Die Welt des Geldes ist männlich dominiert. Das betrifft nicht nur das Bankenwesen, sondern auch seine Kritiker. Als die Vollgeld-Initianten im März vor die Medien traten, sass nur eine Frau auf dem Podium: Katharina Serafimova, Sozialunternehmerin aus Zürich. Sie war nicht nur wegen ihres Geschlechts eine auffällige Erscheinung, sondern auch durch ihren Zugang.
Als Umweltwissenschaftlerin beschränkt sie sich nicht auf die Geldherstellung und Kreditvergabe. Ihr «Kerngeschäft» ist das weite Feld, das man pauschal als Nachhaltigkeit bezeichnen kann. «Ich habe mich mein ganzes Leben mit unserem Verständnis von und unserer Beziehung zur Natur beschäftigt», erklärt Serafimova beim Treffen in einem Café im Zürcher Seefeld-Quartier.
Es war folgerichtig, dass die in Portugal aufgewachsene Katharina Serafimova («ich hatte eine schöne Kindheit») 1997 in die Schweiz kam, um an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften zu studieren. Nach einer «tollen Studienzeit» startete sie frohen Mutes in die Arbeitswelt. In einer Unternehmensberatung entwickelte sie Projekte im Bereich der Ressourcennutzung.
Diese wurden immer grösser und erfolgreicher. «Mit der Zeit aber bemerkte ich, dass etwas nicht stimmt. Man produziert für den Markt und gerät in Nutzungskonflikte.» Mit anderen Worten: Die Nachhaltigkeit kam gegenüber der Rendite zu kurz. Katharina Serafimova musste erkennen, dass es einen Aspekt gab, über den sie an der ETH nichts gelernt hatte: das Geld.
Sie ging zu einer Bank und beschäftigte sich mit nachhaltigen Anlagen. Diese machten aber nur einen Bruchteil der Geldströme aus. Serafimova zog weiter und baute beim WWF Schweiz den Bereich Natur und Finanzwirtschaft auf. Das Grundproblem aber blieb ungelöst: Wie kann man die geldgetriebene Welt mit Langfristigkeit und Ressourcenschonung in Einklang bringen?
Nun ist es nicht so, dass niemand sich mit dieser Frage beschäftigen würde. «Beim Bau einer Brücke zwischen diesen Welten hat sich etwas getan», anerkennt die Mutter von zwei Kindern. Heute sprechen sogar die Finanzminister im Rahmen der G20 über Umweltfragen. Auch in der Bankenwelt sei die Erkenntnis angekommen, dass das System nachhaltiger werden müsse.
Mit dem Bau einer solchen Brücke sei es aber nicht getan, betont Serafimova: «Wir können uns noch so anstrengen, wenn das Fundament nicht vorhanden oder wackelig ist, wird es nicht funktionieren.» Gemeint ist das Geld: «Im heutigen System gibt es zu viele Anreize für Aktivitäten, die sehr stark umweltzerstörend sind.» Ein Beispiel sei die exzessive Bautätigkeit.
«Renommierte Experten sind sich einig, dass das heutige Geldsystem nicht mehr lange funktioniert», sagt Serafimova. Die Vollgeld-Initiative ermögliche es, diese Exzesse abzumildern. «Sie stellt die entscheidende Frage: Wer trägt die Verantwortung für die Spielregeln? Wenn wir das klären, können wir uns überlegen, wie das Geldsystem künftig funktionieren soll.»
Ein Allheilmittel ist die Initiative nicht, das anerkennt auch Serafimova. Sie sei ein erster Schritt zu einem stabileren und nachhaltigeren System. «Es ist sehr schön, dass allen Schweizerinnen und Schweizern eine machbare Frage gestellt wird: Wollen wir, dass diese Verantwortung bei den privaten Banken bleibt? Oder wollen wir, dass sie bei einer Institution wie der Nationalbank liegt, die gemäss der Verfassung dem Gemeinwohl verpflichtet ist?»
Die weiteren Fragen würden sich daraus ergeben, sagt die Naturwissenschaftlerin und kontert damit die Kritik, dass sich die Initiative auf die «Geldherstellung» fokussiere und nicht an den Strukturen des Bankensystems rüttle. Oder auf den Einwand von Bankenkritiker «Jason McMillan» im watson-Interview, dass die Vollgeld-Initiative nicht mehr ins digitale Zeitalter passe.
«Ich teile die Analyse weitgehend, ziehe aber andere Schlüsse daraus», erwidert Serafimova. Die Exzesse im Geldsystem seien gerade durch den technologischen Fortschritt entstanden. Deshalb sei es wichtig, diese Frage jetzt auf Verfassungsebene zu stellen. «Wenn wir diese Diskussion nicht führen und nicht darüber abstimmen, geht es einfach so weiter.» Bei einer Annahme der Initiative könne man weitere Themen angehen, etwa den Umgang mit Kryptowährungen.
Bei ihrer Arbeit und durch unzählige Gespräche hat die Sozialunternehmerin festgestellt, dass in der Bevölkerung ein grosses Unbehagen über das heutige Geldwesen vorhanden ist, bis hin zu Topmanagern. Gleichzeitig schreckt die Komplexität des Themas viele ab, vor allem Frauen: «Ich kann mich darüber aufregen, oder ich engagiere mich, als Bürgerin und ohne Mandat.»
Vor wenigen Tagen hat Katharina Serafimova das Dokumentarfilmprojekt «Die weibliche Seite des Geldes» online geschaltet, in dem Frauen ihre Befindlichkeit zum Thema ausdrücken. Zu ihrem Engagement gehört auch eine Veranstaltungsreihe mit dem durchaus provozierend gemeinten Titel «Geld und Weiblichkeit».
Ausserdem hat Katharina Serafimova einen Lehrauftrag am Institute für Banking und Finance an der Universität Zürich. Zur Hauptsache aber beschäftigt sie sich heute mit Projekten im Bereich der aufbauenden Landwirtschaft jenseits der Monokultur. In ihrer früheren Heimat Portugal läuft ein Projekt, um die weitere Ausbreitung der Wüste zu verhindern und die Landflucht zu bremsen.
Die ETH-Absolventin ist damit im wahrsten Sinn an der Wurzel des Wirtschaftssystems angelangt. Serafimova aber ist überzeugt, dass es damit nicht getan und ein Diskurs über die Frage notwendig ist, wie wir das Geld organisieren. «Es ist das Verdienst der Vollgeld-Initiative, dass sie diese Diskussion ausgelöst hat. Sie wird weitergehen, unabhängig vom Abstimmungsergebnis.»
Katharina Serafimova, die dem Initiativkomitee nicht angehört, wird sich bis zur Abstimmung am 10. Juni weiter daran beteiligen, zum Beispiel diese Woche an einem Podium im Theater Basel.