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Sie ist ganz neu, alles riecht noch nach Farbe. Wer die Collect Lounge im Untergeschoss der Welle 7 in Bern betritt – einem gigantischen Komplex mit Läden, Essständen und Business- Zentrum – schnuppert ein bisschen an der Zukunft.
Die Collect Lounge besteht aus einem Päckli-Schalter, einer Warteecke, riesigen Umkleidekabinen und einer Station mit zwei Bildschirmen.
Auf den ersten Blick nichts Bahnbrechendes. Bei genauerem Hinsehen allerdings schon. Denn was hier angeboten wird, könnte den Modehandel, der wegen des Onlineshoppings mit sinkenden Zahlen kämpft, gehörig durcheinander wirbeln.
Teresa M.* zeigt am Schalter ihren Collect-Lounge-Ausweis, nur wenige Sekunden später stellt ihr ein Mitarbeiter drei Zalando-Pakete vor die Nase. Mit diesen verschwindet sie in einer der übergrossen Umkleidekabinen, dann passiert längere Zeit nichts. Nach einer Viertelstunde steckt sie ihren Kopf aus der Kabine, begibt sich schnurstracks zu den Bildschirmen und druckt Etiketten aus. Zwei klebt sie auf zwei Päckli und gibt diese gleich wieder ab am Desk. Mit dem dritten verlässt sie lächelnd den Schalter.
«Ich arbeite und bin Mutter von zwei Kindern», sagt Teresa M. Deshalb sei sie nie zuhause, wenn der Pöstler Päckli bringe, und sie habe sich bisher keine Zalando-Lieferung schicken lassen können. «Das hat sich nun geändert: Ich lasse mir alles in die Abhol-Lounge liefern, probiere es hier über Mittag oder nach dem Feierabend an und schicke direkt wieder zurück, was mir nicht gefällt.» Sie findet das total bequem.
Genau dafür ist das Ganze laut Migros-Aare-Sprecherin Andrea Bauer geschaffen worden. Für Arbeitende, vor allem aber Pendler, die nur am Morgen früh und dann erst wieder am Abend zu Hause sind. Für solche, die erst nach Schalterschluss normaler Poststellen Feierabend haben.
Wer sich seine Pakete in die Lounge liefern lassen will, muss sich zuerst registrieren und als Lieferadresse die Adresse die Welle 7 angeben. Sobald die Bestellung ankommt, bekommt der Kunde eine Mail.
Betreiberin der Lounge ist alleine die Migros. Warum tut sie das? Wandern ihr damit nicht noch mehr Kleider- und Schuhkunden zu Zalando ab? Schneidet sich die Migros mit der Collect Lounge nicht ins eigene Fleisch?
«Nein», sagt E-Commerce-Experte Gregor Westerhold von der Beratungsfirma Carpathia. Er sieht in der Lounge nur Vorteile für die Migros: «Mit diesem Service kann die Migros mit Kunden in Kontakt bleiben und kommen», sagt Gregor. Hat die Migros die Leute bereits im Haus, besteht eine grosse Möglichkeit, dass sie darin Geld ausgeben; in einem der Läden einkaufen oder etwas trinken.
Migros-Sprecherin Bauer sagt, als Unternehmen habe man immer zwei Möglichkeiten: Entweder verschliesse man sich vor den sich ständig ändernden Markt- und Kundenbedürfnissen, oder man nehme diese als Chance wahr. «Wir haben uns für die zweite Variante entschieden und bieten eine angenehme Lösung für die boomenden Online-Bestellungen.» Ausserdem würden ja auch Pakete abgeholt, die in Migros-Online-Shops bestellt worden seien.
Zalando, das für den Service nicht einmal etwas bezahlt, dürfte es egal sein, was für Ziele die Migros mit der Lounge verfolgt. Die Firma mit der fragwürdigen Personalpolitik führt ihren Siegeszug unbeirrt weiter. Für die Schweiz gibt der Online-Modehändler keine Zahlen heraus, in Europa steigerte das Unternehmen den Umsatz im ersten Halbjahr 2016 um 24 Prozent auf 1,9 Milliarden Franken.
Durch die Lounge dürfte Zalando all seinen Konkurrenten noch mehr Kunden abjagen.
Teresa M.* gab wie zahlreiche andere bereitwillig Auskunft, will ihren Namen aber – ebenfalls wie alle anderen – nicht in einem Artikel lesen.