Zugreisen mit Easyride: Berner Firma verliert millionenschweren SBB-Auftrag
Die Easyride-Funktion in der SBB-App ist beliebt. Sie zählt täglich 80'000 Fahrten und 400'000 monatliche Kunden. Diese nutzen die bequeme Möglichkeit, per Wisch auf dem Mobiltelefon ihre Reise digital aufzuzeichnen und den Billettpreis nach Ankunft am Ziel zu bezahlen. Für die SBB ist Easyride seit der Einführung der «Kanal mit dem grössten Absatzwachstum».
Um das Angebot weiter auszubauen, hatten die SBB im Februar 2024 zwei Module auf der Beschaffungsplattform des Bundes neu ausgeschrieben. Es handelte sich um das Kernstück, die sogenannte «Reiseerfassung», sowie die technologische Lösung zur «Missbrauchserkennung». Hier geht es darum, Betrüger mithilfe von Nutzungsmustern zu erkennen. Diese können die SBB daraufhin verwarnen und bei Bedarf sperren.
Auch die Berner Firma Fairtiq, die bisherige Anbieterin, stieg ins Rennen um den Auftrag. Mit dem Ergebnis waren deren Chefs allerdings gar nicht zufrieden: Statt weiterhin auf Fairtiq zu setzen, schlugen die SBB den Auftrag der Konkurrenz zu, namentlich dem Luzerner Unternehmen Axon Vibe. Fairtiq belegte nur den dritten Platz, nach der deutschen Firma Scheidt & Bachmann mit Ableger in Ostermundigen BE. Die beiden Firmen konnten nur noch auf den Auftrag hoffen, sollte Axon nicht liefern und die SBB den Vertrag kündigen.
Bisheriger Anbieter ging leer aus
Bei Fairtiq war der Ärger darüber so gross, dass die Firma vor Bundesverwaltungsgericht klagte. Das Unternehmen forderte selbstbewusst, die SBB müssten ihr den Vorzug geben und die beiden Konkurrenten aus dem Verfahren ausschliessen.
Als Begründung führte Fairtiq an, die beiden Konkurrenten hätten zwei Kriterien der Ausschreibung gar nicht erfüllt. Die Berner rügten, dass die Mitbewerber mindestens seit 2019 eine «Standardlösung für automatisches Ticketing hätten vertreiben und produktiv einsetzen» müssen. Das sei bei beiden Firmen nicht der Fall gewesen. Neben diesem angeblich verfehlten Kriterium der «Marktpräsenz» sah sich Fairtiq auch beim Kriterium «Referenzen» vorne: Man habe als einziger Anbieter bereits ähnliche Projekte mit hohen Volumen und mit Missbrauchserkennung umgesetzt.
Für Fairtiq mit seinen rund 140 Mitarbeitenden stand viel auf dem Spiel. Bei der Weiterentwicklung von Easyride handelt es sich um einen Auftrag in Millionenhöhe. Die Offerten der Anbieter reichten von 18 Millionen bis 51 Millionen Franken. Welchen Preis Fairtiq für seine Leistungen verlangt hatte, ist nicht bekannt.
Deutsche Bahn als Referenz war zulässig
Der Gang vor Gericht konnte den Entscheid der SBB allerdings nicht mehr umstossen, wie ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt. Es wies die Beschwerde von Fairtiq ab und bezeichnete die Rüge als «unbegründet». Die Richter kamen zum Schluss, dass Axon Vibe und Scheidt & Bachmann beide die Vergabekriterien erfüllt hatten.
So hatte Axon Vibe bereits 2019 für die Deutsche Bahn ein automatisches Ticketing entwickelt. Zwar kam diese «Tickin»-App erst im Mai 2020 in die App-Stores. Daraus könne man aber nicht schliessen, dass Axon Vibe die Software im Jahr 2019 noch nicht «produktiv» eingesetzt habe, so die Richter. Denn die Deutsche Bahn hatte die Lösung noch im Dezember 2019 gekauft; auch die Laufzeit des Vertrags begann mit dieser Lizenzierung. Deshalb hätten die SBB davon ausgehen dürfen, dass «die Plattform damals zur Verfügung stand und produktiv eingesetzt wurde», so die Richter. Und da die Deutsche Bahn eine Lizenz für zwei Millionen Fahrten gekauft hatte, seien ausreichende Volumen und eine Referenz gegeben. Zu ähnlichen Schlüssen kam das Bundesverwaltungsgericht beim Anbieter Scheidt & Bachmann.
«Wir haben das Urteil zur Kenntnis genommen und planen nicht, es weiterzuziehen», hält Fairtiq-Sprecher Laurent Widmer auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende» fest. Damit ist der Weg für die SBB frei, den Vertrag mit Axon Vibe zu unterzeichnen. Man gehe davon aus, dass der neue Anbieter bis Ende 2025 vollumfänglich die Bereitstellung der Module für die Reiseerfassung und Missbrauchserkennung übernehmen werde, sagt SBB-Sprecherin Sabrina Schellenberg.
«Starke Partnerschaften mit regionalen Verkehrsbetrieben»
Für Fairtiq ist es eine bittere Niederlage. Nicht nur verliert die Firma einen Millionenauftrag. Sie muss auch die Verfahrenskosten von 30'000 Franken bezahlen. Fairtiq will künftig dank «starker Partnerschaften mit regionalen Verkehrsbetrieben und Verbünden» wachsen, sagt Widmer. Er nennt auch die ZVV- oder die BLS-App, wo die Fairtiq-Technologie ein integraler Bestandteil sei. Zudem wolle man international weiter zulegen. Die Technologie sei inzwischen in 25 Regionen in 8 Ländern verfügbar. Kürzlich entschied Dänemark, sein nationales Kartensystem im ÖV mit einer von Fairtiq entwickelten App zu ersetzen. Das Einchecken per Plastikkarte entfällt nun für ÖV-Nutzer in Dänemark. Auch in Schweden konnte die Firma kürzlich einen Auftrag an Land ziehen.
Urteil B-5393/2024 vom 12. Februar 2025
