicht verkauft werden. Doch nun überlegt sich der Bundesrat das Einfuhrverbot zu lockern, in der Hoffnung, die Trump-Administration gnädiger zu stimmen.
Die einheimische Geflügelbranche lehnt Chlorhühner ab, während in den USA betont wird, dass die chemische Entkeimung mit Chlor keine schädigenden Auswirkungen für die Poulet-Konsumenten habe.
Nur noch wenige Hühner kommen ins Chlorbad
Tatsächlich werden in den USA nur noch 5 Prozent aller Hühner nach der Schlachtung mit Chlordioxid behandelt. Gemäss dem National Chicken Council verwenden diese das Chlor zudem in stark verdünnter Lösung, weshalb die Konzentration gemäss dem Industrieverband als sicher gilt.
Die grosse Mehrheit verwendet andere Chemikalien wie angesäuertes Natriumchlorit, Trinatriumphosphat und Peroxyessigsäuren, ein Gemisch aus Essigsäure und Wasserstoffperoxid, um das Pouletfleisch zu entkeimen und die Haltbarkeit zu verlängern.
Der Verzicht auf Chlor hat den amerikanischen Poulet-Herstellern zwar einige Märkte geöffnet, doch in Europa und Grossbritannien bleiben chemisch behandelte Hühner tabu.
Europäische Studie zeigt, dass es keine Gefährdung gibt
Interessanterweise gibt es eine europäische Studie, welche die Unbedenklichkeit der Entkeimung zeigt. Die Studie der European Food Safety Authority hat im Jahr 2008 vier anti-bakterielle Substanzen untersucht. Darin kommt das EFSA-Gremium für biologische Gefahren (BIOHAZ) zum Schluss, dass die vier Stoffe zu keiner erhöhten Toleranz der Bakterien und zu keiner erhöhten Resistenz gegenüber Antibiotika und anderen antimikrobiellen Wirkstoffen führten.
Sarah Camenisch vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bestätigt das: «Die Oberflächendesinfektion von tierischen Lebensmitteln mit einer Chlorlösung, wie sie in den USA vorgenommen wird, ist für die Gesundheit ungefährlich.» Allerdings entsprächen diese Verfahren nicht den Schweizer Grundsätzen bei der Lebensmittelproduktion.
Die Migros, die mit Micarna eine grosse Metzgerei führt, sagt auf Anfrage: «Studien mögen zeigen, dass der Einsatz von Chemikalien sicher ist, aber wir bevorzugen natürliche und präventive Massnahmen.» Die Migros lehnt die Einfuhr von Chlor-Poulet somit ab.
In der Schweiz wurden im Jahr 2024 zirka 82 Millionen Hühner geschlachtet. Wie wird hierzulande verhindert, dass Salmonellen und andere Erreger im Poulet sind? Die Migros sei der Meinung, dass der Einsatz von Chemikalien nicht notwendig sei, wenn die gesamte Produktionskette – von der Tierhaltung bis zur Verarbeitung – hygienisch und nachhaltig gestaltet werde, sagt Andy Zesiger von der Migros.
So schreibt das Schweizer Gesetz vor, dass Lebensmittel hygienisch, sicher und nach der guten Verfahrenspraxis produziert werden müssen. «Hygiene durch ein technologisches Verfahren nachträglich sicherzustellen, ist dementsprechend unzulässig», erklärt Sarah Camenisch vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.
Hygienische Verarbeitung in den Schlachthöfen
Die Migros setzte stattdessen auf strenge Hygienevorschriften und Kontrollen. Zum ersten sind das die Haltungsbedingungen. Schweizer Pouletfleisch stamme aus der Schweiz und werde unter hohen Tierwohlstandards und Einhaltung von Hygienemassnahmen produziert.
Zweitens die hygienische Verarbeitung. In den Schlachthöfen wird auf eine kontrollierte Umgebung geachtet, zum Beispiel durch Temperaturkontrolle und regelmässige Reinigung der Anlagen. Drittens die Selbstkontrolle, die bedeutet, dass die Betriebe regelmässige mikrobiologische Tests durchführen, um sicherzustellen, dass die Produkte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
In der Schweiz gelte der Grundsatz der Selbstkontrolle der Hersteller, bestätigt Camenisch. Für die Produktion wurden Kriterien, zum Beispiel Grenzwerte für Campylobacter und Salmonellen zur Überwachung der Prozesshygiene, eingeführt und in den vergangenen Jahren laufend verschärft. Zusätzlich kontrollieren die Kantonschemiker die Betriebe und führen mit Strichproben Kontrollen an Produkten auf dem Markt durch.
Allerdings kommen auch in Schweizer Poulet Antibiotika zum Einsatz. Ist das nicht sogar schädlicher als eine Entkeimung? Im Jahr 2023 waren es gemäss dem Bundesamt total 223 Kilogramm in der Schweiz. Trotzdem könne das Geflügel nach einer Absetzfrist bedenkenlos konsumiert werden, sagt Camenisch. Zudem sei zu bemerken, dass der Antibiotikaeinsatz in der Veterinärmedizin in den letzten Jahren sehr deutlich reduziert werden konnte. «Bei Geflügel werden im Verhältnis zu anderen Nutztieren zudem nur geringe Wirkstoffmengen eingesetzt», sagt Camenisch. Und tendenziell immer weniger.
Doch auch Camenisch sagt, dass trotz aller Hygienemassnahmen und Kontrollen rohe Lebensmittel wie Geflügel, aber auch anderes Fleisch, Eier, Fisch und Meeresfrüchte Keime aufweisen können. «2023 wurde bei fünf von insgesamt vierzig Krankheitsausbrüchen Pouletfleisch als eine der möglichen Quellen vermutet». Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) werden jährlich bis zu 10‘000 Fälle von Lebensmittelinfektionen gemeldet. 7000 bis 8000 davon sind Campylobacter-, 1200 bis 2000 davon Salmonelleninfektionen. Beide werden nicht nur, aber häufig, durch kontaminiertes Pouletfleisch übertragen.
Trotz aller Massnahmen bleiben die Erkrankungsfälle somit auf einem hohen Niveau. «Aktuell prüft das BLV zusammen mit der Wissenschaft weiterführende Massnahmen, um dem entgegenzuwirken», sagt Camenisch. Das BLV prüft unter anderem, ob es Vorgaben zur maximalen Belastung mit Campylobacter von Poulet im Verkauf geben soll.
Allerdings: «Konsumentinnen und Konsumenten können mit einfachen Hygiene-Massnahmen bei der Zubereitung und dem Verzehr dazu beitragen, sich vor Infektionen zu schützen.» Das Bundesamt gibt gleich ein paar Tipps (siehe Box).
Für Fleisch und andere rohe Lebensmittel immer separate Schneidbretter, Küchenutensilien und Teller verwenden. Rohes Fleisch sowie dessen Tropfsaft sollte nicht mit anderen rohen oder genussfertigen Speisen - etwa Beilagen, Dipsaucen oder Salat - in Berührung kommen. Beim Essen und Grillieren deshalb zwei Teller benutzen: einen für das rohe Fleisch sowie einen für das gekochte Fleisch und die anderen verzehrfertigen Speisen (Beilagen, Saucen…).
- Richtig erhitzen
Fleisch, vor allem Geflügel, immer gut durchgaren. Es darf innen nicht mehr roh sein.
