Es läuft für Coop. Der Detailhandelskonzern konnte mit seinen 97'040 Mitarbeitenden im vergangenen Jahr den Umsatz um 1,1 Prozent auf 34,9 Milliarden Franken steigern, der Gewinn fiel mit 585 Millionen Franken leicht besser aus als im Vorjahr.
Sind Sie eigentlich angesichts der vielen Probleme bei Ihrer Hauptkonkurrentin Migros in Dauerfeierlaune?
Philipp Wyss: Zur Konkurrenz äussere ich mich nicht. Wir fokussieren uns auf unsere Strategie, und wir sind sehr klar positioniert mit dem Detailhandel, dem Grosshandel und der Produktion.
Dennoch: Als Detailhändler, der um jedes Prozent Marktanteil kämpft, lachen Sie doch bestimmt etwas ins Fäustchen.
Nein, über die Konkurrenz zu lachen, wäre falsch. Nochmals, ich kann nur für Coop sprechen: Wir haben vor über 20 Jahren dafür gesorgt, dass wir eine moderne, zentrale Struktur haben, und wir sind seitdem nie stehen geblieben.
Profitieren Sie von den Umwälzungen bei der Migros?
Fakt ist, dass wir 2024 im Schnitt pro Tag 50'000 mehr Kundinnen und Kunden hatten als im Vorjahr und Marktanteile gewonnen haben. Auch, weil wir expandiert haben, aber nicht nur.
Also konvertieren Sie Migros-Kinder zu Coop-Kindern?
Das würde ich nicht so sagen. Aber wir haben in den letzten 20 Jahren viel für unseren Erfolg investiert. Wir haben eine starke Preiseinstiegslinie mit Prix Garantie, mit 1500 Artikeln, die gleich wenig kosten wie beim Discounter. Wir haben 500 Markenartikel zum Discount-Preis und wöchentlich 500 Aktionen. Und wir haben massiv expandiert mit kleinen Filialen in den Quartieren und Bergtälern. Dieser Mix macht es aus.
Wie viele neue Filialen sind dieses Jahr geplant?
Normalerweise sind es 5 bis 20 pro Jahr. 2025 sind etwa 15 Filialen geplant. Kleine und mittelgrosse, jedoch keine Megastores.
Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um 1,1 Prozent gestiegen, was ziemlich genau der Inflation entspricht, der Gewinn wuchs nur minim. Zufrieden?
Ich bin sogar sehr zufrieden.
Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach: Viele Leute erhielten keinen Inflationsausgleich, die Mieten und Krankenkassenprämien steigen ...
... absolut. Bei den Krankenkassen gab es in den letzten 15 Jahren eine Teuerung von über 60 Prozent! Bei den Lebensmitteln waren es im gleichen Zeitraum nur 3 Prozent. 2024 hatten wir eine Teuerung von nur 0,3 Prozent. Wir haben also dafür gesorgt, dass das Schweizer Haushaltsbudget geschont wird.
Greift Ihre Kundschaft derzeit noch zu teuren Bioprodukten oder lieber zu Prix Garantie, weil die Kaufkraft unter Druck ist?
Beides. Bei Bio sind wir um 70 Millionen Franken gewachsen, bei Prix Garantie fast gleich stark. Besonders gefragt sind bei Prix Garantie Bananen, Pouletfleisch und Eier.
Mussten Sie denn auf die neuen Tiefpreise der Migros reagieren?
Es gab ein paar wenige Artikel, bei denen wir die Preise anpassen mussten, namentlich bei gewissen Früchten oder Gemüsen. Aber das waren Ausnahmen.
Aldi startete im vergangenen Jahr eine Fleisch-Preisschlacht. Lidl-Schweiz-Chef Nicholas Pennanen meinte, bei gewissen Produkten verdiene man praktisch nichts mehr. Sie auch nicht?
Auch wir haben selbstverständlich bei den Prix-Garantie-Fleischartikeln die Preise gesenkt. Bei manchen Fleischstücken verdienen wir heute weniger. Aber es gibt auch Prix-Garantie-Artikel mit einer fairen Marge.
Es waren Abschläge im zweistelligen Prozentbereich. Aus Konsumentensicht fragt man sich, ob es vorher nicht einfach viel zu teuer war.
Nein, denn man darf nicht vergessen, dass auf dem Weg von einem Produkt vom Bauern bis zur Konsumentin alle Schritte fair abgegolten werden müssen. Im Detailhandel sind die Margen generell klein. Einfach ausgedrückt: Von 100 Franken, die wir einnehmen, geben wir 69 Franken an unsere Lieferanten. Mit den restlichen 31 Franken müssen wir Personal, Miete, Energie, Steuern und so weiter bezahlen. Am Schluss bleibt uns 1.70 Franken. Das ist eine sehr dünne Marge und nichts im Vergleich zu grossen Konzernen und anderen Branchen.
Bei den Bioprodukten ist sie etwas höher ...
... das stimmt überhaupt nicht!
Das sagt der Preisüberwacher.
Es stimmt trotzdem nicht. Wir haben ihm das transparent dargelegt. Die in diesem Zusammenhang zitierte Bruttomarge sagt nichts über die Nettomarge aus.
Also werfen Sie dem Preisüberwacher vor, dass er es nicht versteht?
Das habe ich nicht gesagt. Aber nochmals: Wir haben ihm alles klar dargelegt. Er spricht einfach immer wieder von der Bruttomarge. Relevant ist aber die Nettomarge, und die ist bei Bioprodukten unter dem Strich nicht höher als bei konventionellen Produkten.
Sie betonen die kleine Marge, kritisieren den Preisüberwacher. Es gibt aber auch einen Bericht der Wettbewerbskommission, die Anhaltspunkte für eine Marktbeherrschung von Coop fand und sogar Hinweise für einen Missbrauch dieser Marktmacht.
Das sehe ich ganz anders! Der Wettbewerb im Detailhandel wurde noch nie so hart geführt wie heute. Die deutschen Discounter sind etabliert. Und der Einkaufstourismus brummt.
Da spürt man eine gewisse Wut bei Ihnen den Behörden gegenüber.
Gar nicht. Wir zeigen ihnen einfach immer wieder auf, dass ihre Vermutungen nicht zutreffen. Zwischendurch verstehen sie das auch.
Vergangenes Jahr liessen Sie gegenüber Lieferanten Ihre Muskeln spielen, als Sie den Ben's-Original-Reis vom US-Konzern Mars aus dem Regal nahmen und ihn mit der Eigenmarke Tom's Best ersetzten. Das ist eine Massnahme aus einer Machtposition heraus.
Das kann man so sehen. Oder auch genau gegenteilig. Aus Sicht eines internationalen Lebensmittel-Multikonzerns wie Mars ist Coop ganz klein. Entsprechend würden wir das nie mit einem kleinen Schweizer Lieferanten machen. Ein Kilo Ben's-Reis kostete vorher 5.70 Franken, während der Prix-Garantie-Reis 1.35 Franken kostet. Das war schon eine grosse Differenz. Und dann wollten sie den Preis nochmals erhöhen und wir hatten genug! Wir wehren uns immer gegen ungerechtfertigte Preiserhöhungen für unsere Kundinnen und Kunden.
Und bis jetzt ist Mars nicht eingeknickt?
Wenn sie wettbewerbsfähige Preise bieten, werden wir Ben's Original wieder ins Regal nehmen. Sonst nicht. Unsere Eigenmarke, Tom's Best, kommt bei der Kundschaft inzwischen sehr gut an.
Es gab einen anderen Fall: Varta-Batterien waren zuletzt bei Coop sogar als angebliche Aktion 260 Prozent teuer als bei Aldi. Teils sind Ihre Margen also sehr wohl exorbitant, oder?
Nein. Aber bei 1500 Artikeln wird man immer ein Prodüktchen finden, das teurer ist. Aber wir sind mit dem Lieferanten laufend im Gespräch, um bessere Preise zu erhalten.
Haben denn die Mutterhäuser von Lidl und Aldi aufgrund ihrer Grösse die besseren Karten in den Preisverhandlungen mit den Lieferanten als Sie?
Die Grösse spielt beim Einkauf selbstverständlich eine Rolle. Diese Händler kaufen manche Produkte zum Teil für ihre Läden in ganz Europa ein. Da sind Mengenrabatte in einem anderen Rahmen möglich.
Sie sagten, der Detailhandel sei noch nie so wettbewerbsintensiv gewesen. Nun kommt auch noch der holländische Billighändler Action ...
... der muss sich auch noch zuerst beweisen und gute Standorte finden. Diese kosten hier mehr als im Ausland. Aber natürlich nehmen wir jeden Wettbewerber ernst, und es wird in den kommenden Jahren bestimmt nicht einfacher.
Und dann wären da noch Alibaba und Temu. Wie stark spüren Sie die Konkurrenz dieser chinesischen Billigplattformen?
Es wäre wichtig, dass sich diese Händler an die gleichen gesetzlichen Regeln halten müssten wie wir. Sprich: Sie sollten die Mehrwertsteuer sauber deklarieren, Standards bei der Produktsicherheit einhalten und auch eine Gebühr für die Entsorgung einziehen. Das ist heute alles nicht der Fall. Deshalb braucht es jetzt gleich lange Spiesse. Zum Glück gibt es da auch schon einige politische Vorstösse, sowohl in der Schweiz wie auf EU-Niveau.
Haben Sie selber schon mal etwas bei Temu bestellt?
Selbstverständlich nicht!
Es gibt auch noch den chinesischen Billigmodehändler Shein. Schrumpfen Ihre Modeumsätze in den Coop-City-Warenhäusern deswegen?
Nein. Coop City wächst seit 2015 und gewinnt Marktanteile. Wir verkaufen ja nicht nur Mode, sondern auch Haushaltsware, Spielzeuge und Lebensmittel.
Die Migros stösst derzeit ihre Fachmärkte ab. Sie auch?
Nein. Wir haben nur The Body Shop aufgegeben, wobei das auch mit den zahlreichen Besitzerwechseln beim britischen Mutterkonzern zu tun hatte. Es ist tragisch, was dort passiert ist. Die Sortimente wurden vernachlässigt. Gleichzeitig hat die Firma ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, denn es gibt heute viele Konkurrenten, die ebenfalls auf natürliche oder vegane Kosmetik und Düfte setzen.
Sie haben 30 Body-Shop-Filialen geschlossen. Geben Sie all diese Standorte auf?
Nein, das analysieren wir jetzt. Mit Import Parfumerie, Christ und den Vitality-Apotheken haben wir durchaus Konzepte, die manche dieser Flächen übernehmen könnten.
Beim Thema Online-Warenhaus können Sie Galaxus von Migros, Amazon oder Zalando jedoch wenig entgegensetzen, nachdem Ihre Onlineprojekte Siroop und Microspot gescheitert sind.
Wir setzen hier ganz auf Omni-Channel. Also, dass all unsere Formate mit Läden auch einen eigenen Onlineshop haben. Aber von einem Online-Marktplatz sehen wir ab.
Das ist doch aber ein Manko im Hinblick auf die Zukunft.
Nein. Letztlich geht es darum, dass diese Online-Marktplätze langfristig überleben. Und das ist noch immer eine grosse Wette. Wir konzentrieren uns deshalb lieber darauf, dass wir auch im Non-Food in Zukunft noch da sind. Und das allein ist schon herausfordernd, wie man bei den Fachmärkten der Konkurrenz sieht.
Auch Ihr Jumbo-Fachmarkt kämpft mit Umsatzrückgängen.
Daran ist das miese Frühlingswetter der letzten zwei Jahre schuld. Wenn es von März bis Mai oder gar Juni durchregnet, kauft niemand Blumen, Pflanzen, Terrassenmöbel oder einen neuen Grill. Darunter hat nicht nur Jumbo, sondern die Branche in ganz Europa gelitten. Sonst läuft das Geschäft von Jumbo gut, auch hier haben wir Marktanteile gewonnen.
Schwer tun sich die Elektrogeschäfte. Sie haben mit Fust und Interdiscount gleich zwei. Braucht es wirklich beide?
Absolut. Die Kundschaft ist nicht mal zu 50 Prozent deckungsgleich. Bei Fust verkaufen wir vor allem grosse Geräte wie Kühlschränke und Klimaanlagen und bieten Service-Dienstleistungen. Bei Interdiscount sind es kleinere Geräte wie Handys und Laptops.
Bei Fust sind die Umsätze aber zurückgegangen und vor zwei Jahren gab es einen Abbau.
Wir haben nun ein neues Konzept und sind gut unterwegs. Natürlich kann es die eine oder andere Schliessung geben. Wir überprüfen unsere Standorte ständig und warten nicht, bis 100 Filialen rot sind und kein Geld verdienen.
Vor einem Jahr hatten Sie gesagt, Sie würden die von der Migros zum Verkauf angebotenen Geschäfte prüfen. Zugeschlagen haben Sie aber nicht.
Die Fachformate haben uns nie interessiert, wir haben einzelne Standorte geprüft. So konnten wir uns eine Handvoll neuer Flächen sichern.
Online mischen Sie vor allem im Supermarktgeschäft mit. Der Umsatz von Coop.ch ist erneut gewachsen, um knapp 9 Prozent. Verdienen Sie da überhaupt Geld oder ist das einfach defizitär?
Es kommt darauf an, wie man rechnet.
Jeder einzelne Einkauf für sich.
Das ist nicht unser Ansatz. Es geht um das Kundensegment, und hier ist die Rechnung äusserst positiv. Denn es sind unsere besten Kundinnen und Kunden, die teilweise auch online bestellen. Coop.ch ist Teil unseres Supermarktgeschäftes, hier gibt es keine separate Rechnung.
Das heisst aber anders gesagt: Für sich allein genommen, rentiert der Online-Supermarkt nicht.
Es geht aber auch nicht darum. Letztlich ist es wichtig, dass unsere Kundinnen und Kunden dort ihre Produkte bekommen, wo sie diese in einem spezifischen Moment wünschen. In der Verkaufsstelle in ihrem Quartier, an einem Bahnhof im Coop to go oder eben online. Darum schauen wir immer das gesamte Supermarkt-Ergebnis an, inklusive online, und so geht die Rechnung für uns und die Kundinnen und Kunden momentan auf!
Wie haben sich eigentlich Ihre Restaurants entwickelt?
Unglaublich positiv. Wir sind umsatzmässig über 5 Prozent gewachsen und konnten auch hier Marktanteile gewinnen. Wir haben 2024 erstmals über 1 Million Gäste pro Woche in unseren verschiedenen Restaurants bedienen können.
In Ihrer Coop-Filiale in Zürich-Oerlikon hat es neu eine Sushi-Ecke. Verschiebt sich die Gastronomie auch physisch vermehrt in den Supermarkt?
Nein, das ist eine Ausnahme. Ein anderes Beispiel ist unsere Marktgass-Filiale in Bern mit einem breiten Angebot zum Mitnehmen oder zum Dortessen an den Tischen oder der Kaffeebar. Dort läuft es sehr gut, am Mittag ist es immer voll. Wir eröffnen im Juni im Zürcher Seefeld ein ähnliches Konzept, aber diesmal mit unserem italienischen Sapori-Konzept. Aber solche Food-Marktplätze funktionieren nur in städtischen Lagen mit sehr hohen Frequenzen.
Und wie wird das Geschäftsjahr 2025?
Ich bin kein Hellseher! (Lacht.) Aber was ich sagen kann: Wir sind sehr gut ins Jahr gestartet. Die Inflation sinkt, wir können weiter Preise senken.
Aber nicht bei Kaffee und Schokolade?
Nein, Kaffee und Schokolade bleiben in der Beschaffung teuer. Aber wir werden beim Olivenöl die Preise wieder senken können. Zudem werden wir die Preise bei 100 Markenartikeln senken, vor allem im Food-Bereich, am Donnerstag in einer Woche. Wir haben ja per Anfang Jahr unseren Aktions-Rhythmus geändert. Statt von Dienstag bis Montag laufen die Aktionen neu von Donnerstag bis Mittwoch. Deshalb kommt die «Coopzeitung» jetzt auch neu am Donnerstag raus. Das Ganze war eine grosse Übung!
Wieso haben Sie das eigentlich gemacht?
Donnerstag, Freitag und Samstag sind die wichtigsten Einkaufstage. Deshalb müssen die Regale mit den Aktionen bis Ladenschluss am Samstagabend voll sein.
Zurück zur Migros: Wir haben Migros-Chef Mario Irminger jüngst gefragt, was Coop gut respektive besser macht als Migros. Er hat Coop unter anderem für die Fokussierung gelobt. Jetzt umgekehrt: Was macht Migros gut oder vielleicht besser als Coop?
Wir müssen die Migros ernst nehmen, auch in Zukunft. Wenn ich in die Vergangenheit schaue, dann ist es die Expansion mit grossen Läden und die Eigenmarken-Strategie. Da holte Coop später erst auf. Aber sonst gehe ich mit Herrn Irminger einig. (aargauerzeitung.ch)
Haben Kassensturz und andere Magazine nachgewiesen, dass Biobauern und unwesentlich mehr Geld kriegen für Produkte, die im Coop-Laden dann ein mehrfaches kosten.
Lidl und Aldi sind da fairer... auch wenn die Bandbreite der Produkte etwas schmaler ist.
Die sollen mal vor der eigenen Tür wischen!